Bernhard Stäber / Robin Gates (24.04.2020)

Interview mit Bernhard Stäber / Robin Gates

Literatopia: Hallo Bernhard, du schreibst Krimis, Thriller und Fantasy – was hat der Schreibprozess von Büchern dieser Genres gemeinsam und wo unterscheiden sich die Möglichkeiten und Herausforderungen, die sie dir präsentieren?

Bernhard Stäber: Hallo Swantje, die Arbeit an diesen unterschiedlichen Genres überschneidet sich da, wo sie starke Konflikte beschreibt. Sowohl das Fantasy - als auch das Krimi-und Thrillergenre leben von Spannung, dem Aufdecken von Geheimnissen und dem Ausloten dessen, was die Human Condition, das Menschsein ausmacht. Die Unterschiede bestehen für mich in der Authentizität gegenüber dem jeweiligen Genre. Als Autor, dessen Herz an der Phantastik hängt, schreibe ich in meinen Thrillern auch über Mythen, wenn sie etwas Wesentliches zur Story beitragen. Ich wechsle aber nicht komplett ins Phantastische über. Das wäre nicht fair gegenüber den Lesern, die einen Norwegenthriller erwarten und keine Fantasy.

Literatopia: Das klingt spannend. Hast du ein Beispiel parat, wie mythische Motive in Thrillern aussehen können?

Bernhard Stäber: Ja, in meinem Thriller „Vaters unbekanntes Land“ zum Beispiel beschäftigt sich der Antagonist obsessiv mit dem Symbol des Labyrinths und dem mythischen Ungeheuer in seinem Inneren. Arne Eriksen, der forensische Psychologe und die Hauptfigur der Serie, versucht die Obsession des Täters nachzuvollziehen, um ihm auf die Spur zu kommen.

Literatopia: Nachdem du lange Fantasy als Robin Gates und Krimis/Thriller als Bernhard Stäber geschrieben hast, wirst du mit „Die Wächter der Weltenschlange“ einen Fantasyroman als Bernhard Stäber herausbringen. Was hat dich zu dieser Entscheidung bewogen?

Bernhard Stäber: Der erste Band dieses Zweiteilers ist sogar schon erschienen. Ich habe mich dazu entschlossen, ihn unter meinem Klarnamen zu veröffentlichen, weil ich festgestellt habe, dass viele meiner Leser mich lesen, weil sie meine Bücher unabhängig vom Genre mögen. Egal ob es ein Thriller oder ein Fantasyroman ist, sie erwarten eine packende, aufregende Geschichte, die sie gut unterhält. Ein Pseudonym extra für Phantastik ist mir nicht mehr wichtig.

Literatopia: Viele deiner Romane spielen in deiner Wahlheimat Norwegen – kannst du ein wenig über deine Beziehung zu diesem Land erzählen?

Bernhard Stäber: Obwohl ich den größten Teil meines Lebens in Deutschland verbracht habe und immer wieder gerne nach Deutschland reise, fühle ich mich in Norwegen zuhause. Ich mag den nüchternen, zupackenden Pragmatismus der Norweger und ihren Gemeinschaftssinn. Und ganz besonders gefällt mir die Unmittelbarkeit, mit der ich hier die Natur in all ihren Extremen erlebe. Ich lebe ziemlich abgeschieden auf einem Hügel zwischen Wald und See, was mir hilft, mich ganz aufs Schreiben zu konzentrieren, gleichzeitig liebe ich es aber auch, zu reisen, um neue Eindrücke zu sammeln. Wie bei vielen meiner AutorenkollegInnen ist meine Mentalität ein schubweiser Mix zwischen Zurückgezogenheit und Extrovertiertheit, und Norwegen mit seinen Extremen in vielen Lebensbereichen spiegelt diese Mentalität gut wieder.

Literatopia: Dein literarisches Debüt erschien vor mehr als fünfzehn Jahren. Wie hat sich dein Schreiben – das, was du schreibst, aber vielleicht auch deine generelle Herangehensweise – in dieser Zeit verändert?

Bernhard Stäber: An meinem Debütroman schrieb ich recht lange, unter anderem während meines Studiums. Und auch noch für meine nächsten Romane brauchte ich etwa zwei Jahre pro Buch, weil ich noch einen Hauptberuf als Sozialarbeiter ausübte. Inzwischen schreibe ich schneller und strukturierter als damals und beende einen Roman im Schnitt in weniger als einem Jahr. Gleichzeitig nehme ich die Arbeit noch stärker als früher als ein Handwerk wahr, in dem ich mich stetig verbessern möchte. Es ist mir bewusster als früher, dass ich als Autor eine Verantwortung habe, sowohl gegenüber meinen LeserInnen, die gut unterhalten sein wollen, als auch dem Handwerk an sich gegenüber, der jeweiligen Geschichte, an der ich arbeite, und der Sprache, die ich benutze.

Literatopia: Neben dem Schreiben übersetzt und lektorierst du auch. Was sind Projekte, an die du da besonders gern zurückdenkst?

