Sodom - Utopia Gardens I (Eva Siegmund)

utopia gardens 1 sodom

Droemer Knaur (November 2020)
Paperback, 368 Seiten, 12,99 EUR
ISBN: 978-3-426-52475-6

Genre: SF-Thriller / Dystopie


Klappentext

Das dunkle Berlin von Morgen

Wer sich nicht scheut, gegen strenge Gesetze zu verstoßen, kann seinen Körper mithilfe von Prothesen in eine tödliche Waffe verwandeln. Diese Kriminellen werden „Cheater“ genannt. Seit ein Cheater Birols Vater ermordet hat, kenn der junge Mann nur noch ein Ziel: den „Käfig“ – das Hauptquartier der Polizei von Berlin Mitte. Als Polizist kann Birol endlich selbst Jagd auf den Mörder seines Vaters machen. Doch im „Käfig“ sind die Dinge keineswegs so, wie er es sich erhofft hat. Birols neues Team besteht aus der zum Strafdienst verurteilten Kratzbürste Raven und der schüchternen Polizeischülerin Laura, und seine älteren Kollegen sind entweder faul oder korrupt. Oder beides.

Als der erste tote Cheater auftaucht, ahnen weder Birol noch Raven oder Laura, wie eng dieser Mord mit ihren eigenen dunklen Geheimnissen verknüpft ist – und mit dem Utopia Gardens. Der größte Club der Welt, in dem Nacht für Nacht die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen, bildet das Zentrum eines gewaltigen Sturms, der sich über Berlin zusammenbraut.


Rezension

Berlin in der nahen Zukunft: Einst beliebte Viertel wurden verlassen und in den leerstehenden Häusern leben Kriminelle und Menschen, die im schönen Neuberlin keinen Platz haben. Auf dem Alexanderplatz thront der „Käfig“, das Polizeirevier von Berlin Mitte, umgeben von Zäunen mit Stacheldraht. Hier arbeitet der junge Polizist Birol, der in seiner kriminellen Familie so etwas wie das weiße Schaf ist. Er will ein guter Mensch sein und seinem Vater nacheifern – und dessen Tod rächen. Birols Vater wurde von einem sogenannten Cheater, einem Verbrecher mit illegalen Prothesen, die ihn schneller und stärker machen, ermordet. Als seinem neuen Team die junge Strafdienstleistende Raven zugeteilt wird, ahnt Birol nicht, dass diese ein Doppelleben führt. Raven ist der berühmte Modder Dark und rüstet die Kämpfer des Fightclubs des Utopia Gardens mit verbesserten Augen und Gelenken aus. Und auch Laura, die neue Polizeischülerin, hat etwas zu verbergen und arbeitet unter falscher Identität in Berlin. Was die drei gemeinsam haben: Ihre dunklen Geheimnisse stehen alle mit dem Utopia Gardens, dem größten Club der Welt, in Verbindung …

“Sodom“ ist der erste Band der „Utopia Gardens“-Reihe, die im kriminellen Milieu des gigantischen Clubs spielt. Alle Bedürfnisse werden dort bedient: Tagsüber ist das Gardens ein Zirkus für Familien, nachts ein riesiger Dancefloor. Doch das wahre Gesicht des Clubs zeigt sich in den unteren Stockwerken, wo sich die Besucher mit Glücksspiel und Prostituierten vergnügen – oder bei illegalen Kämpfen zuschauen, bei denen sich Cheater gegenseitig abschlachten. Während die einen nach dem speziellen Kick suchen, wickeln andere hier ungestört ihre kriminellen Geschäfte ab. Die Polizei führt zwar gelegentlich Razzien durch, doch es gibt eine Übereinkunft, dass nur kleine Fische gefangen werden. Ansonsten schließen Polizei und Politik die Augen, weil viele selbst im Gardens verbotenen Begierden oder krumme Geschäften nachgehen.

