David Misch (14.09.2020)

Interview mit David Misch

david misch 2020Literatopia: Hallo, David! Mit „Schatten über den Brettern“ ist bei duotincta Dein dystopischer Debütroman erschienen. Was erwartet die Leser*innen?

David Misch: Hallo Judith und danke für die Einladung! Ich hoffe, die Leser von „Schatten über den Brettern“ erwartet eine aufrüttelnde Geschichte über die aktuellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft. Ich hoffe auch, dass einen die Geschichte nicht in Ruhe lässt, auch nachdem man das Buch zurück ins Regal gestellt hat. Was einen bestimmt erwartet, ist ein Plot voller harter Wendungen und ein gebührend überraschendes Ende.

Literatopia: Wie sieht Österreich in Deiner Zukunft aus? Und wie viel Realität steckt in Deinem Roman?

David Misch: Da klafft eine große Lücke zwischen dem, was ich mir erhoffe, und dem, was ich – leider – für durchaus denkbar halte. Entscheidend für mich ist weniger die konkrete Prognose, sondern die Frage nach der persönlichen Entscheidung jeder oder jedes Einzelnen, emphatisch und anständig zu handeln oder passiv zu bleiben, weil das eben kurzfristig bequemer ist. Dieser Zwiespalt ist schließlich auch einer der großen Aspekte des Romans. Was den Realismus in der Geschichte angeht: die konkrete Handlung ist weitestgehend fiktional und an vielen Stellen absichtlich plakativ überspitzt, um das Nachdenken des Lesers eher weg vom reinen Handlungsverlauf und auf die skizzierten Mechanismen von manipulativen Machtpolitikern und einer Bevölkerung, die sich und die eigene Geschichte vergisst, zu lenken. Diese sind aus meiner Sicht leider zu 100% zutreffend und in der Gesellschaftsentwicklung nicht nur Österreichs, sondern vieler europäischer Staaten, überhandnehmend. Man hat beinahe das Gefühl, viele Menschen haben nur darauf gewartet, dass eine neue Generation „starker“ Leitfiguren den Hahn öffnet. Der Großteil davon, und das mag relativ neu sein, ist nicht mehr vom Typus Ideologe, sondern weit opportunistischer orientiert. Es geht um knallharte Klientelpolitik und persönliche Bereicherung – auch das ist eine zentrale Facette, die ich im Roman festhalten wollte.

Das ist schon sehr bedrückend und leider sehe ich große Parallelen zwischen Politikern bzw. Entscheidungsträgern aller Couleur. Noch einmal zurück zur Entstehung der Geschichte: das Manuskript ist, wie man wohl leicht erraten kann, durchaus als eine Art Wutschrei eines besorgten Bürgers gegen eine Rechts-Ultrarechts-Regierung aufzufassen. Mittlerweile gab es da einen Wechsel zu Rechts-Mitte Links, doch ich sehe keine wesentlichen Verbesserungen in vielen Punkten, vor allem im Sozialbereich. Am Beispiel der verweigerten Aufnahme von schutzbedürftigen Kindern aus dem Flüchtlingslager Moria: wie kann sich eine vorgebliche Menschenrechtspartei in eine Regierung begeben, die sich während einer globalen Pandemie gegen die Rettung einer lächerlich anmutenden Zahl von Flüchtlingen ausspricht? Was bedeuten solche politischen Zeichen – nichts anderes ist es, was wir da beobachten, denn der eigentliche Hilfsakt wäre lachhaft einfach – für unser zukünftiges Verständnis von unantastbarer Menschenwürde? Wie kann das jeder einzelne Amtsträger mit sich vereinbaren? Ist das Vorsatz, Phlegma, Überfordertsein? Wie pragmatisch darf man in Entscheidungspositionen werden, und wo und wann stößt dieser gefährliche politische Pragmatismus endlich an seine Grenzen? Ich denke, viele Menschen würden darauf warten und vielleicht wäre es sogar ein lohnendes politisches Experiment, der Mehrheit der Bevölkerung einmal mehr zuzutrauen als nur das Mindeste. Ich glaube aber auch, dass wir all dem mit einer viel positiveren Grundeinstellung begegnen müssen, als ich es in meinem zugegeben streckenweise recht düsteren Text beschreibe. Natürlich macht jede empathische Handlung einen Unterschied, und sich als Individuum hinter einer fehlgeleiteten Politik zu verstecken, ist ebenso wenig zielführend.

