Kaleidra - Wer das Dunkel ruft (Kira Licht)

Lübbe one (Oktober 2020)
Hardcover, 560 Seiten, 17,00 EUR
ISBN: 978-3-8466-0108-2

Genre: Urban Fantasy / Jugendbuch


Klappentext

“Wir waren zu mächtig, um Feinde zu sein.
Wir waren dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus den Angeln zu reißen.“

Wenn die 17-jährige Emilia eines liebt, dann sind es Rätsel. Als sie bei einem Museumsbesuch das sagenumwobene Voynich-Manuskript lesen kann, spürt sie, dass sie einem unglaublichen Mysterium auf der Spur ist – denn das Dokument gilt als eines der größten, nie entschlüsselten Geheimnisse der Menschheit. Dann trifft sie auf den attraktiven, aber sehr verschlossenen Alchemisten Ben, und die Ereignisse überschlagen sich: Emilia ist die Nachfahrin des uralten Silberordens! Schnell gerät sie ins Kreuzfeuer rivalisierender Geheimlogen, und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …


Rezension

Emilia liebt Naturwissenschaften und vor allem Rätsel. Sie erkennt Muster, wo andere nur Chaos sehen. Trotzdem überrascht es sie, als sie bei einem Museumsbesuch im legendären Voynich-Manuskript lesen kann, während alle anderen nur seltsame, unverständliche Zeichen sehen. Die lyrischen Sätze des Manuskripts ergeben zwar keinerlei sind, doch sie erkennt jedes Wort. Emilias Neugier ist geweckt und so will sie nach dem Schulausflug nochmal zurück ins Museum, wo sie auf den wortkargen Ben trifft. Er will unbedingt mit ihr reden, doch seine düstere Aura und sein Befehlston treiben Emilia zur Flucht. Sie ahnt nicht, dass Ben ein Alchemist des Goldordens ist – und sie selbst eine Alchemistin des Silberordens. Erst als sie vor ihrer Wohnung von Quecksilberalchemisten angegriffen wird, erkennt Emilia, welche Kräfte in ihr schlummern. Sie erhält fortan Schutz von den Goldalchemisten, die sie für die Übersetzung des Voynich-Manuskripts und das Auffinden alchemistischer Bausteine brauchen …

“Kaleidra – Wer das Dunkel ruft“ ist romantische Urban Fantasy für Jugendliche, allerdings nicht mit verfeindeten Magiern, sondern mit Alchemisten, deren Kräfte auf Naturwissenschaften beruhen (und für die Lesenden trotzdem magisch sind). Sie unterteilen sich in drei Logen: Gold, Silber und Quecksilber, wobei jeder Alchemist je nach Logenzugehörigkeit vier weitere Astralelemente besitzt. Sie kämpfen nicht mit flirrender Energie, sondern beeinflussen die Elemente und führen Reaktionen herbei. Zudem können sie einen sogenannten großen Ouroboros beschwören, der die Gestalt einer riesigen Schlange hat und die Alchemisten schützt und stärkt. Zum Reisen nehmen sie den Stein der Weisen, der sie in Sekundenschnelle tausende Kilometer weit teleportieren kann. Kira Lichts Darstellung der Alchemie beruht sowohl auf der Verbindung moderner Naturwissenschaften mit mystischen Kräften, als auch auf alchemistischen Mythen wie dem „Wasser des Lebens“.

Die Alchemie ist das, was „Kaleidra“ von anderen Jugendfantasy-Reihen abhebt, doch es erscheint oftmals so, als wären lediglich Zauberer mit Alchemisten getauscht worden. Der Roman bedient diverse Klischees, zum Beispiel das der verbotenen Liebe und des düsteren, bevormundenden Love Interests. Ben ist wortkarg, als Sicherheitschef seiner Loge pflegt er einen strengen Befehlston und er macht Emilia regelmäßig nieder, bezeichnet sie als Nervensäge und stellt sie als dumm und naiv hin. Um sie vor den Quecksilberalchemisten zu schützen, beobachtet er sie und bleibt in ihrer Nähe, was einerseits Sinn macht, andererseits doch etwas an Stalking erinnert. Kira Licht bedient sich damit der toxischen Strukturen, die in der Jugendfantasy zu oft romantisiert werden, und so wird Bens teils problematisches Verhalten als Ausdruck von Sorge und Zuneigung umgedeutet. Es wäre schöner gewesen, wenn Ben Emilia von Anfang an ernster nimmt, ihr mehr erklärt und sie fördert, statt über sie zu bestimmen und ihre Fragen zu ersticken. Immerhin geht er in der zweiten Romanhälfte mehr auf sie ein. Dass die Annäherung der beiden sich über den ganzen Roman hinzieht, ist früh zu erahnen und erfüllt nur ein weiteres Genreklischee.

