David Grade (30.04.2020)

Interview mit David Grade

2020Marlene Grade1Literatopia: Hallo, David! Mit „Marlene lebt“ kehrst Du ins „Shadowrun“-Universum zurück und erweckst Hollywood-Ikone Marlene Dietrich zu neuem Leben. Warum ausgerechnet sie?

David Grade: Weil sie der größte, bekannteste und coolste deutsch-sprachige Star auf globaler Ebene ist. Mein erster Shadowrunroman“ Iwans Weg“ geriet sehr grim & gritty, deswegen wollte ich diesmal glamour & gloria mitschwingen lassen. Ganz zu Beginn der Planung beinhaltete der Plot schon den Punkt einen Star wiederaufleben zu lassen. Ich machte mich auf die Suche und spätestens nachdem ich mit Freunden das Filmmuseum in Berlin besucht habe war klar; Marlene Dietrich muss es sein. Sie war nicht nur Schauspielerin und Sängerin, sondern zog auch mit den Soldaten der US-Army über die Alpen, um Nazideutschland zu befreien, bot Goebbels die Stirn, brachte Filmmaterial aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen nach Paris, war praktisch alleinerziehende Mutter, trat für LGBTIQ* ein - ich gerate ins Schwärmen.

Es lohnt sich wirklich eine ihrer Biographien zu lesen. Besonders gut gefallen hat mir „Einsame Klasse: Das Leben der Marlene Dietrich“ von Eva Gesine Baur, obwohl eine der wildesten Geschichten um Marlene dort gar nicht erzählt wird.

Literatopia: Welche denn?

David Grade: Marlene und die Geheimdienste der Alliierten sollen folgenden Plan geschmiedet haben Hitler zu töten: Goebbels hatte um Marlene als Filmschauspielerin geworben, um sie für die Propaganda der Nazis nutzen zu können. Marlene wollte zusagen, unter der Bedingung Adolf Hitler treffen zu dürfen. Sie hätte ihm ihre Liebe gestanden, ihn ins Schlafzimmer geführt und soll sogar bereit gewesen sein sich nackt auszuziehen, um Hitler im passenden Moment mit einer vergifteten Haarnadel zu stechen - Exitus. Dünne Quellenlage, großartige Geschichte.

Literatopia: Wie findet sich Marlene im Jahr 2078 zurecht? Und wie viel von ihrem historischen Vorbild steckt in ihr?

David Grade: Sie hat Anpassungsschwierigkeiten, aber weit weniger als viele erwartet hätten. Das hat Gründe, die auch in ihrer Persönlichkeit und Lebenserfahrung liegen. Marlene wurde im deutschen Kaiserreich geboren, Pferdekutschen waren das normale Fortbewegungsmittel, das Radio als Massenmedium gab es nicht. Sie erlebte mehr als eine Handvoll politischer Systeme, Monarchien, Diktaturen, Demokratien. Als sie die ersten Male die Kontinente wechselte geschah das per Dampfschiff, später per Düsenflugzeug. Als sie 1992 in Paris starb, waren die Straßen voller Autos, das Internetzeitalter hatte begonnen und Nokia brachte in diesem Jahr sein erstes Massenhandy auf den Markt. Ich kenne Marlene nur aus der Rezeption gefühlter drei Meter Literatur, Filmen und Youtubeschnipsel und habe mich sehr eng an das Bild gehalten, das dabei in mir entstanden ist. Alles, was Marlene im Buch aus der Vergangenheit erzählt und erinnert, hat seine Grundlage darin und ich bilde mir ein, auch ihre Gefühlslage und ihren Umgang mit Menschen gut getroffen zu haben.

Literatopia: Tokugawa fühlt sich zwischen den Kulturen zerrissen und kompensiert seinen empfundenen Mangel mit rassistischer Ideologie. Beispielsweise hat er seine Kinder genetisch verändern lassen, sodass sie möglichst „reines“ Erbgut haben. Ist es Dir schwer gefallen, Dich in so einen Charakter hineinzudenken? Wie siehst Du selbst Tokugawa?

David Grade: Es war leicht mich in Tokugawa hinein zu versetzen. Sein Grundkonflikt zwischen zwei Kulturen zu stehen, kenne ich von mir. Bei ihm ist es die japanische und die deutsche, bei mir die deutsche und die indische, genauer die punjabische Kultur. Sowohl durch die unterschiedlichen Ansprüche, die Kulturen an Menschen stellen, als auch durch die Behandlung von Dritten (wenn ich in eine von weißen Deutschen besetzte Bar gehe, schlägt mir nach wie vor ein "Der ist Fremd"-Gefühl entgegen, in den USA nennt man diesen ganzen Komplex Othern) sind mir diese zwei Kulturen sehr bewusst, auch wenn ich deutsch sozialisiert bin, mein Aussehen reicht. Diese Diversität kann sowohl eine Last, als auch ein großer Schatz sein. Für Tokugawa ist sie eine Last. Statt die Vielfältigkeit zu nutzen, sucht er andere Wege.