Bernhard Stäber: Ich freue mich zum Beispiel sehr darüber, die Thrillerserie um die Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky seit dem dritten Band als Lektor zu begleiten. Mein Kollege Leo Born hat mit Mara der Krähe eine weibliche Hauptfigur geschaffen, die mir gerade wegen ihrer Ecken und Kanten ans Herz gewachsen ist und die sich im Verhältnis zu ihren Kollegen und Verwandten ständig weiterentwickelt. Leo Born alias Oliver Becker und ich arbeiten sehr gut und auf Augenhöhe zusammen, weil wir uns über unsere jeweiligen Rollen in dieser Arbeitsbeziehung im Klaren sind. Ein wirklich schönes Erlebnis war es auch, "Battle Mage" von Peter Flannery ins Deutsche zu übersetzen. Ich war vier Monate lang von morgens bis abends in das Werk eines anderen Autors eingetaucht und stand immer wieder vor der Aufgabe, Namen von Personen und Orten eines englischsprachigen Fantasyromans etwas zugänglicher für deutsche Ohren zu machen. Ein ganz bestimmtes Kapitel begeisterte mich so sehr, dass ich Peter kontaktierte und ihm schrieb, dass ich es für das Herz des Romans halten würde, und er erzählte mir ein wenig davon, wie herausfordernd es für ihn war, dieses Kapitel zu schreiben. Ich denke gern daran zurück, dass ich ein deutsches Publikum mit einem Roman bekannt machen durfte, den ich selbst auch mit großem Vergnügen gelesen habe.

Literatopia: Möchtest du ein wenig über deine neusten Veröffentlichungen erzählen?

Bernhard Stäber: Gerne! Meine beiden letzten Veröffentlichungen erschienen in nur wenigen Monaten Abstand voneinander, zuerst mein Norwegenthriller "Raubtierstadt" bei Acabus im letzten Herbst, und in diesem März der erste Band meines Urban Fantasy Zweiteilers "Wächter der Weltenschlange" in der Edition Roter Drache. "Raubtierstadt" steht im Gegensatz zu meiner Thrillerserie um den Psychologen Arne Eriksen für sich alleine. Eine junge Frau aus dem indigenen Volk der Samen kommt vom Polarkreis nach Oslo, um mehr über den Tod ihres Bruders in Erfahrung zu bringen. Dabei gerät sie ins Visier eines fanatischen Sammlers von antiken Fundstücken aus der Wikingerzeit. Der Roman ist komplett in Ichperspektive und Präsens geschrieben - die Leser erleben die Ereignisse direkt durch die Augen von Sara Elin Persen.

Die Handlung von "Wächter der Weltenschlange" spielt im Norwegen der Gegenwart. Zwei Geschwister aus Oslo, Malin und Rune Solvang, müssen das letzte Ei des Ungeheuers vom Seljordsee in Südnorwegen über eine Strecke von 2000 km bis ins Eismeer bringen. Dabei werden sie von den Disen, weiblichen Ahnengeistern der nordischen Mythologie, verfolgt. Die Neun Welten sind in Aufruhr, und es heißt, dass die Schlange im Ei Ragnarök herbeiführen wird, den Weltenbrand.

Literatopia: Wie sah deine Recherche für diese beiden sehr verschiedenen Bücher aus? Bist du auf besonders interessante oder überraschende Informationen gestoßen?

Bernhard Stäber: Ich musste für beide Romane Recherche zu tatsächlich existierenden Orten und Gegenden in Norwegen betreiben, zu norwegischer Geschichte und nordischer Mythologie, sowie den Mythen und der Kultur der Samen. Bei der Recherche zu „Raubtierstadt“ überraschte es mich, wie tief die Diskriminierung der Samen wegen ihrer jahrhundertelangen Nichtsesshaftigkeit als Rentierzüchter deren Alltag noch bis zum Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts prägte. Samen mittleren Alters sprechen selbst heute aus Scham oft nur ungern darüber, zu dieser Volksgruppe zu gehören, während gerade viele junge Samen stark politisch aktiv sind. Der Klimawandel in der Arktis bedroht ihre traditionelle Lebensweise ganz direkt.

Bei meiner Recherche zu „Wächter der Weltenschlange“ fand ich die Reichhaltigkeit der nordischen Mythologie äußerst spannend. Ich wollte nicht die nächste Geschichte über Odin, Thor und Loki schreiben, darum konzentrierte ich mich mehr auf norwegische Volksüberlieferungen und Lokalsagen, aber selbst ohne die altbekannten Asen hat Skandinavien noch immer eine Schatztruhe an Mythen und Märchen, die denen der Gebrüder Grimm nicht nachstehen.

Literatopia: Kannst du schon etwas darüber verraten, woran du gerade arbeitest?

Bernhard Stäber: Ja, ich schreibe am zweiten Teil von "Wächter der Weltenschlange", der mit einem Flashback in die frühe skandinavische Bronzezeit beginnt - denn einige der Figuren in meinem Roman sind, wenn er auch in der Gegenwart spielt, ziemlich alt. 

Literatopia: Welche Bücher haben deine Begeisterung für das Lesen und Schreiben geweckt? Was sind deine neuesten literarischen Entdeckungen?

Bernhard Stäber: Wenn mich mit sieben oder acht Jahren jemand fragte, was ich einmal werden will, meinte ich: ich will Bücher schreiben, so wie der Otfried Preußler. Seine Kinderbücher, besonders „Krabat“, „Das kleine Gespenst“ und „Die Abenteuer des starken Wanja“ weckten in mir die Lust zum Schreiben. Ein paar Jahre später öffnete mir „Watership Down“ von Richard Adams die Tür zur Weltliteratur, weil jedes Kapitel seines Romans mit einer Zeile aus einem Klassiker begann. Ich las wunderbar zum Thema des Kapitels passende Worte und wollte unbedingt wissen, was Shakespeare oder Dostojewski sonst noch geschrieben hatten.

Zuletzt hat mich die polnische Autorin und Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk beeindruckt. Ich mag AutorInnen, die in ihren Büchern mit Mythen der unterschiedlichsten Kulturen umgehen, und ihr Roman „Der Gesang der Fledermäuse“ ist eine herrlich schräge Grotekse, verkleidet als Krimi.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview!


Autorenfoto: Copyright by Arild Eikrem

Website: Bernhard Stäber
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Rezension zu "Die Wächter der Weltenschlange - Jormungands Erbe"


Dieses Interview wurde von Swantje Niemann für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.