Emilia ist durchaus schlagkräftig und sagt Ben offen die Meinung. Sie will sich nicht herumkommandieren lassen und verlangt nach Erklärungen. Leider fügt sie sich am Ende meistens doch, wenn auch erst nach hitzigen Wortgefechten. Ihre Liebe zu Naturwissenschaften, insbesondere Mathematik, ist glaubhaft und der Roman enthält jede Menge Nerdwissen. Gerade weil Emilia so eine kluge junge Frau ist, die aus ärmlichen Verhältnissen kommt und sich schon oft behaupten musste, hätte man sich gewünscht, dass sie auch entsprechend handelt. Die Goldloge besteht neben Ben aus mehreren jungen, hochtalentierten Leuten, die Emilia überwiegend freundlich und respektvoll behandeln. Hier entwickeln sich auch Freundschaften, doch insgesamt kommen die Nebencharaktere zu kurz. Dazu gehören auch Emilias Freunde, die natürlich nichts von den Alchemisten wissen dürfen.

Der Silberorden hingegen ist deutlich schlechter organisiert als die anderen beiden und sein Meister steht Emilia kritisch gegenüber – woher seine Abneigung kommt, erfährt man im ersten Band noch nicht. Überhaupt arbeitet Kira Licht viel mit Anspielungen, die sie erst (viel) später wieder aufgreift. Die Antagonisten, Mitglieder des Quecksilberordens, sind wandelnde Klischees: Sie sehen aus wie fiese Rockstars, machen anzügliche Bemerkungen und tauchen nach anfänglichen Kämpfen beinahe vollständig ab, um am Ende noch gemeiner zurückzukehren. Laut Goldorden sind die „Quecks“ böse, größenwahnsinnig und wollen die Weltherrschaft an sich reißen. Vielleicht bekommt man im zweiten Band noch eine andere Sichtweise geboten.

Die Handlung schwankt zwischen dem Aufbau von Beziehungen, Trainigseinheiten und der Suche nach alchemistischen Bausteinen, die im Stil von „The Da Vinci Code“ erzählt wird. Emilia und Ben reisen an verschiedene, historisch bedeutsame Orte, entdecken dort merkwürdige Muster in Kacheln, spüren ihren Elementen nach, finden Geheimgänge und lösen Rätsel mit Statuen. Das liest sich durchaus spannend, doch meist finden Emilia und Ben zu schnell, was sie suchen. Zum Ende hin überrascht die Autorin mit einer Wendung, die man kaum kommen sehen konnte und schürt damit Spannung für den zweiten Band, der sich hoffentlich mehr auf die Stärken der Geschichte, die Rätsel und die Naturwissenschaften, konzentriert.


Fazit

„Kaleidra – Wer das Dunkel ruft“ greift mit der Alchemie ein noch recht unverbrauchtes Thema in der Jugenfantasy auf und inszeniert diese mystisch und mit großer Begeisterung für Naturwissenschaften. Emilia ist eine schlagfertige, liebenswerte Protagonistin, während Ben leider das Klischee des düsteren Helden mit Befehlston ist. Überhaupt enthält der Roman zu viele Genreklischees, bietet aber auch interessante Rätsel und jede Menge Nerdwissen.


Pro und Contra

+ mystische Alchemie
+ Begeisterung für Naturwissenschaften
+ Emilia ist klug und schlagfertig
+ gelungener Twist mit Cliffhanger
+ wahnsinnig schönes, düsteres Cover

- zu viele Genreklischees
- Bens toxisches Verhalten
- Rätsel werden oft zu schnell gelöst

Wertungsterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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Tags: Kira Licht, Alchemie, Jugendfantasy