Akram El-Bahay (06.10.2020)

Interview mit Akram El-Bahay

akram el bahay2020Literatopia: Hallo, Akram! Schön, wieder einmal mit Dir zu sprechen. Kürzlich ist mit „Das Schattentor“ der Auftaktband Deiner neuen Urban-Fantasy-Reihe „Ministry of Souls“ erschienen. Was erwartet die Leser*innen in London? 

Akram El-Bahay: Ich nehme euch mit in eine Fantasy-Geschichte, die anfangs im Jahr 1850 in London spielt. Diese Geschichte erzählt von einem streng geheimen Ministerium in der damals hochmodernen Weltmetropole und einem uralten, orientalischen Geschöpf, das einen Weg dorthin gefunden hat.

Und mitten drin steckt der bedauernswerte Jack, ein junger Soulman, der eigentlich nur die Seelen der Toten in die Zwischenwelt transportiert und plötzlich die Welt retten soll. 

Literatopia: Wie können wir uns die Arbeit des Ministry of Souls vorstellen? 

Akram El-Bahay: Im Ministry of Souls geht es darum, Ordnung in das Chaos des Tods zu bringen. Die Seelen der Verstorbenen werden in speziellen Glasphiolen eigesammelt, gelagert und registriert, um schließlich kontrolliert auf die andere Seite in die Zwischenwelt gebracht zu werden. Von dort können sie dann selbstständig ins Jenseits aufbrechen. Außerdem suchen die Soulman, die Agenten im Außeneinsatz, herumstreuende Geister der vergangenen Jahrhunderte. So soll im Herzen der modernen Welt verhindert werden, dass es weiterhin zu geisterhaften Erscheinungen kommt. 

Literatopia: Jack will sich als angehender Soulman beweisen. Was zeichnet seinen Charakter aus? Wo liegen seine Stärken und Schwächen? 

Akram El-Bahay: Er würde sagen, dass seine Unabhängigkeit seine große Stärke ist. Doch im Lauf der Geschichte findet er heraus, dass sie im Grunde seine größte Schwäche ist. Er ist mutig, treu und meistens, also oft zumindest, ehrlich. Er hat sich als Kleinkrimineller durchgeschlagen, ehe er ein Soulman wurde. Also ist er ziemlich kreativ darin, seine Ziele zu erreichen. Aber er arbeitet in der Regel alleine. Und alleine, das findet er im Lauf des Romans heraus, ist er schwach. Dies ändert sich erst, als er auf die orientalische Prinzessin Naima trifft. 

Literatopia: Jack befördert Naima, die Tochter eines Emirs, in die Zwischenwelt. Wie sieht es dort aus? Und wie findet sich Naima in ihr zurecht? 

Akram El-Bahay: Dort ist es, als betrachte man ein Bild, deren feuchte Farben ineinander laufen. Alles ist ziemlich unwirklich. Es gibt keine Gerüche und keine anderen Menschen. Die Zwischenwelt ist der Ort, an den die Toten gehen, um Abschied zu nehmen und ins Jenseits aufzubrechen. Lebende haben dort keinen Zugang – Katzen und Soulmen einmal ausgeschlossen. Naima gehört also nicht in die Zwischenwelt. Mehr noch, ihre Anwesenheit zerstört diese Welt. Sie will diesen Ort also unbedingt verlassen. Alleine kann sie das nicht schaffen. Aber sie bekommt Hilfe von Jack. Und auch noch von einer vorlauten Katze …

Literatopia: Wie viel Orient steckt in „Ministry of Souls“? Und was hat es mit der Katze auf dem Cover auf sich? 

Akram El-Bahay: Da steckt ziemlich viel Orient drin, wenngleich die Haupthandlung des ersten Bandes in London spielt. Naima kommt aus dem (echten) Emirat Ra's al-Chaima. Es gibt einen finsteren Ifriten. Und ein paar Kapitel der Geschichte spielen in einem arabischen Palast (in der Zwischenwelt). Der zweite Teil, an dem ich derzeit schreibe, wiederum führt die Helden des Romans dann in den echten Orient. Und die Katze ist der heimliche Held des Abenteuers. Ich kann und will hier nicht zuviel verraten. Aber ohne den Kater wäre Jack verloren. 

Literatopia: Du hast großen Spaß daran, in Deine Romane Anspielungen auf Deine Helden und Lieblingszitate einzubauen. Was können aufmerksame Leser*innen in „Ministry of Souls“ entdecken? 

Akram El-Bahay: In der Tat machen solche Anspielungen einen wahnsinnigen Spaß beim Schreiben. Ich baue in alle meine Romane kleine Hinweise auf meine Vorbilder ein. In „Ministry of Souls“ kann man, wenn man mehr oder weniger genau hinsieht, Anspielungen finden auf: Harry Potter. Asterix. Star Wars. 1001 Nacht. Der Zauberer von Oz. Und Terry Pratchett. Er hat sogar eine eigene Rolle im Roman. 

Literatopia: Für den zweiten Band von „Ministry of Souls“ nutzt Du zum ersten Mal Papyrus. Welche Vorteile bietet das Programm für Autor*innen? 

