Veronika Lackerbauer (17.02.2020)

Interview mit Veronika Lackerbauer

veronika lackerbauer2020Literatopia: Hallo, Veronika! Kürzlich ist Dein neuer Roman „U wie Utopia“ beim Verlag ohneohren erschienen. Was erwartet die Leser?

Veronika Lackerbauer: Die Leser gehen mit „U wie Utopia“ auf eine Reise in die (nahe) Zukunft, in der die Welt, wie wir sie kennen, nicht mehr existiert. Nach Kriegen und Klimakatastrophe ist die menschliche Zivilisation weitgehend ausgelöscht. In einer abgeriegelten, von einer Klimamembran geschützten Enklave lebt eine Gesellschaft, die sich die Perfektionierung der Menschlichen Rasse zur Aufgabe gemacht hat.

Literatopia: Welche technologischen Errungenschaften prägen den Alltag unter der Klimakuppel? Und was gilt in dieser abgeschotteten Gesellschaft als „perfekt“?

Veronika Lackerbauer: Sex und Fortpflanzung sind überflüssig geworden, Utopia selektiert und züchtet sich seinen Nachwuchs komplett im Labor und wendet dazu auch Genveränderungen an, um die idealen Menschen zu formen, die sie für ihre System brauchen.

Auch Nahrungsmittel sind komplett synthetisch und erfüllen optimal den Bedarf der Utopier. Dieser wird durch Apps auf ihren implantierten Chips genauestens errechnet. Dadurch sind Krankheiten weitgehend ausgeschlossen. Die Chips fungieren außerdem als Pass, Zahlungsmittel und Datenspeicher, sowie Kommunikationsmedium.

Perfekt bedeutet: körperlich fit, belastbar, gesund, schön, klug und strebsam.

Literatopia: Was zeichnet Deine Protagonistin Jondis aus? Stellt sie das System von Anfang an in Frage oder ist sie zunächst angepasst?

u wie utopiaVeronika Lackerbauer: Nein, Jondis ist zunächst der Prototyp der perfekten Utopierin. Sie ist in allen Fächern hervorragend, kennt sich insbesondere mit den Gesetzen und Vorschriften in Utopia bestens aus und strebt deshalb nach dem höchsten Bildungsabschluss: Dem Abschluss am BIS System, dem Bildungsinstitut, das für die höchsten Laufbahnen im System Utopias qualifiziert.

Je tiefer sie allerdings in das System vordringt, umso mehr beginnt die Fassade zu bröckeln. Quälende Fragen stellen sich Jondis, auf die sie keine befriedigenden Antworten findet, wie z.B. Was passiert mit denen, die nicht in das perfekte Raster passen?

Literatopia: Würdest Du uns Jondis‘ Freunde kurz vorstellen?

Veronika Lackerbauer: Jondis‘ beste Freundin im Erziehungsheim ist Leondra. Sie ist quirlig und lebenslustig und eigentlich ein ziemlich normaler Teenager, was für Utopia eher ungewöhnlich ist. Sie möchte ans BIS Sprache und in die Medienwelt Utopias einsteigen.

Leondra unterhält eine Beziehung zu Lugor, was in Utopia eigentlich verpönt ist. Feste Partnerschaften sind überflüssig geworden und werden unter Jugendlichen gerade noch so geduldet, solange sie keine sexuellen Anklänge haben. Lugor ist ähnlich wie Jondis sehr strebsam und möchte ein gefeierter Wissenschaftler werden, weshalb er das BIS Technik anstrebt.

Der vierte im Bunde ist Gregolas. Er ist absolut systemtreu, allerdings weniger gut in den geistigen Fähigkeiten als seine Freunde. Gregolas ist ein Macher, er möchte auf dem BIS Motorik zur Elitekampftruppe und dem System mit seiner Körperkraft nützen.

Literatopia: Wie sieht die Welt außerhalb der Klimakuppel aus? Leben dort noch Menschen?

