Beowulf – a new translation (Maria Dahvana Headley)

MCDxFSG Originals (2020)
Paperback
176 Seiten, 13,10 EUR
ISBN: 978-0-374-1103-1

Genre: Heldenepos


Klappentext

A man seeks to prove himself as a hero. A monster seeks silence in his territory. A warrior seeks to avenge her murdered son. A dragon ends it all.

Nearly twenty years since the last major translation of "Beowulf", here is a radical new verse translation of the epic poem, which brings to live elements that have never before been rendered into modern English. Maria Dahvana Headley’s version transforms the story we know of monsters versus heroes into a tale in which those two categories entwine, in which justice is rarely served, and in which dragons live among us.

While researching her translation of "Beowulf", Headley unearthed significant shifts in the understanding of the poem over the centuries, discovering lost nuances and long-ignored dynamics. The result is that the familiar elements of the epic poem are seen with a fresh eye toward gender, genre, and history."Beowulf"has always been a tale of entitlement and encroachment – powerful men seeking to become more powerful, and one woman seeking justice for her child – bit this telling brings new context to an old story.


Rezension

„Beowulf“ ist ein etwa tausend Jahre altes, ursprünglich in Alt-Englisch geschriebenes Versepos, das die Geschichte des Kriegers Beowulf erzählt. Dieser kommt König Hrothgar zu Hilfe, als dessen Festhalle Nacht für Nacht von dem nahezu unverwundbaren Grendel heimgesucht wird. Er besiegt Grendel, muss sich jedoch auch dessen Mutter, und später, als alter Mann und König, einer neuen Bedrohung stellen. Der Fokus des Epos ändert sich immer wieder, verändert sich immer wieder – wir erhaschen einen Einblick darin, wie sehr Grendel unter dem Lärm der Feiernden leidet, und erfahren in unzähligen eingebetteten Geschichten mehr über die Geschichte von Figuren und Ländern. Es handelt sich in vieler Hinsicht um eine phantastische Geschichte – Drachen setzen das Land in Brand, und Helden kämpfen unter Wasser mit magischen Schwertern. Trotzdem fühlt sie sich ein wenig wie ein Fenster an, das einen faszinierenden Einblick in die Ideen einer vergangenen Welt liefert.

Wenig überraschend wurde das Versepos gleich mehrfach übersetzt, u.a. von Seamus Heaney und J.R.R. Tolkien. Im lesenswerten Vorwort zu ihrer Übersetzung geht Headley auf diese vielen Übersetzungen ein und darauf, wie jede davon ihre ganz eigene Interpretation der Figuren liefert. Besonders fasziniert ist sie dabei von Grendels Mutter, die in verschiedenen Übersetzungen monströs erscheint, während der Originaltext jedoch auch Übersetzungen erlaubt, die sie respekt- und angsteinflößend, aber noch menschlich erscheinen lassen. Insgesamt hat Headley einen spannenden Ansatz gewählt: Sie nimmt sich einige Freiheiten von der ursprünglichen Vers-Struktur und benutzt z.B. Enjambements, die es im Original nicht gab, aber behält teilweise auch die archaische Wortwahl bei, benutzt Alliterationen und Kennings (für altenglische Dichtung typische Umschreibungen wie „Walstraße“ statt „Meer“).

Ihre auffälligste Entscheidung ist es, in diesen archaisch anmutenden Text, der ein wenig Geduld und Vorwissen erfordert, auch sehr moderne Sprache einzustreuen. So übersetzt sie das Wort „Hwæt“, mit dem das Versepos beginnt und in der Vergangenheit z.B. mit „Listen“, „Lo“ oder „So“ übersetzt wurde, als „Bro!“ Oft ergeben sich durch die Entscheidung für bestimmte Wörter, die ihre Wurzel in damals noch nicht existenten Entwicklungen haben (z.B. „Hashtag: blessed“ oder „RSVP“) oder einfach sehr modern und wenig gehoben klingen („Meanwhile, Beowulf gave zero shits“) Anachronismen, über die ich beim Lesen mehrfach gekichert habe. Auf der anderen Seite enthält der Text nach wie vor Wörter wie „Wyrd“ (Schicksal) oder „Scop“ (Dichter/Geschichtenerzähler), die mir bisher nur im Rahmen von Uni-Seminaren und einigen sehr nerdigen Recherchen begegnet sind, und ist daher nicht so leicht zugänglich, wie es einige der umgangssprachlicheren Zeilen nahelegen.

Headleys Entscheidung für diese Wortwahl lässt den Text lebendiger und mündlicher erscheinen – ich persönlich habe mir einen aufgeregten Erzähler vorgestellt, der versucht, seinen Bros in der gehobenen Sprache eines Versepos die Geschichte eines Helden zu erzählen, aber immer wieder in Umgangssprache zurückfällt und z.B. Grendel als „woe-walker […] fucked by fate“ bezeichnet. Apropos Grendel: Ich war überrascht, wie viel Mitgefühl ich mit dem „Monstern“ dieser Geschichte hatte.

Für mich hat dieser Kontrast zwischen moderner und archaischer Sprache ganz gut funktioniert und andere Stellen fand ich wiederum sehr poetisch, aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass die Übersetzung nicht für jeden funktioniert. Eine Sorge, die ich habe, ist, dass das Buch sich wahrscheinlich schon in ein paar Jahren nicht mehr aktuell anfühlen wird, einfach, weil einige der gewählten Wörter extrem kurzlebig sein dürften und sich kaum etwas älter anfühlt als der Jugendslang von gestern. Aber so lange das noch nicht passiert ist, ist Headleys Beowulf-Übersetzung definitiv der Lektüre wert.


Fazit

„Beowulf – a new translation“ liest sich teilweise archaisch-atmosphärisch, teilweise extrem modern, was zu manchmal lustigen Kontrasten führt, liefert aber auch spannende Neuinterpretationen des Epos. Die ungebräuchlichen und schwierigen Aspekte, die aus dem Original beibehalten wurden, dürften einige Lesende abschrecken und ich kann mir auch gut vorstellen, dass andere keine „Bros“ und „Bosses“ in ihren Heldenepen wollen. Ich persönlich habe die Übersetzung aber mit Spaß und Interesse gelesen und würde sie bei Gelegenheit gerne mit anderen vergleichen.


Pro- und Contra

+ atmosphärisches Versepos über dramatische Ereignisse
+ fühlt sich beim Lesen lebendig und mündlich an
+ Einblick in alte literarische Tradition
+ neue Perspektive auf die Monster und Menschen des Epos

- moderne Umgangssprache könnte sehr schlecht altern

Wertung: 

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3,5/5