American War (Omar El Akkad)

S. Fischer (April 2017)
Originaltitel: American War
ÜbersetzerInnen: Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié
Taschenbuch
448 Seiten, 12,00 EUR
ISBN: 9783596299447

Genre: Belletristik, Dystopie

Diese Rezension wurde 2018 für den mittlerweile gelöschten Blog „Cygnus Reviews“ geschrieben.


Klappentext

Was wird sein, wenn die erschütternde Realität der Kriege und die Folgen von Umweltkatastrophen mit aller Gewalt in die USA zurückkehren? Vor diesem Hintergrund entfaltet Omar El Akkad mit großer erzählerischer Kraft den erbitterten Kampf der jungen Sarat Chestnut, die beschließt, mit allen Mitteln für das Überleben zu kämpfen. Spannend bis zur letzten Seite, brisant und aktuell.


Rezension

Im ausgehenden 21. Jahrhundert hat sich die politische Landkarte radikal verändert: Während in Nordafrika nach zahlreichen fehlgeschlagenen Revolutionen schließlich ein demokratisches, geeintes Gebiet entstanden ist, in dem Flüchtlinge aus einem zerfallenen Europa Zuflucht suchen, ist Nordamerika gespalten. Teile des Südens werden von Mexiko beherrscht, andere haben sich dagegen vom Norden abgespalten. Anlass für die Sezession war das Verbot fossiler Brennstoffe, dass der Norden um jeden Preis durchsetzen wollte. Die „Blauen“ – also die Vertreter des Nordens – versuchen den Widerstand des Südens – der „Roten“ – zu brechen, die dortigen Rebellen wiederum wollen ihnen u.a. durch Selbstmordattentate so viel Schaden wie nur möglich zuzufügen.

Es ist ein trostloses Land, in dem „American War“ spielt – am Himmel kreisen Drohnen, die seit einem Anschlag auf das Rechenzentrum des Nordens nicht länger kontrollierbar sind und ihre tödliche Fracht willkürlich abwerfen, Menschen fliehen vor den steigenden Meeresspiegeln ins Inland und die Vertriebenen des Bürgerkrieges fristen in riesigen Flüchtlingslagern ein Leben, das vollkommen von Hilfslieferung aus China und dem Nahen Osten abhängig ist.

In einem solchen Flüchtlingslager verbringt Sarat einen Teil ihrer Kindheit. Die Handlung setzt jedoch noch vorher ein, sodass Leser*innen ihre Familie kennenlernen: Menschen, denen der Krieg kaum gleichgültiger sein könnte, und deren einziger Wunsch es ist, zu überleben. Doch als Sarats Vater stirbt und die Front des Krieges näher zu rücken scheint, bleibt ihnen nur die Flucht.

Sarat ist von Anfang an ein willensstarkes Mädchen, das wenig Ähnlichkeit mit ihrer Schwester Dana hat, die mehr traditionell „mädchenhafte“ Interessen hat. Sarat scheint sonderbar blind für einige soziale Konventionen zu sein und ist dank ihres Aufwachsens inmitten eines Krieges auch nicht sonderlich gebildet, ihr Blickfeld bleibt eng, auf ihr unmittelbares Umfeld und ihre Wut auf den Süden gerichtet. Sie ist nicht unbedingt eine Figur, der zuzusehen besonders viel Spaß macht oder die zur Identifikation einlädt, aber sie überzeugt und hat auch sympathische Züge.

„American War“ nimmt sich viel Zeit, um die Geschichte Sarats und ihrer Familie zu erzählen und liest sich dabei manchmal recht zäh. Zugleich vermittelt das Buch gut, wie es den Protagonisten oftmals geht: Dem Verlauf eines Krieges ausgeliefert, den sie nicht verstehen, und auf fremde Hilfe angewiesen, hängen sie auf unbestimmte Zeit in einer Art Zwischenstadium fest, das es ihnen unmöglich macht, für die Zukunft zu planen.

Die Begegnung mit dem charismatischen Albert Gaines, der Sarat für die Sache des Südens zu gewinnen versucht, und ein brutaler Angriff verwandeln die junge Frau, zu der das Mädchen Sarat herangewachsen ist, schließlich in eine entschlossene Kämpferin. Die größeren Zusammenhänge des Krieges sind ihr egal. Sarat will einfach nur Rache. Ihre Verwicklung in den Krieg verwandelt sie schließlich in eine gebrochene Frau, die am eigenen Leib erfahren hat, wozu Menschen fähig sind, und für die der Krieg auch nach dem offiziellen Friedensschluss nicht zu Ende ist. Ihr steht noch eine folgenreiche Entscheidung bevor.

Wie schon erwähnt schleppt sich die Handlung von „American War“ gelegentlich sehr langsam dahin. Doch zugleich überzeugt das Buch durch die vielen deprimierenden Details, die das Geschehen beklemmend realistisch erscheinen lassen. So gelingt es El Akkad eindringlich, die Hilflosigkeit der Figuren zu schildern, die in Flüchtlingslagern von Hilfsorganisationen verwaltet, als Kämpfer für die Sache des Südens instrumentalisiert oder durch beinahe zufällig anmutende Angriffe getötet oder verstümmelt werden.

Am Anfang und Ende erzählt Benjamin, doch meist wird in der dritten Person über Sarat, aber auch über einige andere Figuren geschrieben. So wird z.B. ein Großteil ihrer ersten Flucht aus der Perspektive ihrer Mutter erzählt. El Akkads Stil ist einfach gehalten, aber zeugt von einer großen Beobachtungsgabe. Die geschickte Verwendung von Details erweckt die Schilderungen von trostlosem Alltag und Gewalt plastisch zum Leben und macht es Leser*innen schwer, innerlich auf Distanz zum Geschehen zu gehen, selbst wenn einige Szenen definitiv den Wunsch danach wecken.


Fazit

Omar El Akkads „American War“ ist eine tragische Familiengeschichte in einem unheimlich realistisch anmutenden dystopischen Szenario. Das Buch liest sich gelegentlich zäh, nahezu immer ziemlich deprimierend und vermittelt mit großer Eindringlichkeit jene Universalität von Krieg und Elend, die auch eine der Figuren an einer Stelle anspricht: Egal ob in Afrika, Asien oder den USA, bringt er doch immer dasselbe Ergebnis hervor: tote, verletzte oder psychisch gebrochene Menschen. Es handelt sich nicht um angenehme Lektüre, aber trotz seiner Längen um ein gutes Buch.


Pro und Contra

+ trostlos realistische Schilderungen
+ geschickt eingesetzte Details
+ spannend, obwohl bereits am Anfang relativ viel vom Ende bekannt ist

o teilweise sehr deprimierend und aufwühlend

- stellenweise zäh

Wertung:

Handlung: 4/5
Figuren: 4/5
Lesespaß: 3/5
Preis-Leistung: 3,5/5