Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland (Christina Henry)

Penhaligon (März 2020)
Aus dem Amerikanischen von Sigrun Zühlke
Hardcover, Pappband

352 Seiten, 18,00 EUR
ISBN: 978-3-7645-3234-5

Genre: Horror


Klappentext

Seit zehn Jahren ist Alice in einem düsteren Hospital gefangen. Alle halten sie für verrückt, während sie selbst sich an nichts erinnert. Weder, warum sie sich an diesem grausamen Ort befindet, noch, warum sie jede Nacht Albträume von einem Mann mit Kaninchenohren quälen. Als ein Feuer im Hospital ausbricht, gelingt Alice endlich die Flucht. An ihrer Seite ist ihr einziger Freund: Hatcher, der geisteskranke Axtmörder aus der Nachbarzelle. Doch nicht nur Alice und Hatcher sind frei. Ein dunkles Wesen, das in den Tiefen des Irrenhauses eingesperrt war, ist ebenfalls entkommen und jagt die beiden. Erst wenn Alice dieses Ungeheuer besiegt, wird sie die Wahrheit über sich herausfinden – und was das weiße Kaninchen ihr angetan hat ….


Rezension

Seit Alice dem weißen Kaninchen gefolgt ist, ist ihre Welt zerbrochen. Das wohlhabende Mädchen aus der Neuen Stadt sitzt seit zehn Jahren in der Alten Stadt in einem düsteren Irrenhaus. Täglich bekommt sie Medikamente, sie sie ruhig stellen. Ihre Familie hat sie längst aufgeben. Ihr einziger Freund ist der Axtmörder Hatcher in der Nachbarzelle. Als ein Feuer im Hospital ausbricht, rettet er Alice das Leben und flieht mit ihr. Doch noch etwas ist entkommen: Der Jabberwock, ein bösartiges Wesen, das nach seiner verlorenen Magie sucht und auf seinem Weg Blut und Tod hinterlässt. Ausgerechnet Alice und Hatcher sollen die Fähigkeit haben, den Jabberwock zu vernichten. Aber zuerst müssen sie herausfinden, was das dunkle Wesen sucht und wie man es aufhalten kann …

“Die Chroniken von Alice – Finsternis im Wunderland“ ist eine blutige Horrorversion des Märchenklassikers und greift auf viele bekannte Figuren zurück, die hier fast ausnahmslos skrupellose Mafiabosse, Mörder und Vergewaltiger sind. Was das Kaninchen Alice angetan hat, errät man recht schnell, auch wenn sie sich zunächst nicht erinnert. Doch das Kaninchen ist bei Weitem nicht der Schlimmste in der Alten Stadt. Das Walross zum Beispiel frisst seine Opfer bei lebendigem Leib, während es sie schändet. Und die Raupe verstümmelt junge Mädchen und erfüllt seiner Kundschaft die perversesten Wünsche. Neben all diesen finsteren Gestalten erscheint der geisteskranke Hatcher beinahe als Held. Auch wenn er regelmäßig ausrastet und Blutbäder anrichtet.

Hatcher ist lange Zeit die treibende Kraft der Handlung. Er zieht Alice bei der Flucht mit sich, er beschützt sie vor den Schergen der zwielichtigen Bosse, metzelt alle nieder, die ihr zu nahekommen. Die Beziehung der beiden ist sehr eng, schließlich hatten sie jahrelang niemanden außer die Person in der Nachbarzelle. Ab und an ist es auch Alice, die Hatcher vor dem Sturz in den bodenlosen Wahnsinn bewahrt, doch insgesamt erscheint sie zu abhängig von dem Axtmörder. Überhaupt ist das Frauenbild des Romans fragwürdig, fast alle weiblichen Figuren sind entweder von männlichen Beschützern abhängig oder sind bereits Opfer widerlicher Männer, die sie schlagen und vergewaltigen. Erst in der zweiten Hälfte wird Alice langsam stärker und verteidigt sich aktiv selbst.

Was man in den „Chroniken von Alice“ vermisst, ist das Wunderland. Die düstere Fantasywelt besteht quasi nur aus einer riesigen Stadt, angelehnt an das 19. Jahrhundert, die sich in die Alte und Neue Stadt unterteilt. Früher gab es mächtige Zauberer, die angeblich nicht mehr existieren. Nach und nach stellt sich heraus, dass das so nicht stimmt. Ein interessanter Ansatz, der nicht gut genug ausgearbeitet wurde. Das Worldbuilding basiert darauf, dass die Leser Vorkenntnisse haben, und ist entsprechend skizzenhaft. Insbesondere am Anfang ist man enttäuscht, da „Finsternis im Wunderland“ wie ein normaler Splatterroman daherkommt. Im Mittelteil gibt es mit dem Grinser und seinem magischen Anwesen so wie dem verdrehten Horrorhaus der Raupe ein wenig morbides Wunderlandfeeling, was auf mehr verrückte Elemente im zweiten Band hoffen lässt.

“Die Chroniken von Alice“ ist nicht die erste dunkle Wunderlandversion und auch wenn es sich insgesamt um einen interessanten, sehr düsteren und blutigen Roman handelt, wurde das Thema auch schon besser umgesetzt. Die Computerspiele „American McGees Alice“ und „Alice: Madness Returns“ haben vorgemacht, wie phantastisch eine Horrorversion des Wunderlands aussehen kann. Da steckt mehr Wahnsinn drin als bei Christina Henry. Das Buch selbst ist jedoch wunderschön gestaltet und ein echtes Schmuckstück im phantastischen Bücherregal.


Fazit

“Die Chroniken von Alice – Finsternis im Wunderland“ ist eine ziemlich düstere Horror-/Splatterversion von „Alice im Wunderland“, bleibt jedoch im Worldbuilding zu vage und stellt Frauen überwiegend als schwache Wesen, die beschützt werden müssen bzw. hemmungslos missbraucht werden dar. Auch Alice selbst erscheint zunächst schwach, entwickelt sich jedoch spürbar weiter und lernt, sich zu wehren. Das Ende erzeugt Spannung für den zweiten Band, der hoffentlich mehr Wahnsinn bietet.


Pro und Contra

+ interessante Horrorversion von “Alice im Wunderland”
+ Grinser hebt sich von den anderen Bossen ab
+ morbide, finstere Atmosphäre bei der Raupe
+ Alice entwickelt sich weiter und wehrt sich bald
+ Hatcher geht seinen blutigen Weg
+ auffällig schöne Gestaltung des Hardcovers

- Frauen werden hier entweder beschützt oder missbraucht
- zu wenig Wahnsinn
- Alice ist zu lange von Hatcher abhängig

Wertung: sterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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