Diese anderen Wege findet Tokugawa in rechter Ideologie, da habe ich mich einerseits an den Blut und Boden Fanatikern bedient, die in den 20er Jahren begannen eigene Dörfer zu gründen und auch heute erschreckend weit verbreitet sind, und am Manifest von Anders Breivik, der am 22.07.2011 auf Utøya 69 Menschen ermordete, weil er kulturreine Gesellschaften schaffen wollte.

Tokugawa sehe ich als tragischen Antagonisten, für den ich vermutlich mehr Mitgefühl aufgebracht habe als die meisten meiner Leser, weil ich weiß wie es sich anfühlt auf sehr fundamentale Weise nirgends dazu zu gehören und wie groß die Sehnsucht danach werden kann. Sein Lösungsweg ist in meiner Weltsicht der absolut falsche, ich verstehe trotzdem warum er ihn gewählt hat.

Literatopia: In „Marlene lebt“ thematisierst Du auch die Geschichte der Metamenschheit und den Konflikt zwischen Menschen und Metamenschen. Welchen Platz nehmen Elfen, Orks und Drachen in der Gesellschaft ein?

David Grade: In der Geschichte der sechsten Welt, wie in „Shadowrun“ das neue magische Zeitalter genannt wird, wurden die neuen Rassen zunächst als Erkrankte wahrgenommen und teilweise in Lagern eingepfercht, klerikal verdammt oder getötet. Es dauerte eine Weile bis die Mehrheitsgesellschaft sie zumindest formal als Teil der Menschheit ansahen. Mittlerweile können sie praktisch jede gesellschaftliche Rolle einnehmen.

Was nicht heißt, dass es keinen Rassismus gibt. Dieses Thema zieht sich durch alle sechs Auflagen des Rollenspiels. Damit ist „Shadowrun“, vor allem Fantasyspielen, weit voraus, in denen völlig unkritisch rassistische Narrative gegen "niedrige Völker" wie Orks oder Goblins ausgelebt werden können. Glücklicherweise hat sich das in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt. Bei „Das Schwarze Auge“ zum Beispiel wurde es möglich Orks, Echsen und Goblins zu spielen, damit war ein weiterer Schritt zu einer Perspektivübernahme getan.

Bei „Shadowrun“ ist zusätzlich spannend, wie eine moderne Welt auf die Unterschiedlichkeiten der Rassen (gemeint sind Elfen, Zwerge, Orks, Trolle, Menschen) reagiert. Wer investiert nicht lieber in die Ausbildung eines Elfen mit mehreren hundert Jahren Lebenserwartung als in die eines Menschen? Und müssen Orks, die eine noch kürzere Lebenserwartung haben, dass gleiche in die Rentenkasse einzahlen, wenn sie bei Erreichen des Rentenalters im Schnitt schon tot sind? Das ist eine Nachdenk-Ebene die mir wirklich gut gefällt, was zeigt, was für ein Nerd ich bin.

Die Rolle von Drachen klammere ich aus. Sie sind einfach zu andersartig, um Teil der Menschheit zu sein und wollen es vermutlich gar nicht. In „Marlene lebt“ spielen die großen und bekannten Drachen Lofwyr und Ryumyo eine wichtige Rolle und die Leser können in ihre Gedankenwelt eintauchen.

Literatopia: Wie politisch dürfen / sollten phantastische Romane sein? Und könntest Du unseren Lesern phantastische Bücher empfehlen, die neben Unterhaltung auch zum Nachdenken über Politik und Gesellschaft anregen?

David Grade: Ich will nicht vorschreiben wie politisch oder unpolitisch ein (phantastischer) Roman zu sein hat. Alles darf, nix muss. Mit einem politischen Mindset gelesen, finden sich in so gut wie jedem phantastischen Roman politische Ebenen und Botschaften. Und wer nur aus eskapistischen Motiven liest, wird viele politische Anspielungen nicht wahrnehmen. Wer mag kann in Dumbledores Army (Harry Potter) die Blaupause für den Aufbau einer Untergrund-/Terrororganisation sehen. Im Freiheitskampf in Hong Kong sahen wir Hundertausende die Geste aus den „Tributen von Panem „vollführen und die Gezi-Protestler drohten Recep Tayyip Erdoğan indem sie "winter is coming" (Game of Thrones) an die Hauswände Istanbuls sprühten. Ideen über Gesellschaft, politischer Aktivismus und phantastische Erzählungen beeinflussen sich wechselseitig. Judith und Christian Vogt sind zwei Autoren, die das auch über Sprache versuchen, wie jeder zum Beispiel in „Wasteland“ nachlesen kann.

