Carina Schnell (21.04.2020)

Interview mit Carina Schnell 

carina schnell2020Literatopia: Hallo, Carina! 2019 sind beide Bände Deiner „Alba“-Dilogie erschienen. Was erwartet die Leser in Schottland?

Carina Schnell: Schottland ist so ein altes, mystisches Land, dass man sofort in seinen Bann gezogen wird. Egal, ob man vor Ort ist oder ein Buch darüber liest. Atemberaubende Landschaften, Seen mit spiegelglatten Oberflächen, mysteriöse Schlossruinen, Hunderte Mythen und Legenden. Dort herrscht einfach eine ganz besondere Atmosphäre, die ich natürlich versucht habe, in meinen Büchern einzufangen, gemischt mit einer Prise Action und einem Schuss Romantik. Mich zieht es immer wieder dorthin und ich hoffe, ich konnte es auch meinen LeserInnen als Reiseziel schmackhaft machen.

Literatopia: Wie geht Catriona damit um, eine Seherin zu sein? Und was sind ihre Stärken und Schwächen?

Carina Schnell: Catriona ist eine sehr neugierige Person, die den Sachen gern auf den Grund geht. Als Journalistin hat sie das zu ihrem Beruf gemacht. Sie ist nicht auf den Mund gefallen und kann auch mal starrköpfig sein. Was sie allerdings zu Anfang der Geschichte noch nicht weiß, ist, dass sie eine ganz besondere Gabe hat: Sie kann Feen sehen. Und als sie plötzlich in deren Welt kommt und in ihre Machenschaften hineingezogen wird, werden ihr ihr Temperament und ihr Wissensdurst schnell zum Verhängnis, denn es sind keine glitzernden, geflügelten, filigranen Wesen, sondern kaltblütige Killer, die man lieber nicht verärgern sollte.

Literatopia: Feenkrieger Carrick hat eigentlich die Aufgabe, Seher*innen zu töten. Hört sich erst einmal krass an, dass Feen Menschen nur deshalb umbringen, weil sie ihre Welt sehen können. Was für ein Bild hat Carrick von den Menschen?

alba zwischen den weltenCarina Schnell: Carricks Bild von den Menschen ist ziemlich verzerrt, da er schon in recht jungen Jahren zum Fianna ausgebildet wurde, deren Aufgabe es ist, SeherInnen wie Catriona überall auf der Welt aufzuspüren und zu töten. Ihm wurde beigebracht, die Menschen zu hassen und die SeherInnnen zu fürchten. Allerdings kommt ihm dabei seine eigene Vergangenheit in die Quere, über die ich jetzt nicht zu viel verraten will, da man erst im zweiten Teil mehr darüber erfährt. Es sei nur so viel gesagt: Carrick wäre nicht Carrick, wenn er nicht früher oder später mal die Moral, die hinter seiner Aufgabe steht, hinterfragen würde.

Literatopia: Wie können wir uns das Reich der Feen vorstellen? Und inwiefern unterscheidet sich die schottische Mythologie beispielsweise von der irischen oder isländischen?

Carina Schnell: Alba (das übrigens das gälische Wort für Schottland ist), das Reich der Feen, ist eine Parallelwelt zu unserer, in die man durch Spiegelreisen gelangen kann, wobei unbewegte Gewässer als Portale dienen. Auf den ersten Blick sieht es in Alba also erst einmal aus, wie in der Menschenwelt, doch einem wird schnell auffallen, dass das ein Trugschluss ist.

Die Flora und Fauna in Alba ist viel ausgeprägter und exotischer, die Zeit vergeht anders als in der Menschenwelt und da es in Alba im Gegensatz zu unserer Welt Magie gibt, lauern dort auch so einige magische Wesen, die mitunter sehr gefährlich sein können.