Literatopia: „Schatten über den Brettern“ bleibt nah am Protagonisten, der zugleich Erzähler ist. Was ist er für ein Mensch? Und was hat es mit IHM auf sich?

David Misch: Er ist ein sehr unsicherer, gleichzeitig aber auch sehr couragierter Mensch. Er ist stark und schwach, hat Leichen im Keller und versucht, diese mit seinem Kampf gegen die Unterdrückung vergessen zu machen. Er ist paranoid – oft zu paranoid – und behält am Ende doch Recht. Er kann sich sein Versagen nicht verzeihen. Eigentlich ist „Schatten über den Brettern“ auch eine Geschichte über das Sich-Selbst-Verzeihen-Können. Da schließt sich der Kreis zur oben angesprochenen, positiven Grundeinstellung: auch im Angesicht großer globaler Fehlentwicklungen – erstrebenswerte Alternativen zum positiven Weitermachen gibt es nicht. Wieso also nicht dort ansetzen, wo man etwas tun kann, auch im Lichte vieler Herausforderungen, die übermächtig erscheinen?

ER – nicht zufällig schreibt er sich gottgleich groß – ist der Archetypus eines Machtmenschen, für den moralisches Handeln nichts anderes ist als ein Schwachpunkt, den es auszunützen gilt. ER will unserem Protagonisten alles nehmen, was ihm wichtig ist. ER ist ein Ausblick darauf, was uns als Gesellschaft erwarten könnte, wenn wir uns zu bereitwillig in ein fremdbestimmtes Schicksal ergeben. ER ist aber auch der, der unseren Protagonisten erst dazu bringt, sich seiner Entscheidungsmöglichkeiten bewusst zu werden. Beide sind also untrennbar miteinander verknüpft, sowohl im Schlechten wie auch im Guten.

Literatopia: Wie entdeckt Dein Protagonist die Liebe zum Theater? Und welchen Bezug hast Du persönlich dazu?

David Misch: Das Theater ist sein erster Kontakt zu einer Existenz, die nicht nur mitzulaufen und konform zu funktionieren bedeutet. Die Ästhetik, Kreativität und Fantasie einen Platz einräumt. Mein persönlicher Bezug zum Theater: es war auch für mich der Erstkontakt zur erzählenden Kunst. In Österreich gibt es das Theater der Jugend; dort war ich mit meinen Eltern Stammgast über Jahre, und später durfte ich, eine weitere kleine Parallele zum Protagonisten, auch hie und da einmal eine „Erwachsenenvorstellung“ mitbesuchen. Das waren ganz ehrfurchtseinflößende, prägende Abende. Im Vorfeld des Schreibens war mir dann Stefan Pawlata, ein befreundeter, unabhängiger Theaterspieler, eine große Hilfe. Er hat mich sogar dazu gebracht, selbst einen Theaterworkshop mitzumachen; das allerdings erst, als das Manuskript schon auf dem Schreibtisch meines Verlegers lag.

Im Roman stelle ich das Theater, stellvertretend für die Kunst insgesamt, als letzte Bastion gegen die aufkommende Diktatur der niedrigen Instinkte dar. Ich habe das Theater der Jugend gerade gegoogelt: Zuerst wurde es als Reaktion auf die Krisenjahre nach dem weltweiten Wirtschaftseinbruch zu Anfang der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts gegründet. 1938 wurde es dann zugunsten des Veranstaltungsrings der Hitlerjugend aufgelöst und erst nach Kriegsende wiedereröffnet. Ich wusste das gar nicht, finde es aber bezeichnend. Ein Blick auf das Kunst- und Kulturverständnis der aktuellen ungarischen Regierung – und das nur als exemplarisches Beispiel, um nicht immer in Österreich zu bleiben – spricht Bände.

Literatopia: „Schatten über den Brettern“ bezieht sich immer wieder auf das „Theater der Unterdrückten“, einer Methodenreihe von Augusto Boal. Kannst Du uns diese näher erläutern?