Veronika Lackerbauer: Die Medien in Utopia zeichnen die Außenwelt in den schrecklichsten Farben. Mord und Totschlag von rivalisierenden, marodierenden Banden seien an der Tagesordnung und der wütende Mob laufe gegen die Verteidigungsanlagen Utopias an, um Utopia zu überrennen. Nichts fürchten die Bewohner mehr als die Eindringlinge von außen, die ihnen all ihre Lebensgrundlage zunichtemachen wollen.

Je mehr Jondis hinter das System blickt, umso mehr beginnt sie Dinge in Frage zu stellen. So auch die Beziehung zwischen Utopia und der Außenwelt. In Utopia ist nichts wirklich so, wie es scheint.

Literatopia: Deine Kurzgeschichtensammlung „Fremde Welten“ hast Du selbst über Books on Demand veröffentlicht. Auf welche fremdartigen Welten dürfen sich die Leser freuen?

fremde weltenVeronika Lackerbauer: Ich veröffentliche seit 2016 auch im Selfpublishing. „Fremde Welten“ ist bereits mein 8. Selfie. Es handelt sich dabei um Kurzgeschichten aus allen Bereichen der düsteren Phantastik. Vergangene Welten sind darin ebenso zu finden, wie zukünftige. Irland während der großen Hungersnot oder die Überfahrt Kolumbus‘ nach Amerika beispielsweise. Es gibt Weltraumschlachten und ferne Planeten zu entdecken. Allerlei phantastisches Getier tummelt sich auch zwischen den Seiten, man trifft Vampire und Werwölfe, Geisterwesen, irrwitzige Tüftler und außerirdische Lebensformen. Es ist ein Genremix und wird sicherlich jeden Liebhaber phantastischer Welten in seinen Bann zu ziehen vermögen.

Literatopia: Welche Vorteile bietet Dir das Selfpublishing? Und welche Nachteile?

Veronika Lackerbauer: Ich bin zum Selfpublishing gekommen, weil meine ersten Verlagskontakte aus der Phantastik-Kleinverlagsszene kamen. Ich schreibe zwar (auch) Phantastik, aber eben nicht nur. 2014 erschien mein Debütroman bei ohneohren und danach wollte ich meine regionalen Krimigeschichten vermarkten, das wäre aber bei ohneohren nicht möglich gewesen. Noch einmal auf Verlagssuche wollte ich mich nicht begeben und ich hatte Kontakte geknüpft, die mich das Wagnis Selfpublishing eingehen ließen.

Das SP hat den großen Vorteil, dass ich Zeitpunkt und Art und Weise der Veröffentlichung bestimmen kann. Ich muss nicht warten, bis ein Verlag mich ins Programm nimmt, sondern kann in meinem eigenen Tempo loslegen. Leider bedeutet das auch, dass man nicht nur alles selbst bestimmen kann, sondern auch alles allein tun muss. Dabei geht viel Zeit für Vorbereitung und Marketing drauf, die dann beim Schreiben fehlt. Gleichzeitig muss ich viel investieren, sowohl Zeit als auch Geld beispielsweise. Ob ein Buch die Investitionskosten einspielt und wie lange es dazu braucht, weiß ich vorher nicht. Das ist das unternehmerische Risiko, das Selfpublisher zu tragen haben.

Literatopia: Du schreibst auch bayrische Regionalkrimis. Welcher Kommissar ermittelt da? Und mit welchen Verbrechen wird er konfrontiert?

Veronika Lackerbauer: Ich habe verschiedene Ermittler, am häufigsten geht jedoch Kommissar Veitl auf Verbrecherjagd in der bayerischen Provinz. Er schlägt sich mit Mord, Entführung und Erpressung herum.

Literatopia: Hast Du bei Deinen Krimis eine andere Leserschaft als bei Deinen phantastischen Geschichten? Oder lesen viele beides gern von Dir?

