Mercy Bd.1 – Die Dame, die Kälte und der Teufel (Mirka Andolfo)

Verlag: Panini (März 2020)
Gebundene Ausgabe: 76 Seiten; 20 €
ISBN-13: 978-3741617560

Genre: Horror/Mystery


Klappentext

Mercy

Eine geheimnisvolle Adlige lässt sich in der Kleinstadt Woodsburgh nieder.
Aber wer ist Lady Nolwenn Hellaine wirklich? Keiner weiß, warum sie mit ihrem treuen Butler Goodwill aus Seattle in das winzige Örtchen umgesiedelt ist, und ihre Ankunft ist auch nicht unbemerkt geblieben. Und was hat es mit der unheimlichen Kreatur auf sich, die ein Blutbad nach dem anderen anrichtet?


Rezension

Vor Jahren geschah etwas sehr unheimliches in dem kleinen Städtchen Woodsburgh im Bundesstaat Washington. Irgendetwas war in den Minen, die am Ende von den Arbeitern gesprengt wurden. Lady Swanson verlor bei diesem Unglück ihren Mann Trevor. Seitdem hat sie immer wieder Albträume von Wesen, die sie als Die Unbekannten bezeichnet. Ebenso treibt der Teufel von Woodsburgh, ein bestialischer Mörder, sein Unwesen in dem kleinen Städtchen.
So manches scheint sich aber zukünftig zu ändern, als Lady Hellaine in die Stadt kommt. Die wunderschöne Frau, die als Engelsgesicht bezeichnet wird, bewahrt ihr ganz eigenes schreckliches  Geheimnis und scheint mehr mit dem Städtchen zu tun zu haben, als irgendjemanden bewusst ist. Obwohl ihr so mancher mit Argwohn begegnet, gibt es ein Mädchen, die kleine Rory, das fest daran glaubt, dass Lady Hellaine ein Engel ist, der ihr von Gott gesandt wurde, um ihr zu helfen.

Mirka Andolfo hätte sich auf dem Erfolg von Contro Natura ausruhen und auf Nummer sicher gehen können. Aber statt weiterhin auf anthropomorphe Tiere zu setzen, mit denen sie die Vorgängerserie so gut erzählte, lässt sie nun wieder Menschen die handelnden Personen sein. Oder zumindest Wesen, die so aussehen. Denn nicht alle in Woodsburgh sind wirklich Menschen, sondern etwas ganz anderes, was bisher nur als Die Unbekannten bezeichnet wird.
Mirka Andolfo erzählt in ihrer neuen Comicreihe eine Horrorgeschichte gegen Ende des 19. Jahrhundert im US-Bundesstaat Washington.
Und sie wirft den Leser gleich mitten hinein. Die Arbeiter fliehen aus der Mine und sie wird in die Luft gesprengt, ohne das der Grund dafür zu sehen ist. Nur eine Andeutung wird gemacht, mit der Mirka Andolfo sofort das Interesse des Lesers weckt.
Gleich danach springt die Handlung mehrere Jahre nach vorn und Lady Hellaine und ihr Butler Goodwill werden vorgestellt. Dass die beiden mehr sind, als nur Herrin und Diener, ist fast augenblicklich klar. Goodwill scheint Lady Hellaine auf irgendeine Art in der Hand zu haben und sie fügt sich da hinein. Denn sie hat in Woodsburgh etwas zu erledigen, ein Ziel, welches sie nur erreichen kann, wenn sie auf Goodwills Anweisungen hört. Denn er weiß, wie ihr wahres Wesen getarnt werden kann. Die Beziehung der beiden ist von Anfang an ambivalent, einerseits hört sie auf ihn, andererseits scheint sie deutlich mehr Macht zu besitzen als er. Was genau ihr Ziel ist, wird noch nicht verraten. Es ist nur klar, dass es irgendetwas mit den Unbekannten zu tun haben muss. Mirka Andolfo stellt ihre Protagonistin effektiv vor und lässt dabei ausreichend im Dunklen, um die Neugierde des Lesers aufrechtzuerhalten. Daneben gibt es jede Menge andere Charaktere, die sie einführt und die alle ihren Teil zur Geschichte und zum im Hintergrund liegenden Horror beitragen.
Mirka Andolfo wirft jede Menge Fragen auf, deren Beantwortung unter Umständen so manche Überraschung bereithalten könnte.
Guter Horror zeichnet immer mehr aus als nur eine unheimliche Kreatur oder mysteriöse Gegebenheit. Horror ist immer dann am Besten, wenn er etwas zu sagen hat, oder den Leser/ Zuschauer auf der psychischen Ebene attackiert und Beziehungen und Umstände seziert. Beispiele hierfür sind Dawn of the Dead, Shining oder Alien. Wie bereits bei Contro Natura hat Mirka Andolfo bei Mercy etwas der Handlung hinzugefügt, um sie von reinem Horror abzuheben. Bei Mercy taucht die junge Rory auf. Sie ist ein Halbblut oder Mestize, wie ein Nachfahre von Indianern und Weißen genannt wird, und ihr Leben ist bis zum Beginn der Handlung nicht gerade glücklich. Sie wird von einem skrupellosen Mann, der sich Onkel nennt, ausgebeutet und hat praktisch keine Perspektive und auch weitere Figuren haben nicht viel Glück. Mirka Andolfo schaut unter die Oberfläche der Kleinstadt und beschäftigt sich ein wenig mit ihren Strukturen. Sie packt auf diese Weise ebenso eine soziale Komponente in die Geschichte, die hoffentlich noch stärker mit ihr verknüpft wird. Gemessen an Contro Natura wird dies vermutlich geschehen.

Optisch ist Mercy einfach wieder wunderbar anzuschauen. Mirka Andolfo hat ein sehr gutes Gespür für Farben und Rhythmus einer Geschichte und beherrscht es, Action übersichtlich und leicht nachzuverfolgen zu gestalten. Mercy ist kein Comic für Kinder, was sich in den Zeichnungen zeigt. Gewalt zeichnet Mirka Andolfo mit der nötigen Konsequenz und die Sexszenen sind zwar nicht explizit, aber eindeutig. Insgesamt verbreitet der Comic eine düstere, gruselige Atmosphäre mit schönen Bildern.

Der Band wird mit Skizzen, Illustrationen, Charakterstudien und einem Beispiel für die einzelnen Arbeitsschritte bei der Entstehung eines Comics abgerundet.


Fazit

Mirka Andolfo zieht vom Beginn weg die Spannungsschraube bei ihrer neuen Serie Mercy fest an. Die startet genauso gut, wie Contro Natura geendet hat. Wer Horror mit Inhalt mag, sollte sie unbedingt lesen.


Pro & Contra

+ interessante Charaktere
+ hohes Tempo
+ neugierig machende Ansätze bei den Horrorgestalten

Bewertung:
Charaktere: 4/5
Handlung: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Mirka Andolfo:

Rezension zu ControNatura Bd.2
Rezension zu ControNatura Bd.3