Ich bin mir der politischen und gesellschaftlichen Ebene in meinen phantastischen Schriften bewusst, nehme sie aber selten als plotleitend. Klar ist „Marlene lebt“ so antifaschistisch geraten, wie seine Protagonistin und das entspricht auch meiner Einstellung. Es war aber nie meine Idee ein antifaschistische Buch zu schreiben - im Gegenteil fürchte ich, dass es Leser gibt, für die die Ideologie von Tokugawa & Co ansprechender ist. Hoffentlich wird dadurch niemand angefixt. Aber wenn ich mit solchen Scheren im Kopf schreiben würde, würde ich keine Zeile zustande bringen.

Wer mich sehr zum Nachdenken über Gesellschaft bringt, ist Karl-Heinz Witzko, seine Beschreibungen und die Weltsicht seiner Protagonisten sind so originell, dass ich immer Elemente darin finde, die mich vieles in einem anderen Licht sehen lassen, sein letztes Buch „Blut der Götter“ ist 2016 erschienen, was viel zu lang her ist. Ich will mehr von ihm lesen. Jemand gebe ihm ausreichend Geld, dass er mehr schreiben kann, ausreichend Freiheit, dass er schreiben kann, was er will und mächtig viel Druck, auf dass er schnell fertig wird.

Literatopia: „Marlene lebt“ begeistert unter anderem mit diversen Charakteren. Hackerin 3v3 kämpft darum, ihre große Liebe und die Mutter ihrer Tochter zurückzuholen. Inwiefern beeinträchtigt die gemeinsame Tochter ihre Bemühungen? Kann man Familie und Schatten überhaupt in Einklang bringen?

David Grade: Die gemeinsame Tochter ist der Hauptgrund warum 3v3 überhaupt derart viele Ressourcen in die Rückholaktion steckt. Die Menschen, die wir lieben und um die wir uns sorgen, sind oft Zentrum unsere Motive und Ziele. Da Familien oft die stärksten Bindungen herausbilden, sind sie oft der Grund in den Schatten unterwegs zu sein, oder diese zu verlassen. In Einklang bringen ist dabei so eine Sache, nicht umsonst haben Gesellschaften Institutionen wie Kindertagesstätten und Schulen auch deswegen erfunden, um unsere Kinder aus dem Weg zu schaffen, damit wir ungestört arbeiten können, wie uns in der Coronakrise gerade sehr bewusst wird. Vielleicht kann man da einen Einklang erreichen, ich denke die meisten streben ihn aber mehr oder weniger erfolglos an - egal ob ShadowrunnerIn, FleischereifachverkäuferIn oder MilliardärIn.

Literatopia: In unserem letzten Interview hast Du uns zu „Iwans Weg“ Deine Playlist gezeigt. Welche Songs haben Dich beim Schreiben von „Marlene lebt“ inspiriert?

David Grade: Songs waren ganz wichtig. Zu aller erst die von Marlene Dietrich, die blöderweise selten meinem Musikgeschmack entsprachen, aber es gibt ein paar Ausnahmen, die in der Songlist aufgeführt sind und zu jedem verdammten Song gibt es eine Geschichte. Ich habe ein paar Songs aus der Playlist für „Iwans Weg“ wieder verwendet, weil ich daran glaube, dass gleiche Musik einen ähnlichen Schreibstil fördert.

Und ich habe mich mit viel Spaß in ein für mich neues Genre hinein gehört, weil ich nach einer Verbindung von moderner Musik und der Musik der zwanziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts gesucht habe, um die epochenübergreifende Spannung in Marlene Dietrich musikalisch zu erleben. Hallo Elektroswing. Ein paar Lieder aus dem Übergang zu den 90ern sind auch drin, weil Marlene die noch gehört haben könnte und ich zu dieser Zeit ein kleiner Junge war, der anfing das erste Mal etwas anderes zu hören als die Erwachsenen um mich herum. Hier die Auswahl aus der Playlist:

Marlene Dietrich - You are the cream in my Coffee (Marlene übermütig)

Marlene Dietrich - Wenn ich mir was wünschen dürfte (Marlene nachdenklich)

Marlene Dietrich - Boys in the Backroom (Marlene bestimmt)