Vor dem Schreiben habe ich sehr viel über schottische Mythen und Legenden recherchiert. Dabei fiel mir schnell auf, wie ähnlich sie den irischen sind (das kann man dann unter dem Oberbegriff keltische Mythologie zusammenfassen). Die meisten Legenden über die Fianna und ihren Anführer Fionn haben ihren Ursprung in Irland, wo er sogar heute noch als Volksheld verehrt wird. Doch in den Legenden reist Fionn auch das ein oder andere Mal nach Schottland und da überschneidet die Mythologie sich dann. Beide haben definitiv einen gemeinsamen Ursprung und viele glauben, dass Fionn eine historische Figur war, was beweisen würde, warum es in beiden Ländern Geschichten über ihn gibt. Und dann gibt es da natürlich noch den ausgeprägten Glauben an das Übernatürliche, an Feen und die Anderswelt, an Geister und Kobolde, die beide Kulturen sogar teilweise heute noch gemeinsam haben.

Die isländische Mythologie ist wieder ganz anders und ähnelt eher der nordischen Mythologie der Wikinger um Thor, Loki etc. Ich interessiere mich grundsätzlich für alles Mystische, finde aber, dass vor allem die griechische und nordische Mythologie in letzter Zeit schon so oft benutzt wurden, dass wir in der Literatur mal etwas „Neues“ brauchen. Da kommt die keltische gerade recht, von der ich schon seit Marion Zimmer Bradleys „Avalon“-Romanen fasziniert bin.

alba im schatten der weltenLiteratopia: Wenn Alba auf den ersten Blick wie die Menschenwelt erscheint – gibt es dort ebenfalls große Städte mit Hochhäusern? Sind die Feen auf unserem technologischen Stand? Und hast Du Beispiele für uns, welche exotischen Wesen es dort gibt?

Carina Schnell: Nein, wenn ich sage, dass Alba wie die Menschenwelt erscheint, beziehe ich mich eher auf die schottischen Highlands, wo die Geschichte spielt. Eine Metropole wie New York gäbe es auf der spiegelverkehrten Seite in Alba nicht. Da wäre die Natur dann eventuell so unberührt, wie sie auch in den USA war, bevor die ersten Siedler sich niederließen. Die Welten haben sich auch historisch unterschiedlich entwickelt. Allerdings haben die Feen auch Häuser, Dörfer und sogar einen Königshof, wofür es dann wiederum in der Menschenwelt kein Äquivalent gäbe. Ich will nicht zu viel verraten, aber neben den Feen sind die meisten Wesen, denen Catriona in Alba begegnet, eher furchterregend und blutrünstig. In meiner Fantasie basieren sie auf durch Magie veränderten Tieren wie Wölfen oder Affen, die in Alba dann allerdings z. B. ätzenden Speichel oder Fledermausflügel haben. Technologie gibt es in Alba keine und wenn eine Seherin wie Cate ihre Uhr mit nach Alba nehmen würde, funktioniert diese dort nicht.

Literatopia: Wie der Titel bereits andeutet, ist auch „Magische Leidenschaft“ eine romantische Fantasy-Dilogie. Was zeichnet eine gelungene Liebesgeschichte für Dich aus? Gehört die Liebe für Dich zwangsläufig in den Mittelpunkt oder könntest Du Dir vorstellen, auch einen Roman ohne Lovestory zu schreiben?

Carina Schnell: Hach, die Liebe. Ich komme irgendwie immer zu ihr zurück. Bei „Alba“ hatte ich mir eigentlich vorgenommen, eher in Richtung High Fantasy zu gehen und der Liebe mal weniger Raum zu geben, aber wie man sieht, ist es mir nicht gelungen. Man hört ja oft von AutorInnen, dass sie sagen, ihre Figuren tun, was sie wollen, und so war es auch bei Carrick und Cate. Die beiden hatten einfach eine ordentliche Liebesgeschichte verdient.

Gelungen finde ich sie, wenn es nicht zu kitschig wird, wenn die Liebe glaubhaft bleibt und nicht erzwungen wirkt und wenn dem Paar nicht zu viele unrealistische Stolpersteine in den Weg gelegt werden, sodass das altbekannte Spiel „Kriegen sie sich oder nicht?“ zu lange hingezogen wird. Einen Roman ganz ohne Lovestory kann ich mir tatsächlich nicht vorstellen. Gibt es so etwas überhaupt? Irgendwie spielt die Liebe doch immer mit rein und wenn es nur in einer Nebenhandlung ist.

