Die 13 Gezeichneten - Mutter-Entität (Christian Vogt)

Herausgeber: Vogt&Vriends (Oktober 2020)
eBook, 65 Seiten, 0,99 EUR (später 2,99 EUR)

Genre: Steamfantasy


Klappentext

Klasse: Investigator
Instanz: 17
Motorik … initialisiert.
Linsensystem … initialisiert.
Verbindung zur Mutter-Entität … stabil.

Eine Wissenschaftlerin in Sygna, der Stadt der Zeichen. Ein mathematisches Bewusstsein in Luciwa, der Stadt der Hundert Inseln. Sie ahnen nichts voneinander, sind aber beide derselben, weltumspannenden Verschwörung auf der Spur.


Rezension

Siebzehn ist eine Instanz der Investigatorenklasse und wurde beauftragt, bei einem Einbruch und Kunstraub in Luciwa, der Stadt der Hundert Inseln, zu ermitteln. Um zu kommunizieren und bewegungsfähig zu sein, nutzt die Instanz einen spinnenähnlichen, mechanischen Körper, allerdings hasst sie es, als Spinne bezeichnet zu werden. Exekutiv-Justiziarix Ayo leitet die Ermittlungen und betrachtet Siebzehn als eine Art Homunkulus. Die Instanz selbst beschreibt sich als Aufleuchten und Vergehen tausender Lichtimpulse und ist Teil einer Mutter-Entität, quasi ein intelligentes Programm in einer Differenzmaschine, deren Entwicklung mit Hilfe magischer Zeichen möglich war. Siebzehn ist mit Ayo nicht sonderlich zufrieden, da er sich respektlos verhält, aber den Auftraggeber kann man sich nun einmal nicht aussuchen. Während ihrer Ermittlungen stößt Siebzehn auf eine Verschwörung – und auf die Wissenschaftlerin Kumari, die in Sygna seltsame Linien auf Photographien untersucht …

“Mutter-Entität“ ist eine Novelle aus der Welt der „13 Gezeichneten“ und spielt ein Vierteljahrhundert nach den Ereignissen der Trilogie. Entsprechend lässt sie sich auch ohne Vorkenntnisse lesen, wobei man teils gespoilert wird, sollte man die Trilogie noch lesen wollen. Da die Novelle später spielt, erfährt man natürlich, wie die Geschichte damals ausgegangen ist. Die Welt hat sich allerdings sehr verändert und insbesondere technologisch weiterentwickelt, sodass aus der Gunpowder-Fantasy nun Steamfantasy geworden ist. Die Novelle ist aus der Sicht von Siebzehn geschrieben, es gibt hier also jede Menge steampunkigen Technobabble. Die Instanz hat übrigens kein Geschlecht und wurde kurz vor Beginn der Handlung erst „geboren“. Sie hält sich selbst für ein autonomes Programm, doch wie genau diese Technologie funktioniert, weiß sie auch nicht. Menschen mag sie nicht besonders, allerdings wirkt sie durch ihren leicht ironischen Erzählstil menschlicher als sie möchte.

Kumari studiert an der neugegründeten Universität in Sygna und geht in ihrer Forschung voll auf. Für ihre Studien nutzt sie die Photographie, eine neuartige Technologie, die mysteriöse Linien in Sygna sichtbar macht. Kumari sucht nach dem Ursprung dieser Linien und findet sie im Bleiberg. Ihre Lebensgefährtin Li-Zah ist alles andere als begeistert, als Kumari in die Katakomben unter der Stadt steigen will, um herauszufinden, wo der Ursprung der Linien liegt. Doch zähneknirschend unterstützt sie sie und nutzt ihre Kontakte, um Kumari eine geheime Expedition in den Bleiberg zu ermöglichen. Die beiden Frauen ergänzen sich gut und gleichen gegenseitig ihre Schwächen aus, wobei man gerne mehr über sie erfahren und am Ende ihre Wege noch weiterverfolgt hätte.

Auch wenn Vorkenntnisse nicht zwingend notwendig sind, so dürften sie den Lesespaß maßgeblich erhöhen. Für Kenner der Trilogie reicht die Erwähnung des Bleibergs aus, um Assoziationen an dunkle Kreaturen und finstere Schatten zu wecken. Sofort kommt eine unheilvolle Stimmung auf, die neuen Leser*innen entgehen könnte. Zudem sind hier sehr viele Namen und Begriffe aus der Welt der „13 Gezeichneten“ enthalten, die erschlagen können, wenn man sie noch nicht kennt. Inklusive der komplexen Zeichenmagie, die sich auf den wenigen Seiten nicht durchschauen lässt. Hinzu kommt die teils sehr technische Ausdrucksweise von Siebzehn, die selbst Genrefans fordern dürfte. Dafür ist das Konzept der Steampunk-KI einfach unheimlich cool. Als sich in der zweiten Hälfte die Puzzleteile nach und nach zusammenfügen, kommt richtig Schwung in die Geschichte, die so manche Überraschung parat hält.

“Mutter-Entität“ hat Christian Vogt alleine geschrieben und wer ganz genau hinschaut, wird feine Unterschiede entdecken. Die Trilogie hatte mehr emotionale Kraft als diese Novelle, was teils am Stil aber vor allem an der Komplexität der Handlung liegt. Mit 65 Seiten ist „Mutter-Entität“ einfach zu kurz und wer Gefallen daran gefunden hat, verhungert quasi am ausgestreckten Arm. Hier gibt es so vieles, über das man gerne mehr gelesen hätte. Für Fans der „13 Gezeichneten“ ist „Mutter-Entität“ eine wunderbare Ergänzung und vielleicht (hoffentlich) überlegt sich der Autor, weitere Novellen in diesem Setting zu schreiben. Gerne würde man mehr über die Veränderungen in Sygna lesen, aber auch über andere Orte wie die Stadt Naronne oder die anderen Reiche, die immer nur kurz erwähnt wurden.


Fazit

”Mutter-Entität“ vollzieht den Wandel von der Gunpowder-Fantasy zum Steampunk. Die Novelle ist eine tolle Ergänzung der Trilogie um die „13 Gezeichneten“ und gewährt spannende Einblicke in eine Zeit, in der Zeichenmagie und Industrialisierung technische Wunderwerke wie die Instanz Siebzehn hervorbringen. Leider ist sie recht kurz geraten, über ein steampunkiges Sygna müsste man glatt neue Romane schreiben!


Pro und Contra

+ die Welt der „13 Gezeichneten“ hat sich weiterentwickelt
+ Steampunkflair durch Industrialisierung
+ spannendes Konzept der Steampunk-KI Siebzehn
+ ironische, unterhaltsame Erzählweise
+ Kumaris Forscherdrang
+ Photographie und Telegraphie mit Magie
+ selbstverständliche Diversity
+ cooles, zur Trilogie passendes Cover

- zu kurz / man hätte gerne mehr von Luciwa und dem neuen Sygna gesehen
- die schnelle Bindung zwischen Kumira und Siebzehn ist schwer nachvollziehbar

Wertungsterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Christian Vogt, Die 13 Gezeichneten, Steampunk, Novellen