Akram El-Bahay: Ich habe bislang mit Word geschrieben. Das hat gut funktioniert. Aber ich musste viel Zeit investieren, um meine Charaktere im Auge zu behalten. Den Plot nicht aus den Augen zu verlieren. Bestimmte Stellen im Text wiederzufinden, um zu überprüfen, ob sie mit anderen in Einklang stehen. Und um diese Zeit ganz den geschriebenen Worten zukommen zu lassen, habe ich mir für diesen Roman diese spezielle Autorensoftware zugelegt. Ein paar Kapitel habe ich damit schon geschrieben und kann sagen: Es macht vieles einfacher. Orte, Figuren, Gegenstände lassen sich schnell im Text wieder finden, und ich kann sie immer im Blick behalten. Das Programm hilft dabei, den Text gut zu strukturieren. Es macht wirklich Spaß und lässt mich bei der Arbeit den Fokus einzig auf die Geschichte zu legen. 

Literatopia: Bei Ueberreuter hast Du in den letzten Jahren vier Jugendbücher veröffentlicht. Worauf achtest Du, wenn Du für ein jüngeres Publikum schreibst? 

Akram El-Bahay: Es gibt natürlich keine brutalen Kämpfe. Die Helden sind selbstverständlich jünger. Und die Geschichten setzen ein höheres Maß an Fantasie bei den LeserInnen voraus. Kinder und Jugendliche lassen sich viel leichter auf eine Geschichte ein als die meisten Erwachsenen. Man muss sie nicht erst mit Kniffen in eine Zauberwelt locken. In den Jungendbüchern geht es weniger um das Drumherum, sondern viel mehr um den Kern der Erzählung selbst. Worauf ich besonders achte ist, keine expliziten Botschaften in der Art einer Handlungsanweisung einzubauen. Ich freue mich, wenn die LeserInnen ihren Kopf benutzen und sich mit Themen oder Standpunkten, die ich in den Jugendbüchern einbaue, selbstständig und kritisch auseinandersetzen. 

Literatopia: Als Biologe achtest Du darauf, dass Flora und Fauna in Deinen Geschichten zueinander passen. Hättest Du da Beispiele? 

Akram El-Bahay: Ich muss gestehen, dass ich den Fokus mehr auf die korrekten Gerichte auf dem Esstisch und weniger auf die richtigen Pflanzen am Wegesrand lege (weil ich leidenschaftlich gerne koche). Aber natürlich passen alle Gewächse in meinen Romanen immer in die jeweilige Region. In „Ministry of Souls“ taucht Naimas Lieblingsgarten auf. Alle Bäume dort könnte es auch in ihrer Heimat Ra's al-Chaima geben. Und bei einer Szene in London habe ich mit Google Streetview versucht, die richtigen Bäume am Ort des Geschehens zu identifizieren. Ich hoffe, so ähnliche standen auch 1850 dort …

Literatopia: Bisher hast Du Dich in verschiedenen Spielarten der Fantasy ausprobiert – könntest Du Dir auch vorstellen, Science Fiction zu schreiben, vielleicht basierend auf Deinem Wissen als Biologe? 

Akram El-Bahay: Tatsächlich schlummert da eine Idee über eine Geschichte, die sich um das Thema Träume in der Science Fiction dreht. So eine große Abenteuergeschichte mit Raumkämpfen, Flucht, Widerstand und Heldentaten (sehr inspiriert durch Kampfstern Galactica und die alten Star Wars Filme). Aber noch habe ich nicht die richtige Geschichte für alles beisammen. Da muss ich noch mehr nachdenken. 

anouks spielLiteratopia: Kürzlich hast Du beim Drachenwinkel online im Livestream gelesen. Wie kam die Lesung an? War auch Publikum vor Ort? 

Akram El-Bahay: Das hat viel Spaß gemacht. Ich lese am liebsten vor Menschen und nicht vor einer Webcam. Publikum war im Drachenwinkel unter Beachtung der örtlichen Auflagen und gemäß dem genehmigten Hygienekonzept erlaubt. Dies bedeutete natürlich auch, dass weniger ZuschauerInnen als üblich dabei waren. Daher gab es den Livestream. Die Kamera vor der Nase habe ich ausgeblendet. Die Reaktionen vor Ort waren wie immer sehr schön. Und auch im Netz kam es gut an. Zumindest deuten die Kommentare der ZuschauerInnen daraufhin. Ich fand diese Möglichkeit also sehr gut. Allerdings freue ich mich schon auf den Tag, an dem es die Rahmenbedingungen erlauben, wieder ohne Einschränkung vor Publikum zu lesen. Wenn dann auch eine Kamera da herumsteht, würde mich das nicht stören. 

Literatopia: Zum Schluss noch die Frage: Welches Buch hat Dich zuletzt richtig begeistert? 

Akram El-Bahay: Ganz klar: Der Erzähler der Nacht von Rafik Schami. Definitiv der beste orientalische Erzähler! 

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview! 


Autorenfoto: Copyright by Julia Reibel

Interview mit Akram El-Bahay (September 2015)

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"Die Nächte in 1001 Versionen" (Artikel von Akram El-Bahay in PHANTAST #19)


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.