Human Lost Blu-ray
Regie: Fuminori Kizaki
Studio: LEONINE
Bildseitenformat: 16:9 - 2.40:1
Sprache: Deutsch, Japanisch (Untertitel: Deutsch)
Daten: Universum (2020), FSK 16, 109 min
Genre: Action / Cyberpunk / Mystery
Rezension
Regenerationsmedizin, Nanomaschinen und Universalheilmittel bilden die Grundlagen des S.H.E.L.L.-Systems, das den Menschen in der Zukunft ein 120 Jahre währendes, gesundes Leben ermöglicht. Sollte man doch einmal einen tödlichen Unfall haben, wird der Körper einfach neugestartet und das Leben geht weiter, als wäre nichts geschehen. Doch nur wenige Menschen führen ihr Leben in Wohlstand, der größere Teil lebt unter ärmlichen Bedingungen in den dreckigen Außenbezirken Tokyos und hat nicht einmal die Möglichkeit, sein tristes Leben selbstbestimmt zu beenden.
Der junge Maler Youzou Oba leidet unter düsteren Visionen, die ihn zum Selbstmord treiben. Doch die Nanomaschinen in seinem Körper holen ihn zurück. Während Youzou wie gelähmt erscheint, kocht sein bester Freund Takeichi vor Wut. Das System nimmt ihnen alles, selbst das Recht zu sterben. Zusammen mit seiner Motoradgang und mit Hilfe der Anti-GRMP-Drogen von Masao Horiki, die den Kontakt zum S.H.E.L.L.-System unterdrücken, startet er einen Angriff auf das Stadtzentrum und reißt Youzou mit sich. Als die beiden einen Unfall haben, verwandeln sich beide in sogenannte „Lost“ – monströse Kreaturen, geschaffen von außer Kontrolle geratenen Nanomaschinen. Das Militär eliminiert die Lost, doch Youzou gelingt es, sich in einen Menschen zurückzuverwandeln ...
“Human Lost“ basiert grob auf dem zeitlosen Klassiker „Ningen Shikkaku“ des japanischen Schriftstellers Dazai Osamu (deutscher Titel: „Gezeichnet“) und interpretiert die Geschichte als düsteren Mix aus actiongeladenem Cyberpunk und philosophischer Mystery. Der Film beginnt mit dem Angriff der Motoradgang, deren Gehabe stark an die Gangs aus „Mad Max“ erinnert. Die Zuschauer werden mitten ins Geschehen geworfen und bekommen nur bruchstückhaft Informationen über die Welt, worüber man in Anbetracht der extrem unterhaltsamen, coolen Actionszenen noch hinwegsehen kann. Allerdings zieht sich die Handlung nach dem nervenaufreibenden Start zu sehr in die Länge, da vieles noch erklärt werden muss. Auf einige wichtige Informationen wartet man jedoch vergebens.
Youzou und Takeichi sind sehr gegensätzliche, spannende Charaktere, deren freundschaftliches Verhältnis in wenigen Minuten greifbar wird – jedoch für den Rest des Films keine große Rolle mehr spielt. Dabei hätte man beide gerne noch etwas besser kennengelernt, bevor eine Katastrophe die nächste jagt. Im weiteren Verlauf wird Masao Horiki zur treibenden Kraft der Handlung, da er das S.H.E.L.L.-System zerstören will. Ihm gegenüber steht die junge, hoffnungsvolle Yoshiko Hiiragi. Sie besitzt besondere Fähigkeiten, die sich auf das S.H.E.L.L.-System auswirken, und spürt eine besondere Verbindung zu Youzou. Yoshiko glaubt daran, dass er das Phänomen der Lost überwinden kann und die Menschheit in eine bessere Zukunft führen wird, in der niemand mehr zum Lost mutiert.
Die erste Hälfte von „Human Lost“ ist cyberpunklastig und actionforciert, während die zweite Hälfte stark Richtung Mystery abdriftet. Youzou, Yoshiko und Masao verfügen jeweils über spezialisierte, übernatürliche Fähigkeiten, deren Zusammenspiel den Verlauf der Handlung bestimmt. Die Nebencharaktere und auch die zukünftige Welt verblassen, während Youzou zwischen zwei Zukunftsvisionen zerrissen wird. Masao kämpft für Zerstörung und Neubeginn, denn für ihn sind die Menschen gescheitert. Yoshiko hingegen kämpft dafür, das bestehende System zu verbessern, sodass irgendwann alle ein glückliches, sorgenfreies Leben führen können. Der Film arbeitet dabei mit Metaphern, die teils schwer zugänglich sind und erinnert mit seinem apokalyptischen Finale an „Akira“ oder auch „Devil May Cry“. Die Frage, was einen Menschen auszeichnet und inwiefern man den Tod überwinden kann und sollte, gerät zunehmend in den Hintergrund. Hier schöpft "Human Lost" sein Potential nicht aus und verliert sich zu sehr in spektakulären Kampfszenen.
Der sonst eher gewöhnungsbedürftige Cell-Shading-Look sieht hier nicht nur überraschend gut, sondern phantastisch aus. Die Ästhetik mit vielen Braun- und Grautönen erinnert an experimentelle Cyberpunkanimes wie „Texhnolyze“ und „Ergo Progy“, wobei „Human Lost“ mit detailreicheren Hintergründen und mehr Farben aufwartet. Die Actionszenen sind herrlich dynamisch animiert und bei den Charakterdesigns ist deutlich die Handschrift von Katsuyuki Motohiro („Psycho-Pass“) zu erkennen. Die Kulissen versprühen echtes Tech-Noir-Flair, sodass man gerne mehr von dieser düsteren Zukunft sehen würde.
Die Synchronstimmen passen sehr gut zu den jeweiligen Charakteren und wer regelmäßig Animes schaut, wird bekannte Namen wie Wanja Gerick, Dennis Schmidt-Foß oder Roman Wolko erkennen. „Human Lost“ leidet jedoch wie die meisten Filme heutzutage unter einer zu großen Lautstärkedifferenz zwischen Dialogen und Actionszenen. Während die Gespräche teils so leise sind, dass man ihnen kaum folgen kann, wird man im nächsten Moment vom Sofa gehauen.
Fazit
„Human Lost“ setzt auf die schillernd-dreckige Ästhetik experimenteller Cyberpunkanimes und ist mit seinen spektakulären Actionszenen ein visuelles Highlight. Die Geschichte selbst ist tiefgründig, verstörend und teils schwer zugänglich, insbesondere in der zweiten Filmhälfte, die in ein apokalyptisches, übernatürliches Spektakel mündet. Man fühlt sich zwischenzeitlich an „Akira“ und „Ghost in the Shell“ erinnert, doch die herausragende Qualität dieser Animeklassiker erreicht „Human Lost“ nicht.
Pro und Contra
+ spannender Mix aus Cyberpunk und Mystery
+ Youzou ist ein ungewöhnlicher, tiefgründiger Protagonist
+ sehr coole Actionszenen in der ersten Hälfte
+ atmosphärische Tech-Noir-Kulissen
+ verstörende, vielschichtige Story
o übernatürliche Elemente
- wichtige Informationen kommen spät oder gar nicht
- Takeichi spielt für den weiteren Verlauf der Handlung keine Rolle
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Animationen: 5/5
Preis/Leistung: 3,5/5
Szenenbilder: ©2019 HUMAN LOST Project