Veronika Lackerbauer: Tatsächlich habe ich einige Allround-Fans, die alles lesen, was von mir auf den Markt kommt. Daneben gibt es natürlich auch viele Leser, die bei einem Genre bleiben und dann nur ausgewählte Sachen von mir lesen. Das ist aber auch vollkommen in Ordnung.

hugo und leberkaesLiteratopia: Auf Deiner Website schreibst Du, dass Du schon immer gern geschrieben hast. Weißt Du noch, wovon Deine erste Geschichte handelte? Und wann hast Du Deinen ersten Roman geschrieben?

Veronika Lackerbauer: Mein Vater behauptet, ich hätte schon Geschichten diktiert, bevor ich selbst schreiben konnte. Seit ich schreiben kann, weiß ich jedenfalls, tue ich es auch. Meine ersten „Romane“ waren Ponygeschichten von einem fiktiven Reiterhof. Da war ich in der Grundschule.

„Burgfried“ war der erste Roman, der veröffentlicht wurde. Das war 2014.

Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Und welcher Roman hat Dich zuletzt so richtig begeistert?

Veronika Lackerbauer: Ich lese viele Genres gern. Tatsächlich mag ich als Leser Krimis am wenigsten, was man vielleicht gar nicht laut sagen darf, wenn man selbst welche schreibt. Momentan lese ich viel Historisches, weil ich auch gerade wieder an einem historischen Stoff arbeite. Mein aktuelles Buch ist der dritte Band einer Trilogie über das 20. Jahrhundert und heißt „Töchter einer neuen Zeit“.

Literatopia: Du hast in Passau „European Studies“ studiert – was können wir uns darunter vorstellen?

Veronika Lackerbauer: European Studies ist tatsächlich irgendwie alles und nichts. ? Ich hab für mich den Schwerpunkt auf Literatur und Anglistik gelegt, das war aber sehr frei wählbar. Mir war die geisteswissenschaftliche Ausrichtung wichtig, weil ich zuvor aus dem kaufmännischen Bereich kam und mich dort nie so endgültig heimisch gefühlt habe. Philosophie, neuere europäische Geschichte, Literatur, Filmkritik, englische, spanische und französische Dichter, das waren meine Schwerpunkte und daraus hab ich für mich persönlich sehr viel mitgenommen.

Literatopia: Im Header Deiner Facebookseite sieht man ein Buchcover zu „Glanz & Gloria – Unter Dampf“, das von Sternchen teils verdeckt wird – kannst Du uns schon mehr darüber verraten?

Veronika Lackerbauer: „Glanz & Gloria“ wird eine historische Trilogie über das 19. Jahrhundert. Der erste Band ist fast fertig und wird Ende Februar erscheinen. An Band 2 arbeite ich gerade. Mir ist es wichtig, die historischen Fakten mit fiktiven Elementen zu mixen und so die Geschichte erlebbar zu machen. Meine Figuren sind erfunden, bewegen sich aber in der realen Welt und treffen auch auf historische Persönlichkeiten wie z.B. König Ludwig I. von Bayern, der gleich im ersten Teil eine nicht unwichtige Rolle spielt. Meine Protagonistin Afra wuchs auf einem Bauernhof im Alpenvorland auf und kommt nach dem Tod ihres Vaters nach München, wo sie beim Brauereibesitzer Pschorr in Dienst genommen wird. Die napoleonischen Kriege und was sie für die einfache Bevölkerung bedeutet haben, nimmt auch einen größeren Raum des ersten Teils ein. Außerdem erfährt man viel über die Tiroler Bauernaufstände, die Gründung des Königreichs Bayern und das gesellschaftliche Leben am Hof des Kaisers von Österreich.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

Veronika Lackerbauer: Ich habe zu danken! Jederzeit gern.

 

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Autorenfoto: Copyright by Veronika Lackerbauer

Autorenhomepage: www.veronika-lackerbauer.de 


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.