David Misch: Ich möchte mir natürlich nicht anmaßen, ein Experte für das Theater der Unterdrückten zu sein, und tatsächlich streife ich das Thema Theater als solches nur schemenhaft, da im Gesamtkonstrukt des Romans wenig Platz für beschreibende Passagen bleibt; im Grunde geht es darum, die Handlung in die Hand des Betrachters zu legen bzw. das weitgehend vorherrschende Konzept vom „Frontalunterricht“ im Theater aufzubrechen. Das beginnt bei sehr einfachen Techniken, wie etwa dem Hinterfragen von Pressemeldungen im sogenannten Zeitungstheater. Welchen verborgenen Kontext haben diese Botschaften? Gibt es nur eine Sichtweise, oder werden wir von der Schlagzeile weg in eine bestimmte Richtung manipuliert? Wem könnte das nützen? Andere Techniken bauen den Zuseher in die Handlung ein; Szenarien werden wiederholt durchgespielt und die Protagonisten so mit den Konsequenzen ihrer Handlungsentscheidungen konfrontiert. Sozusagen eine Art Gesellschaftssimulator, auf dessen Basis Resilienz und Widerstandsfähigkeit gegen Unterdrückung aller Art erlernt werden kann. Augusto Boal hat das bekannt gemacht, ähnliche Ansätze gab und gibt es aber viele. Wie gesagt, ich bin kein Experte dafür, daher möchte ich gar nicht zu sehr ins Detail gehen.

Literatopia: Dein Protagonist stellt sich die Frage, „wer nun schlimmer war, der, der inmitten der Zuschauermenge ausrastete und das zur Kunst ernannte, oder der, der sich anmaßte, es zu verbieten.“ – Was sagst Du? Darf Kunst alles? Oder gibt es Grenzen?

David Misch: Das ist eine schwierige Frage. Prinzipiell auf jeden Fall. Natürlich öffnet das aber Tür und Tor für Missbrauch, wir können Kunst ja nicht eindeutig definieren, die feinen Schattierungen lassen sich nicht erfassen und Schlupflöcher damit leicht ausnützen – aber die Alternative, aufgrund von politischer, religiöser oder anderweitiger Dünnhäutigkeit eine Verbotskultur zu entwickeln, wäre wohl insgesamt das größere Übel. Für Diskussionen über „geschmacklose“ Kunst habe ich größtenteils wenig Verständnis. Da müsste man über viele Verbote auch in anderen Bereichen nachdenken. Aber wer weiß; wir befinden uns ja auf einem „guten“ Weg dahin.

Literatopia: „Schatten über den Brettern“ konzentriert sich stark auf menschliche Abgründe. Was oder wer sind die Lichtblicke in Deinem Roman?

David Misch: Das lässt sich nicht leugnen. Ich glaube aber, dass gerade in diesen menschlichen Abgründen auch ein bisschen Hoffnung steckt. Schließlich sollten wir das als etwas Verbindendes begreifen: wie oft ergeben sich Konflikte, weil Menschen aus inneren Zwängen heraus handeln, diese jedoch herunterschlucken und verschweigen, anstatt sie zu teilen bzw. offen damit umzugehen. Ich will jetzt nicht den Küchenpsychologen geben, aber es ging mir in meinem Buch zu einem großen Teil darum, dieses Schwarz-Weiß-Denken aufzubrechen. So entwickelt sich die Geschichte von einem ganz klaren Gut-Böse zu Beginn bis zu einem überraschenden Ende. Wenn man bergreift, wie nahe alles beieinander liegt, hilft einem das auch, einen positiven Ausblick zu finden.

Literatopia: Du hast zuvor wissenschaftliche Publikationen und Bücher über Extremsport verfasst. Wie kam es zum Wechsel zur Literatur? Hast Du immer schon auch Geschichten geschrieben?

David Misch: Tatsächlich ist mein Hauptberuf ja immer noch der des Wissenschaftlers (und hat so gar nichts mit Literatur zu tun). Das Schreiben betreibe ich zwar intensiv, aber nicht als meine Lebensgrundlage. Eigentlich finde ich das auch ganz gut so: ich möchte das schreiben, was ich will, weil es mich dazu drängt, aber nicht, weil ich es aus ökonomischen Gründen tun muss. Wäre das so, hätte dieses Buch ja gar keinen Sinn. Dann müsste ich die Geschichte mit gefälliger Handlung vollstopfen, der Verzicht auf Namen und ausschweifende Dialoge – in diesem Fall natürlich stilistisch gewollt – wäre ein Riesenfehler, und so weiter. Sicherlich denkt man darüber nach, was man machen würde, käme der erste Bestseller. In diesem Genre ist das Risiko dafür aber wohl eher überschaubar.