Heartless Bastards - Only for You (Nordstadtfeeling & Iwans Weg)

Caravan Palace - Lone Digger (Tokugawa in den Schatten, Dahut im Bordell)

Modest Mouse - Sugar Boats (abgedrehte Matrixszenen)

OK KID - Warten auf den starken Mann (Tokugawa & Bergfalk)

R.E.M. - Loosing my Religion (3v3, Marlene, Hemingway)

Guns N' Roses - Paradise City (Auf den Straßen des Rhein-Ruhr-Megaplexes)

Literatopia: Wir alle leben momentan in einer Dystopie. Das Coronavirus hat Deutschland fest im Griff und auch die Buchbranche leidet unter Umsatzeinbrüchen. Inwiefern betrifft Dich die aktuelle Situation?

David Grade: Meine Mutter gehört in mehrfacher Hinsicht zur Risikogruppe und lebt in selbstgewählter Quarantäne. Mein Vater lebt in Kalifornien und ist wie seine Frau nicht krankenversichert (meine Halbgeschwister haben zum Glück Obamacare) und die Familie in Indien, naja die haben es notfalls am leichtesten zur Subsistenzwirtschaft zu wechseln, einer meiner Onkel hat noch Farmland und ein paar Kühe. Ich arbeite in der psychiatrischen Abteilung eines Kinderkrankenhauses und bin in der privilegierten Situation einen sicheren Job zu haben und arbeiten gehen zu dürfen, auch wenn ich in letzter Zeit viel darüber gelernt habe, Schutzmasken zu tragen ohne sich diverse Stellen im Gesicht und hinter den Ohren wundzuscheuern. Ganz abgesehen von dem Privileg Bürger eines der reichsten Länder der Welt zu sein; allein in Bangladesch werden zwei Millionen Covid-19-Tote befürchtet und da sind wir noch gar nicht bei der Behandlung möglicher Spätfolgen bei den Überlebenden. Nicht, dass das jemals offizielle Zahlen werden, wer die will, braucht Ressourcen zum Testen, wer für seine Bevölkerung noch nicht mal sauberes Wasser und ausreichend Seife stellen kann, tut sich da schwer. Weil ich immer noch in meiner Approbationsphase bin (die schriftliche Prüfung ist bestanden, drückt mir die Daumen für die mündliche) habe ich wenig Lesungen, die einzige, die angedacht war, in der Gustav-Landauer-Bibliothek in Witten, ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Da ich nicht auf das Geld aus Buchverkäufen angewiesen bin, bin ich durch den wankenden Buchmarkt nicht direkt betroffen, auch wenn der Traum eines stetigen Nebeneinkommens durch die Autorenschaft weiter weg rückt. Ich hoffe sehr, dass es viele kleine Verlage schaffen, damit es weiterhin eine gute Auswahl in literarischen Nischen gibt. Wir brauchen die Vielfalt in der Fantasie, um gedanklich möglichst divers zu bleiben, um uns gelingender an alles anpassen zu können, was uns als Menschheit noch bevor steht. Die Coronakrise zeigt das auf beeindruckende Weise.

Literatopia: Wie würde sich ein Virus wie Sars-Cov2 in der Welt von „Shadowrun“ auswirken?

David Grade: Ähnlich wie bei uns. Die Konzerne würden möglichst schnell und ungeachtet der Opfer Arbeits- und Konsumfähigkeit herstellen wollen, die Reichen würden sich gut schützen, die Armen würden eher drauf gehen. Gewinne würden privatisiert und Risiken und Verluste sozialisiert, indem sie über die auch in „Shadowrun“ noch existierenden staatlichen Systeme auf alle verteilt würden.

Ein Virus ist konstituierend für die gesellschaftliche Herrschaft der Konzerne in „Shadowrun“. Ich zitiere aus der aktuellen, sechsten Version des Grundregelwerks: "Das Virusinduzierte Toxische Allergiesyndrom (VITAS) fegte in zwei Wellen über die Welt hinweg. [...] Die Epidemie entfachte einen Flächenbrand und breitete sich über den gesamten Planeten aus. Bis 2011 war jeder vierte Mensch auf dem Planeten an der Krankheit gestorben oder lag im Sterben. Am schwersten traf es die am dichtesten bevölkerten Länder der Welt wie China, Bahrain und Bangladesch." In der Folge brachen staatliche Systeme zusammen und die Konzerne übernahmen mehr und mehr die Führungsrolle in der Welt.