Für die skrupellosen Clubbesitzer ist Raven nur ein Laufmädchen, das Kontakt zum legendären Modder Dark herstellt. Niemand ahnt, wer sie wirklich ist, außer ihr Freund Spencer, der ihr bei den Operationen zur Hand geht. Raven besitzt nicht nur ein außergewöhnliches Talent für den Bau von Prothesen, sie weiß auch genau, wie sie in den Schatten Berlins überlebt. Sie ist die interessante Figur im Roman, abgebrüht und risikobereit, aber auch unsicher und emotional. Sie hat sich immer durchgebissen und sich etwas aufgebaut, allerdings treibt sie ihr Spiel zu weit und ihr mühsam errichtetes Kartenhaus stürzt zusammen. Während sie ihre wenigen Freunde in der Unterwelt verliert, nähert sie sich Birol und Laura an. Doch da ist noch zu viel Misstrauen, als dass man von Freundschaft sprechen könnte, zudem verheimlicht Raven von allen am meisten.

Birol und Laura hingegen bleiben in der ersten Romanhälfte blass. Er ist der typisch übermotivierte junge Polizist, der Verbrechen aufklären will, aber nur gegen Wände rennt. Seine älteren Kollegen erscheinen fast alle resigniert, machen Dienst nach Vorschrift und schauen auch mal weg, wenn es unbequem wird. Was Birol jedoch wirklich rasend macht, ist, dass niemand sich ernsthaft bemüht hat, den Mord an seinem Vater aufzuklären. Anfangs versucht Birol zu sehr, der Gute zu sein, erst in der zweiten Romanhälfte, als seine Hoffnung auf Antworten und Rache Gestalt annimmt, erleben wir einen facettenreicheren Birol, der an seinen eigenen Idealen zu scheitern droht. Laura sucht ebenfalls nach Antworten. Sie ist eigentlich eine ausgebildete Polizistin und fängt nach dem Mord an einer Kollegin und Freundin von vorne an und nutzt eine falsche Identität, um unauffällig ihre einzige Spur nachverfolgen zu können. Und „unauffällig“ ist bisher auch das Wort, das Laura am besten beschreibt.

Eva Siegmund nutzt für ihren Thriller ein Near-Future-Setting mit Cyberpunkelementen. Sie beschreibt nur wenige Orte, wie den Käfig oder das Gardens, doch dies genügt, um ein eindrückliches Bild ihres dystopischen Berlins zu zeichnen. Teile des Romans spielen zudem in Hamburg, wo eine mächtige Konzernchefin nach ihrem Geliebten sucht und bereit ist, über Leichen zu gehen, um ihn zu finden. Die Nebenhandlung wird langsam aufgebaut und endet in einem Cliffhanger, der neugierig auf den zweiten Band macht. In „Utopia Gardens“ steckt Potential, doch im ersten Band erzeugen vor allem das Setting und Raven Spanung. Der Thrillerplot holpert dagegen etwas, da die Autorin zu viel mit Klischees von finsteren Untergrundbossen arbeitet. Zudem wundert man sich, wie Raven, die nur aufgrund eines Diebstahls zum Strafdienst verurteilt wurde, bei der Mordkommission landet und ohne jegliche Erfahrung zu gefährlichen Einsätzen geschickt wird. Überhaupt ist die Zusammenstellung von Birols Team unglaubwürdig, was die Protagonist*innen immerhin ebenfalls erkennen. Die SF-Elemente sind bereits aus vielen SF-Romanen bekannt, fügen sich jedoch stimmig in die Handlung ein. 


Fazit

„Sodom“ entführt die Leserschaft in ein dystopisches Berlin und in den gesetzlosen Dunstkreis des Utopia Gardens, wo alle Begierden befriedigt werden – auch illegale, moralisch verwerfliche und tödliche. Das junge Polizeiteam leidet unter Misstrauen und Geheimnissen, während zu viele Klischees das spannende Setting überlagern. Das Finale birgt so manche Überraschung und erzeugt dank Cliffhanger Neugier auf den Folgeband „Gomorrha“.


Pro und Contra

+ dystopisches Berlin mit Cyberpunkelementen
+ Ravens ambivalenter Charakter
+ Birol droht, an seinen eigenen Idealen zu scheitern
+ schillernde, düstere Welt des Utopia Gardens
+ spannendes Finale mit Überraschungen
+ interessante Nebenhandlung

- diverse Unterweltklischees
- Laura bleibt zu lange unauffällig
- Strafeinsatz bei der Mordkommission wirkt unglaubwürdig
- zu wenig Tempo in der ersten Hälfte

Wertungsterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Rezension zu "LÚM - Zwei wie Licht und Dunkel"

Tags: Dystopie, Eva Siegmund, SF-Thriller, Utopia Gardens, Near Future