Ministry of Souls - Das Schattentor (Akram El-Bahay)

Bastei Lübbe (September 2020)
Paperback, 348 Seiten, 16,00 EUR
ISBN: 978-3-404-20965-1

Genre: All-Age-Fantasy / Gaslicht-Fantasy


Klappentext

"London, 1850: Unbemerkt von der Öffentlichkeit sorgt das Ministerium für endgültige Angelegenheiten dafür, die Seelen Verstorbener in die Zwischenwelt zu befördern. Der angehende Soulman Jack will sich endlich im Außeneinsatz beweisen. Sein erster Auftrag führt ihn ausgerechnet auf das Gelände des Buckingham Palace. Dort wurde eine arabische Gesandtschaft ermordet. Jack soll den Tatort von ihren Geistern befreien – und entdeckt, dass Naima, die Tochter des Emirs, noch lebt.

Als er ihr helfen will, wird er von einem schattenartigen Biest angegriffen. Um Naima zu schützen, befördert Jack sie kurzerhand in die Zwischenwelt! Und bricht damit eine der wichtigsten Regeln der Soulmen. Doch nicht genug: Bevor er sie zurückholen kann, schließt sich das Tor! Jack muss Naima unbedingt zurückholen, sonst droht nichts Geringeres als das Ende der Welt.


Rezension

Der ehemals Kleinkriminelle Jack genießt dank seines Talents, die Geister Verstorbener sehen zu können, eine richtige Ausbildung – und zwar zum Soulman beim Ministerium für endgültige Angelegenheiten. Er soll Geister einfangen und in die Zwischenwelt bringen, damit sie von dort aus weiterziehen und nicht in der Welt der Lebenden herumspuken. Um endlich ein richtiger Soulman zu werden, muss Jack den Geist einer älteren Dame einfangen, die ihre Scherze mit ihm treibt. Als sie ihm wieder einmal entwischt, rechnet er schon nicht mehr damit, jemals zu einem richtigen Außeneinsatz geschickt zu werden. Da erschüttert ein Anschlag London und die Soulmen haben alle Hände voll zu tun. Als auch noch arabische Staatsgäste ermordet werden, ist Jack der einzige, der noch im Ministerium ist und sich darum kümmern kann. Vor Ort trifft er seltsamerweise nur auf einen Geist – und auf eine Lebende! Prinzessin Naima ist bewusstlos, aber atmet noch. Um sie vor einem angreifenden Schatten zu retten, bringt er sie in die Zwischenwelt – und verliert sie dort …

„Das Schattentor“ ist der Auftaktband zu „Ministry of Souls“ und verbindet den Charme der viktorianischen Zeit mit orientalischer Mythologie. Das Wissen um die Zwischenwelt haben die Engländer in ihren Kolonien im Orient erworben und während sie dieses Wissen nutzen, bezeichnen sie die Völker dort als „wild“ und „unzivilisiert“. Akram El-Bahay bringt kritische Töne zur Kolonialzeit ein und zeigt die Doppelmoral des Empires, das sich selbst als überlegen sieht. Auch das kleine Emirat von Prinzessin Naima wurde von den Engländern erobert, doch ihr Vater antwortete nicht mit Gegengewalt. Stattdessen hat er nach einem Weg gesucht, mit den Besatzern Frieden zu schließen, um sein Volk vor weiterer Gewalt zu schützen. Andere reagieren mit Rache und Terror, sodass London immer wieder von Anschlägen erschüttert wird, was die Soulmen von der wahren Gefahr ablenkt: Ein Ifrit will in die Welt der Lebenden zurückkehren und sie beherrschen.

Jack beschönigt zunächst seinen Bericht im Ministerium und bemüht sich, die ganze Sache zu vertuschen, gleichzeitig versucht er herauszufinden, was mit Naima geschehen ist. Womit er nicht gerechnet hat: Die Anwesenheit einer Lebenden in der Zwischenwelt führt dazu, dass sie allmählich zerfällt. Die Zeit drängt und Jack wächst allmählich alles über den Kopf. Eigentlich ist er ein guter Kerl, doch aufgrund seiner Vergangenheit ist er ein Einzelgänger, dem es schwer fällt, Fehler einzugestehen und um Hilfe zu bitten. Entsprechend ist es fast schon zu spät, als er Rat bei Archivar Oz sucht. Jack hält den unsicheren, jungen Mann für einen Streber, doch im Verlauf der Handlung werden die beiden Freunde – wobei Oz auf unschöne Weise in Jacks Problem mit der Zwischenwelt und dem Ifrit verwickelt wird. Doch er erhält auch besondere Fähigkeiten, gewinnt an Selbstbewusstsein und verpasst Jack die eine oder andere verbale Ohrfeige.