SARS-CoV-2 ist im Schweregrad nicht mit VITAS vergleichbar, aber die gesellschaftspolitischen Folgen in vielen Ländern könnten es sein: noch weniger Demokratie, noch mehr Herrschaft des Geldes. Ach was erzähle ich, es reicht nach Nordrhein-Westfalen zu gucken; im Corona-Beraterstab des Ministerpräsidenten Laschet sitzen die Wirtschaftsvertreter, die der CDU am meisten Spendengelder zugeschoben haben. Die vielbeachtete Heinsbergstudie wurde von einer wirtschaftsfinanzierten Pressekampagne begleitet, deren Talkingpoints und Stoßrichtung feststand bevor es wissenschaftliche Zwischenergebnisse gab. Die PR-Agentur dahinter heißt StoryMachine, also sozusagen KollegInnen im Fantasygenre. Wenn das nicht Cyberpunk ist, dann weiß ich auch nicht.

Literatopia: Seit März bist Du im Vorstand der neuen DOS-Partei. Würdest Du uns diese kurz vorstellen? Wie kam es zur Parteigründung?

David Grade: DOS steht für Digital, Oekologisch, Sozial. Wir wollen die große Krise so bewältigen, dass auch die mit wenigen Ressourcen es gut schaffen und wir demokratisch bleiben. Dafür setzen wir verstärkt auf die Möglichkeiten, die uns die Digitalität bietet. Mit großer Krise meine ich nicht Corona, das ist ein kleiner, flinker Fisch, ich meine die Klimakatastrophe, dieser gigantische, langsame Leviathan, der das Potential hat, uns alle zu niederzuwalzen. Wir treten zunächst auf lokalem Level an, für mehr müssen wir noch Ressourcen sammeln. Ich war ja vorher Pirat und kann deren Ziele immer noch gut vertreten, aber DOS ist anschlussfähiger, uns treten Menschen bei für die die Piraten verbrannt oder nie eine Option waren.

 

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Literatopia: Hast Du die neuen „Shadowrun“-Romane Deiner Kollegen gelesen? Welcher hat Dir besonders gefallen?

David Grade: Da sprichst du etwas an, worüber ich schon länger nachdenke. Ich habe früher sehr viele Rezensionen vor allem für „Das Schwarze Auge“ geschrieben und ich würde es lieben eine Rezi-Reihe über die Shadowrunromane zu bringen. Das Problem; ich schreibe selber welche, keiner würde mir meine Begeisterung abnehmen. Und wenn ich etwas negativ kritisiere (und ja, da gibts Sachen) ... zumindest die neueren Autoren kennen alle meinen Namen, können rausfinden wo ich wohne und einige von denen schreiben echt gewalttätiges Zeug. Wenn du eine Lösung dafür weißt, nur zu.

Literatopia: Kannst Du uns schon sagen, ob es weitere „Shadowrun“-Romane von Dir geben wird? Oder arbeitest Du vielleicht an etwas ganz anderem?

David Grade: Ich habe bis Ende Mai 2020 eine Schreibpause eingelegt, weil ich Zeit für meine Approbationsprüfungen brauchte. Es liegen Ideen von mir bei Pegasus, aber die Planung ist ab nächstem Jahr sehr ungewiss. In diesem Jahr kommen noch zwei Shadowrunromane heraus. Im Juni „Nachtmeisters Erben“ von Bernd Perplies, der den langjährigen Metaplot um den Tod des Drachen Nachtmeister im Jahr 2062 und die darauf folgende Eiszeit zwischen den Konzernen Saeder-Krupp und Frankfurter Bankenverein entstaubt und eskalieren lässt. Vermutlich zur Spiel (wenn Corona die zulässt) kommt der zweite Shadowrunroman von Mike Krzywik-Groß und ich bin mir sehr sicher, dass der Protagonist kein Konfetti und lautstarken Jubel will und sich vermutlich immer noch keinen Hut gekauft hat. Beide Romane sind enger mit dem Metaplot verknüpft als die bisherigen und es wird begleitende Abenteuerbände geben.

Möglicherweise kommt von mir noch ein Splittermondroman mit dem Arbeitstitel „Die Legende vom Froststein“, das hängt von meiner Seite von so vielen Variablen ab, dass ich mich kaum traue das öffentlich zu sagen. Aber das Ding wird ein echtes Kleinod und wächst mir immer fester ans Herz und es wäre schön, wenn es das Licht der Veröffentlichung erblicken würde.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

David Grade: Ich danke euch.


Autorenfotos: Copyright by David Grade

Das Coverbild zu "Marlene lebt" stammt von Andreas Schroth

Autorenhomepage: https://davidgrade.com

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Rezension zu "Marlene lebt"

Rezension zu "Shadowrun - Iwans Weg"


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.