Literatopia: Das Coronavirus hat die Buchbranche hart getroffen. Auch Du kannst Deine neuen Projekte momentan nicht bei Verlagen unterbringen, weil kaum etwas eingekauft wird. Was tust Du, um Dir selbst Mut zu machen und die Zeit der Krise trotz allem sinnvoll zu nutzen?

die kurtisaneCarina Schnell: Am Anfang hat es mich etwas runtergezogen, da ich zwei neue Projekte habe, die ich gern bei Verlagen untergebracht hätte, was jetzt eben nicht geht. Nach einem daraus resultierenden kleinen Kreativitätstief nutze ich jetzt aber die Zeit und schreibe unheimlich viel, um Neues zu produzieren, was dann hoffentlich nach der Krise einen Verlag findet. Ich glaube, es hilft sehr, wen man sich in die Arbeit stürzt und nicht zu viel über die Situation nachdenkt. Wir müssen alle das Beste daraus machen. Ich kann mich ja glücklich schätzen, dass ich sozusagen immer Arbeit habe und nicht wie andere nun ohne Job dastehe.

Literatopia: Was glaubst Du - wird die Corona-Krise die Verlagswelt nachhaltig verändern? Liegt vielleicht auch eine Chance darin, weil die Leute nun wieder mehr lesen und das vielleicht auch in Zukunft tun?

Carina Schnell: Ich glaube tatsächlich, dass die Verlagswelt nach der Krise nicht mehr dieselbe sein wird. Aber leider nicht im positiven Sinne. Ich lese in letzter Zeit ständig von anderen AutorInnen, KollegInnen und FreundInnen, dass ihre Bücher verschoben oder ihre neuen Projekte auf Eis gelegt wurden. Das macht mich sehr traurig, obwohl es natürlich aus Sicht der Verlage verständlich ist.

Ich glaube, dass die Buchbranche sehr lange brauchen wird, um sich von den Verlusten zu erholen. Vor allem kleine Verlage und Selfpublisher machen aktuell finanziell große Einbußen. Vielleicht lesen die Menschen, die gerade zu Hause sind und nicht so viel zu tun haben, im Moment tatsächlich mehr, aber ich glaube nicht, dass das die Verluste aufwiegen kann. Hoffen wir, dass viele von ihnen auch nach der Krise dranbleiben.

Literatopia: Du bist auch als Übersetzerin tätig. Lernst Du dabei etwas für Deine eigenen Werke? Oder trennst Du Schreiben und Übersetzen strikt?

Carina Schnell: Das ist eine sehr interessante Frage, die mir noch niemand gestellt hat. Da ich auch in anderen Genres übersetze, in denen ich (noch) nicht selbst schreibe, würde man meinen, dass ich aus diesen Projekten nicht so viel mitnehmen kann, aber das Gegenteil ist der Fall. Jedes Übersetzungsprojekt inspiriert mich auf seine eigene Weise und ich lerne unheimlich viel dazu. Zum Beispiel erweitere ich mein Vokabular, lerne viel Praktisches (zuletzt, wie man auf altmodische Weise mit einem Stöckchen Feuer macht) oder vergleiche, wie andere AutorInnen beim Spannungsaufbau oder der Charakterentwicklung vorgehen. Das meiste lerne ich aber immer am Ende in der Übersetzungsredaktion wie auch im Lektorat meiner eigenen Manuskripte, wenn meine Arbeit unter die Lupe genommen wird.

Literatopia: Inwieweit kannst Du bei einer Übersetzung den individuellen Schreibstil der Autor*innen mit ins Deutsche nehmen? Und wie übersetzt Du beispielsweise Sprichwörter, die es im Deutschen so schlicht nicht gibt?

Carina Schnell: Sprichwörter sind mit die größten Herausforderungen für ÜbersetzerInnen. Zum Glück findet sich oft etwas Ähnliches im Deutschen, wenn man vom Englischen übersetzt, da sich die Sprachen so ähneln und eine gemeinsame Wurzel haben. Dann ist vielleicht eine Metapher nicht wortwörtlich dieselbe, vermittelt aber denselben Sinn. Wenn das nicht geht, muss man sich etwas einfallen lassen. Gerade bei Neuschöpfungen in der Fantasy, die sich der Autor/die Autorin selbst ausgedacht hat, kann man da als ÜbersetzerIn dann auch kreativ werden.