Von Naima bekommt man in der ersten Romanhälfte noch wenig mit, doch nach und nach erfährt man mehr über sie. Sie ist nicht wirklich glücklich als Prinzessin, da sich ihr Leben wie ein goldener Käfig anfühlt. Gleichzeitig ist sie sehr pflichtbewusst und gewichtet ihre Verantwortung als Prinzessin höher als ihren persönlichen Wunsch nach mehr Freiheit. Sie respektiert den Weg ihres Vaters, sich für Frieden einzusetzen und die Besatzer zu dulden, dennoch hegt sie einen Groll gegen das Empire. Der Tod ihrer Familie nimmt sie natürlich schwer mit, doch Naima versinkt nicht in Trauer und sie muss auch nicht gerettet werden, sondern unterstützt Jack mit ihrer Intelligenz und ihrem Mut. Leider ist Naima (neben einem weiblichen Geist in einer Nebenrolle) die einzige handlungsrelevante weibliche Figur.

Akram El-Bahay beschreibt das London des 19. Jahrhunderts nur grob und konzentriert sich auf die ärmeren Stadtteile. Da die meisten Leser*innen eine Vorstellung des viktorianischen Englands haben, muss er auch nicht viel beschreiben, um eindrückliche Bilder entstehen zu lassen. Den Orient erlebt man bisher nur als verzerrtes Abbild in der Zwischenwelt und in Naimas Erinnerungen an ihre Heimat. Die orientalische Mythologie harmoniert wunderbar mit der abenteuerlichen Geistergeschichte, die mit Humor und sanftem Grusel Leser*innen aller Altersgruppen anspricht. Man merkt dabei, dass der Autor in den letzten Jahren mehrere Jugendbücher geschrieben hat, zumindest ist „Das Schattentor“ bisher weniger komplex als seine vorherigen Trilogien und liest sich auch etwas schneller. 

Da Jack mehr oder weniger sofort in große Schwierigkeiten gerät, bleibt wenig Zeit, das Ministerium für endgültige Angelegenheiten erst einmal ausführlich vorzustellen. Die anderen Soulmen bekommt man kaum zu Gesicht, dafür drängt sich eine schwarze Katze zunehmend in den Vordergrund und wird zu einem tierischen Protagonisten. Akram El-Bahay gelingt es auch in „Ministry of Souls“ die besondere märchenhafte Atmosphäre zu erzeugen, die seine Romane auszeichnet und einzigartig macht. Allerdings werden viele Probleme zu schnell gelöst beziehungsweise wenn es kritisch wird, hilft Magie auf wundersame Weise. Und das Finale ist durchaus spannend, doch so gehetzt, dass man teilweise den Überblick verliert.


Fazit

„Das Schattentor” überzeugt mit einem reizvollen Mix aus orientalischer Mythologie und viktorianischer Zeit, humorvollen Dialogen, sanftem Grusel und liebenswerten Charakteren. Der Auftaktband zu „Ministry of Souls“ ist abenteuerliche Fantasy, schlägt jedoch auch ernste Töne an und thematisiert die Schattenseiten des Kolonialismus sowie die Doppelmoral des Empires.


Pro und Contra

+ Gaslicht-Fantasy mit Geistern
+ orientalische Mythologie
+ zeigt die Schattenseiten der viktorianischen Zeit
+ die Magie der Zwischenwelt
+ humorvoll und abenteuerlich
+ sympathische Protagonist*innen
+ skurrile Nebencharaktere

- Probleme werden zu oft durch Magie gelöst
- Finale zu gehetzt und unübersichtlich

Wertungsterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Interview mit Akram El-Bahay (2020)

Interview mit Akram El-Bahay (2015)

Rezension zu "Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherstadt" (Band 1)

Rezension zu "Flammenwüste" (Band 1)

Rezension zu "Flammenwüste - Der Gefährte des Drachen" (Band 2)

Rezension zu "Flammenwüste - Der feuerlose Drache" (Band 3)

"Die Nächte in 1001 Versionen" (Artikel von Akram El-Bahay in PHANTAST #19)

Tags: Steamfantasy, orientalische Fantasy, 19. Jahrhundert, Akram El-Bahay, 1001 Nacht