Der Malteser Falke (Dashiell Hammett)

hammett malteser

Kampa, 2020
Originaltitel: The Maltese Falcon (1930)
Übersetzung von pociao
Gebunden, 336 Seiten
€ 24,00 [D] | € 24,70 [A] | CHF 32,50
ISBN 978-3-311-12021-6

Genre: Kriminalroman


Rezension

Dashiell Hammett (1894-1961) arbeitete bei der Eisenbahn, wurde Detektiv bei Pinkerton und diente als Soldat im Ersten Weltkrieg. Er gründete eine Familie, die er mit den Honoraren aus dem Verkauf von Kurzgeschichten an Pulp Magazines ernährte, die in den 1920er Jahren sehr beliebt waren. Mit seinem dritten Roman, The Maltese Falcon (1930) und dessen Hauptfigur Sam Spade, schuf Hammett den archetypischen Detektiv des Hardboiled-Kriminalromas.

San Francisco 1941: Die umwerfend aussehende Miss Wonderly wendet sich an die Detektei von Sam Spade und Miles Archer: Ihre Schwester Corinne sei mit dem zweifelhaften und gefährlichen Floyd Thursby durchgebrannt. Sie möchte, dass die Detektive Corinne finden und zu den Eltern nach New York zurückbringen. Archer übernimmt den Auftrag und beschattet Thursby, um Corinnes Versteck in Erfahrung zu bringen. In der Nacht wird er an der Ecke Bush und Stockton Street erschossen. Spades Verdacht fällt auf Thursby, denn die Webley ist eine englische Waffe und Miss Wonderly hatte erwähnt, dass Thursby Familie in England hat. Aber es macht ihn stutzig, dass der erfahrene Archer sich von seinem Mörder überraschen ließ und nicht einmal den Versuch machte, seine Waffe zu ziehen.

Spade versucht, Miss Wonderly im Hotel zu erreichen, doch sie ist ohne Adresse abgereist. Thursby wird vor seinem Hotel erschossen, die Polizei verdächtigt Spade, den Mord begangen zu haben, um Archers Tod zu rächen. Spade hat kein Alibi, die Polizisten aber haben keine Beweise. Am nächsten Morgen erscheint Archers Witwe Iva in Spades Büro. Sie weint und wirft sich ihm an den Hals. Sie glaubt, dass er Archer umgebracht hat, um sie zu heiraten. Spade lacht sie aus und schickt sie nach Hause.

Miss Wonderly meldet sich wieder. Sie wohnt nun in den Coronet Apartments, California Avenue, Zimmer 1001, unter dem Namen Miss LeBlanc. Als Spade bei ihr eintrifft ist sie überaus nervös. Sie verrät, dass sie Brigid O'Shaughnessy heißt und die Geschichte mit der Schwester ein Märchen war. Später bekommt Spade Besuch von dem parfümierten Joel Cairo, der ihm 5000 Dollar für die Beschaffung einer bestimmten schwarzen Falken-Statue bietet. Spade versucht herauszufinden, wie diese Dinge zusammenhängen und Licht in das zunehmend komplexe dunkle Informationsnetz zu bringen.

Mit Der Malteser Falke gelang Hammett der Durchbruch. Der Roman ist zugleich unterhaltsam und düster. Sam Spade ist ein guter, hart arbeitender Detektiv. Er ist vor allem deshalb gut, weil er Realist und kein Träumer ist. Sentimentalitäten, Gefühle und Romantik weist er von sich. Die Welt, in der Spade lebt, ist korrupt, verlogen, gewalttätig, unsicher und falsch - so wie der Falke eine Fälschung ist. Spade ist gefangen in dieser Welt und passt sich ihr an, um zu überleben. Doch diese Anpassung ist von besonderer Natur.

Man mag in Spade einen unsympathischen, skrupellosen, herzlosen, gierigen Menschen sehen, der keinen Deut besser ist als die Gangster, mit denen er zu tun hat. Tatsächlich berührt ihn Archers Tod nicht sichtbar. Er sieht sich nicht einmal mehr die Leiche seines Partners an, und einen Tag nach dessen Ermordung lässt er dessen Schreibtisch aus dem Büro schaffen und "Spade und Archer" an den Türen durch "Samuel Spade" ersetzen.

Kaltblütig mutet auch seine Idee an, der Polizei einen Sündenbock zu liefern. Am Ende dann, als er die ganze Geschichte kennt, liefert er die geliebte Frau der Polizei aus. Er lässt eben nichts zwischen sich und den Fall kommen. Spade provoziert und beleidigt, ist zynisch und gewalttätig. Er trinkt zuviel und hat keine Freunde. Ihm gegenüber loyal scheint nur seine in ihn verliebte Sekretärin Effie, die alles für ihn tun würde. Spade erträgt die Welt und überlebt in ihr, weil er seinem selbstauferlegten Ehrenkodex folgt, weil er die Wahrheit zu ergründen versucht unter all den Lügen, weil er auf sich selbst vertraut.

Spade ist - auch wenn er Boshaftigkeit und Geldgier, Brutalität und Korruptheit glaubhaft nach außen hin zur Schau stellt - eine moralisch integre Figur. Allein seine Existenz verleiht dieser düsteren Welt einen kleinen Hoffnungsschimmer. Spade gibt sich nur deshalb als Schurke, weil er glaubhaft vermitteln will, er sei zu allem fähig. Nur so kann er schlussendlich die Schurken zur Strecke bringen. In der Welt des Noir kann niemand sauber bleiben und zugleich überleben. Am Ende hat Spade nichts gewonnen, aber er hat sein Leben gerettet und die Schurken der gerechten Bestrafung zugeführt.

Die Originalfassung The Maltese Falcon wurde ab September 1929 im Pulp Magazine Black Mask als Serial veröffentlicht, bevor sie im Februar 1930 als Buch herauskam. Der Roman erschien 1951 im Nest-Verlag und 1967 bei Goldmann in der Übertragung von Peter Fischer, 1974 bei Diogenes und 1978 bei Volk und Welt in der Übersetzung von Peter Naujack, darüber hinaus in einigen Lizenzversionen der vorstehenden Übersetzungen. Die aktuelle Neuübersetzung von pociao ist seit September 2020 bei Kampa erhältlich. Es gibt mehrere Verfilmungen, von denen John Hustons aus 1941 mit Humphrey Bogart heute ein Klassiker des Film Noir ist.


Fazit

Der Malteser Falke gehört zu den Klassikern des hard-boiled Detektivromans und gilt als stilbildend. Aus heutiger Sicht wirkt Sam Spade wie ein Anachronismus, ein Mann aus einer längst vergangenen Zeit. Die Story ist intelligent. Die Charaktere werden in vielfältigen Grauschattierungen durch clevere Dialoge entwickelt.


Pro und Kontra

+ kanonischer Noir
+ die Femme fatale Brigid O’Shaughnessy ist das Modell für Generationen vergleichbarer Figuren
+ eine Welt wie ein mit grauen Wolken verhangener Himmel
+ Sprache und Atmosphäre sind herausragend

Wertung:sterne5

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5

Tags: Noir, Mystery, Dashiell Hammett, Hardboiled-Kriminalroman