Nur einen Herzschlag entfernt (Renée Carlino)

Lübbe, 1. Auflage April 2020
Originaltitel: Swear on This Life
Aus dem Amerikanischen von Frauke Meier
Klappenbroschur, 320 Seiten
12,90 € (D) | 13,30 € (A)
ISBN: 978-3-7857-2673-0

Genre: Belletristik / Liebesroman


Klappentext:

Als der Debütroman des mysteriösen Autors J. Colby zur literarischen Sensation des Jahres wird, ist die junge Unidozentin Emiline neugierig, was hinter dem Hype steckt.
Doch dann entdeckt sie, dass das Buch ihre eigene unglückliche Kindheit erzählt. Was bedeutet, Jackson muss Jase sein, ihr einst bester Freund und erste große Liebe, den sie seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Zutiefst verletzt von dem Verrat macht sie sich auf die Suche, um ihn zur Rede zur stellen. Bald muss sie sich fragen, ob sie tatsächlich erfahren will, was damals geschah ...


Rezension:

Emiline möchte ihren Lebensunterhalt eigentlich mit dem Schreiben von Romanen verdienen, hangelt sich aber eher erfolglos mit unveröffentlichten Kurzgeschichten durchs Leben und unterrichtet an der hiesigen Uni irgendwas mit Literatur. Ihre Mitbewohnerin und Kollegin drückt ihr irgendwann einen Liebesroman in die Hand, der sie über die Maßen begeistert hat, und legt ihr nahe, den erfolgreichen Bestseller so bald wie möglich zu lesen. Doch schon nach den ersten paar Sätzen ist Em klar, was sie da in den Händen hält - nämlich die Geschichte ihrer eigenen Kindheit, inklusive der ersten zarten Freundschaftsbande zum Nachbarjungen, die Entwicklung zur ersten großen Liebe und all die schlimmen Erinnerungen, die sie jeden Tag aufs Neue zu verdrängen versucht. Schnell wird Emiline bewusst, dass es bei dem Namen auf dem Cover nur um ein Pseudonym eben dieses Nachbarjungen handeln kann, zu dem sie vor über zehn Jahren das letzte Mal Kontakt hatte. Denn wer sonst könnte ihre Geschichte derart detailliert und aus ihrer Sicht schreiben? Mit einem Mal und mit jedem gelesenen Kapitel sind all die Erinnerungen an damals wieder lebendig und Em beschließt, sich auf die Suche nach Jase zu machen und ihn zur Rede zu stellen.

Ein zauberhaftes Cover, ein wunderschöner Titel und ein spannend klingender Klappentext - all das gibt dem potentiellen Leser von Nur einen Herzschlag entfernt das Versprechen, einen nahegehenden, tiefschürfenden Liebesroman mit dunklen Geheimnissen in den Händen zu halten. Allerdings stellt sich sehr bald die Ernüchterung ein, denn obwohl Renée Carlino alle wichtigen Komponenten für einen erfolgreichen Pageturner dieses Genres zur Verfügung stehen, schafft sie es, einen eher einschläfernden und nicht auf positive Weise aufregenden Roman geschrieben zu haben. Während einige der Nebencharaktere - wie Ems Mitbewohnerin und ihre Tanten - mit viel Charme und Witz gestaltet sind, bleiben die eigentlich wichtigsten Personen sehr blass und unsympathisch. Weder Em noch Jase schaffen es, das Herz des Lesers zu erobern. Ihre Handlungen sind selten nachvollziehbar, wobei man Jase recht wenig kennenlernt. Em hingegen ist allgegenwärtig und das leider nicht auf positive Weise. Sie hängt sehr in ihren Gedankengängen fest und möchte sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Deshalb bleibt sie unnahbar und der Leser ist oft genervt von ihren Aussagen und wie sie mit der ganzen Situation umgeht.

In zwei Erzählsträngen lernt der Leser sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit kennen. Die Rückblenden werden quasi als Buch im Buch erzählt, während Em den Roman liest, den Jase geschrieben hat. In beiden Varianten ist der Sprachstil allerdings abgehackt und einfach, weshalb man keinen richtigen Zugang findet. Die Emotionen bleiben oberflächlich, obwohl die Hintergrundgeschichte unglaublich viel Potential mitbringt. Leider schöpft Renée Carlino dieses Potential nicht aus, sondern wirft stattdessen mit jeder Menge dramatischen Wendungen um sich, die gerade im letzten Drittel des Buches aufeinander prasseln und dadurch auch das Wenige an Glaubwürdigkeit zerstört, das Nur einen Herzschlag entfernt aufbauen kann. Gerade die Auseinandersetzung mit Ems Vergangenheit und die Konfrontation mit ihren Eltern ist mehr als unbefriedigend und deutet eher darauf hin, dass die Autorin sich nicht ausreichend mit Traumabewältigung beschäftigt hat. Nach einem langen Vorgeplänkel überschlagen sich nicht nur die Ereignisse, sondern auch die Informationen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass dem Roman auf den letzten Kapiteln unbedingt noch Spannung für das ganze Buch aufgezwängt werden sollte. Während im Großteil der Geschichte - sowohl im Gegenwartsstrang als auch im Roman im Buch, der leider so gar kein nachvollziehbares Bestsellerpotential hat - alles eher seicht vor sich hin fließt, ist der Inhalt an wenigen Stellen völlig überladen. Ein Gleichgewicht ist nicht zu entdecken.

Trotz all der Kritikpunkte fällt es dem Leser mitunter schwer, Nur einen Herzschlag entfernt aus der Hand zu legen. Ob der Vergleich mit einem Autounfall, bei dem man einfach nicht wegsehen kann, allerdings so gewollt wurde, darf bezweifelt werden. Wenn man sich auf sehr seichte, bemüht dramatische Lektüre einlassen kann, im Grunde gleich zwei nicht besonders gute Bücher lesen möchte und mit starken Neben-, aber schwachen Hauptcharakteren zurechtkommt, schadet ein Griff zum Buch nicht. Eine Empfehlung kann hier allerdings nicht ausgesprochen werden.


Fazit:

Nur einen Herzschlag entfernt bringt alle wichtigen Komponenten für einen tiefgehenden, unterhaltsamen und berührenden Liebesroman mit und verspricht zumindest von außen genau das richtige für ein wenig heilenden Herzschmerz. Leider hält sich Renée Carlino mit vielen Nichtigkeiten auf, sodass das vorhandene Potential bis auf wenige Szenen zum großen Teil verschenkt wird. Weder Story noch Charaktere können einen wirklichen Sog erzeugen.


Wertung:

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 2/5

Tags: Romance