Im Vergleich fällt es mir leichter, den Stil des Autors / der Autorin beizubehalten. Ich kann es schwer erklären, aber für mich ergibt sich das beim Übersetzen meist von selbst. Natürlich achte ich darauf, weil es etwas ist, das mir besonders am Herzen liegt, da ich ja auch selbst schreibe, aber es ergibt sich meistens im Arbeitsprozess.

die magierinLiteratopia: Bei welchem Roman hat Dir das Übersetzen am meisten Spaß gemacht – und warum?

Carina Schnell: Ich muss sagen, dass der Preis der interessantesten Übersetzung bisher an „Die Rebellion von Laterre“ geht, eine Sci-Fi-Reihe von Jessica Brody und Joanne Rendell, deren erster Teil bisher bei Droemer Knaur erschienen ist (der zweite kommt diesen Herbst). Normalerweise übersetze ich aus dem Englischen, da das meine erste Fremdsprache ist. Ich habe mein Übersetzerstudium aber auch für Französisch absolviert, was in diesem Fall perfekt passt. Es ist nämlich eine Geschichte, die auf dem französischen Klassiker Les Misérables basiert, und so enthält bereits das englische Original viele französische Begriffe (die leider um ehrlich zu sein meistens falsch oder schlecht recherchier sind). Deshalb war die deutsche Übersetzung eine besonders große Herausforderung. Es hat aber viel Spaß gemacht, mir für all die französischen Begriffe oder halbfranzösischen neuen Wortschöpfungen etwas Passendes auszudenken und ich habe viele Stunden mit meinem Verlobten, der Franzose ist, am Abendbrottisch verbracht, um es im Deutschen so gut und so korrekt wie möglich rüberzubringen.

Literatopia: Auf Deiner Homepage schreibst Du, dass Du Fantasyromane wie „Der Herr der Ringe“ und „Harry Potter“ verschlungen hast. Welcher aktuelle Roman, der vielleicht nicht so bekannt ist, hat Dich zuletzt richtig begeistert?

Carina Schnell: Zuletzt hat mich die „Nevernight“-Reihe von Jay Kristoff so richtig mitgerissen. Was für eine packende Geschichte! Allerdings ist die natürlich sehr bekannt. Ich empfehle ansonsten immer gern die „Unter dem Weltenbaum“-Reihe von Sara Douglass, einer australischen Fantasy-Autorin, die ich abgöttisch liebe und immer wieder lese. Sie ist schon etwas älter und daher oft vergriffen, aber wenn ihr sie euch irgendwie besorgen könnt: es lohnt sich! Ansonsten etwas Aktuelles, das ich übersetze: Die“ The First Empire“-Reihe von Michael J. Sullivan, die in Deutschland leider recht unbekannt ist. High Fantasy vom Feinsten.

Literatopia: Du bist auf verschiedenen Social Media Kanälen aktiv. Wo gelingt es Dir am besten, Deine Bücher den Lesern schmackhaft zu machen?

Carina Schnell: Ich glaube, dass Instagram tatsächlich die beste Plattform für AutorInnen ist, um die meisten Leserinnen zu erreichen und Werbung für ihre Bücher zu machen. Ich habe immer das Gefühl, dass Instagram mir gar nicht liegt, aber ich muss sagen, wenn man Followerzahlen und den Austausch mit anderen AutorInnen und LeserInnen anschaut, ist Instagram unschlagbar. Mit Fotos und Stories kann man so viel machen und meine Zielgruppe ist auch hauptsächlich auf Instagram vertreten. Twitter ist hingegen super, um von anderen AutorInnen zu lernen und sich über den Schreiballtag auszutauschen.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!


Autorenfoto: Copyright by Carina Schnell

Autorenhomepage: www.carinaschnellautorin.com 


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.