Gerne gelesen und geschrieben habe ich schon immer, allerdings ohne literarischen Hintergrund z.B. in der Familie. Auch das sprach- oder literaturwissenschaftliche Studium geht mir ab. Eigentlich ist mein eigentlicher Beruf ein totaler Gegensatz zum literarischen Schreiben, denn da geht es um technische Präzision und Interpretationen, die weitgehend von harten Daten abgesichert sind. Auf der anderen Seite hilft mir diese analytische Prägung wohl auch beim Kondensieren von Themen auf das Wesentliche.

coverrandonnee grossDer Extremsport war über Jahre ein zentraler Teil meines Lebens, und in einer wesentlich weniger extremen Ausprägung begleitet mich das noch heute. Ich versuche, vier bis fünf Mal pro Woche zumindest für eine Stunde ernstzunehmende Bewegung zu machen, einfach, weil ich gelernt habe, wieviel man davon auch in anderen Bereichen profitiert. Die besten Gedanken kommen mir meistens auf dem Rad oder beim Laufen, und am schönsten ist es, wenn Ruhe einkehrt und man ganz bei sich ist. Diesen Zustand kann ich persönlich nur während des Sports erreichen. An der abgedroschenen Weisheit, dass nur in einem aktiven Körper auch ein gesunder Geist steckt, ist schon was dran, denke ich. Natürlich muss man so privilegiert sein, sich diesen Luxus – rein zeitlich – leisten zu können.

Die Bücher über meine eigenen Erlebnisse und die Abenteuer anderer waren dann wohl der Ausbruch einer neuen Leidenschaft, die schon länger in mir geschlummert hat. Von dort war es nur mehr ein kleiner Schritt hin zur fiktionalen Literatur.

Literatopia: Du hast das härteste Radrennen der Welt 2013 als Rookie of the Year beendet. Erzähl uns mehr darüber – was für ein Rennen ist das? Welche extremen Erfahrungen hast Du damit gemacht?

David Misch: Das Race Across America oder RAAM, wie es in der Fachwelt genannt wird, hat hier einen relativ hohen sportlichen Stellenwert, da einige Österreicher dort sehr erfolgreich waren. Es handelt sich um ein Radrennen von der West- an die Ostküste der USA, das im Nonstop-Modus ausgetragen wird. In meinem Fall hieß das knappe 5000 km in neuneinhalb Tagen auf dem Rad zurückzulegen, also ca. 500-550 km pro Tag über mehr als eine Woche. Die Pausen legt man für sich selbst fest und natürlich schafft man das nur mit wenig Schlaf und einer sehr guten Betreuung. Das mag sich wahnwitzig anhören, tatsächlich ist es aber extrem bereichernd, sich auf eine solche Unternehmung vorzubereiten. Und das Gefühl, auf dem Rad aus eigener Kraft einen ganzen Kontinent zu durchqueren, in relativ kurzer Zeit, ist schon unglaublich.

Die extremsten Erfahrungen bereiten einem der Schlafentzug in Kombination mit den rauen Umweltbedingungen. Die Temperaturen reichen von knapp fünfzig Grad im nichtexistierenden Schatten der Sonora-Wüste, bis hin zu knapp über null Grad auf den 3000 m-Pässen der Rocky Mountains. In Kansas gibt es 500 km lange Geraden, die einem den Zahn ziehen können. Halluzinationen begleiten einen vor allem in der zweiten Hälfte des Rennens und die Gefahr von Fehlentscheidungen steigt natürlich ebenso. Man muss also schon genau wissen, was man tut, und vor allem, wieso. Das alles ist aber immer in Relation zur Vorbereitung zu sehen. Ich habe mein Leben für zwei Jahre komplett auf dieses Ziel ausgerichtet. Vieles ist mach- und sogar kontrollierbarer, als man anfangs glaubt, wenn man es nur überlegt und mit einem langen Atem angeht. Wieder so eine Parallele zum literarischen Schreiben – das wird jeder Autor, der schon einmal vor seinem Manuskript oder vor der Verlagstür verzweifelt ist, bestätigen können.

Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Und hast Du vielleicht Lieblingsbücher, die Du unseren Lesern ans Herz legen möchtest?

David Misch: Zuletzt gelesenen habe ich Hemingway, Kafka, Morrison, Biller, Bernhard, Geiger, Kemal. Alles sehr unterschiedlich und sehr empfehlenswert. Hesse war gewissermaßen mein romantischer, literarischer Einstieg, passend zum Erwachsenwerden (das ist natürlich schon eine Zeitlang her). Die weniger bekannten Werke von Orwell gefallen mir sehr gut, weil sie einen unglaublich anständigen Blick auf soziale Ungerechtigkeit und die damit einhergehende Ausweglosigkeit für gewisse Gesellschaftsgruppen richten. Wie man vermutlich heraushört, habe ich kein Problem mit ein bisschen Moral in der Geschichte. Das war ja lange sehr verpönt und mag es noch sein, zum Glück bin ich aber Quereinsteiger genug, um mich um solche Dinge wenig zu scheren. Auch darum nicht, wenn mich ein Jahrhundertautor kalt lässt, was durchaus vorkommt.

Ich lese eigentlich völlig ungeordnet, sowohl thematisch als auch was die zeitliche Entstehung angeht. „Der Prozess“ von Kafka ist schon ein faszinierendes, zeitloses Buch und passt gut zu meinen aktuellen Themen. Die unglaublich farbigen Beschreibungen von Yaşar Kemal zeigen mir, was auch mit einfacher, aufrichtiger Sprache möglich ist. Auch das ist ein Autor, aus dessen Texten soziale Anteilnahme spricht. „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ von Solschenizyn ist großartig, Hertha Müller gefällt mir und als Österreicher mit Hang zur Eskalation im Text natürlich auch Elfriede Jelinek, diese manische, voranpreschende, harte und punktgenaue Sprache. Das ist mir eigentlich das Wichtigste: sprachliche Ästhetik bzw. ihre Ausreizung als Stilmittel ja, aber nicht nur zur Selbstdarstellung und, gewissermaßen, zur Abgrenzung des Autors gegen den Leser. Das alles ist natürlich rein subjektiv.

Was ich auch loswerden möchte: ich versuche möglichst viele Bücher meiner Autorenkollegen bei duotincta zu lesen, z.B. von Miri Watson, Birgit Rabisch oder Michael Kanofsky – um nur einige zu nennen. Alles sehr empfehlenswert und wann immer ich die Möglichkeit habe, einen Indie-Verlag zu unterstützen, tue ich das. Der trotz der vermeintlichen Vielfalt eingeengten und immer mehr auf Kommerz ausgerichteten Literaturlandschaft tut ein bisschen Farbe gut.

Literatopia: Schreibst Du bereits am nächsten Roman und kannst uns vielleicht schon etwas darüber verraten?

David Misch: Momentan schreibe ich an meinem dritten Roman, die Nr. 2 liegt schon beim Verlag und ich bin optimistisch, dass er 2022 gedruckt werden wird. Dazwischen soll noch ein Erzählband erscheinen, den ich im Frühling fertiggestellt habe. Im zweiten Roman geht es um das Wiener Gemeindebaumilieu und er spielt an den Orten meiner Jugend, hat also wesentlich beträchtlichere pseudo-biografische Anteile. Eine Parallele zu „Schatten über den Brettern“ ist wieder der innere Zwiespalt als zentraler Aufhänger. Mich interessiert als Autor zu diesem Zeitpunkt weniger die mit Handlung erschlagene Geschichte, sondern mehr die innere Reflexion. Die Sprache und der stilistische Aufbau sind allerdings doch wesentlich konkreter, es gibt namentlich genannte Charaktere, mehr umgangssprachliche Dialoge und Lokalkolorit, auch, um das Wienerische einzufangen. Es ist weniger düster, am Ende geht es für fast alle gut aus. Es geht darum, ein Gefühl für den Sozialbau der 1990iger Jahre zu entwickeln, in dem es genauso oder schlimmer zugegangen ist, wie uns das heute oft berichtet wird. Es hat sich bei weitem nicht alles so negativ entwickelt, wie man uns das oft weismachen will.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

David Misch: Ich bedanke mich.


Autorenfoto: Copyright by David Misch

Autorenhomepage: https://davidmisch.at/

Rezension zu "Schatten über den Brettern"


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.