Murgunstrumm (Hugh B. Cave)

cave murgunstrumm

Festa, 2021
Originaltitel: Murgunstrumm (1933)
Übersetzung von Susanne Picard
Gebunden, 208 Seiten
€ 34,00 [D]
Privatdruck ohne ISBN (Reihe Festa Special, Band 9); das eBook ist im freien Verkauf erhältlich mit der ISBN 978-3-86552-903-9

Genre: Horror


Rezension

Der US-Amerikaner Hugh Barnett Cave (1910-2004) war als Autor in einer Vielzahl von Genres, darunter Science Fiction, Western, Krimi und Fantasy, aktiv und ist heute am bekanntesten für seine Horrorgeschichten. In den 1930er Jahren schrieb er Stories für Pulpmagazine. Im Zweiten Weltkrieg war er Kriegskorrespondent, danach betrieb er auf Jamaica eine Kaffeeplantage und veröffentlichte weiter, darunter um die zwanzig Romane. Ursprünglich findet sich Murgunstrumm veröffentlicht in der Zeitschrift Strange Tales of Mystery and Terror (Heft 7, Januar 1933).

Im Jahr 1977 erschien bei Carcosa die Geschichtensammlung Murgunstrumm and Others, mit schwarzweißen Illustrationen von Lee Brown Coye. Festa hat daraus die Novelle Murgunstrumm für die Reihe Festa Special als Band 9 übersetzt und in einem attraktiven Hardcoverband, angereichert mit neun Illustrationen Coyes, veröffentlicht.

Dem 23-jährigen Paul gelingt nach sieben Monaten die Flucht aus der psychiatrischen Anstalt in Morrisdale, in die er mit seiner Freundin Ruth eingeliefert worden war, nachdem sie der Polizei erzählt hatten, sie wären in dem abgelegenen Gasthaus Gray Toad Inn von Vampiren angegriffen worden. Paul will die verantwortlichen Ärzte aus der Psychiatrie durch einen Trick dazu bringen, mit ihm das Gray Toad Inn aufzusuchen. Er will ihnen beweisen, dass es die Vampire tatsächlich gibt, und schließlich mit Ruth offiziell aus der Anstalt entlassen werden.

Murgunstrumm beginnt wie ein Kriminalroman oder Thriller mit der Flucht Pauls aus der Gefangenschaft, detailliert beschrieben, der Verfolgung des Flüchtenden durch die Polizei, der Hilfe durch Verbündete. Dann begibt sich Paul zum Ort der Geschehnisse, die zu dieser Ausgangssituation geführt haben. Stilistisch ist der Text auf gehobenem Pulp-Niveau, erzähltechnisch ist er gut strukturiert und organisiert. Wie im Horrorgenre üblich, kehrt Cave die Kausalität oft um, beschreibt erst die Wirkung, danach die Ursache.

Die Story wird geradlinig erzählt, trotz teilweise minutiöser Beschreibungen, wie der hervorragend inszenierten Flucht aus der Anstalt, ist das Tempo recht hoch und lässt im Verlauf der Erzählung nicht nach. Und trotz mancher Vorhersehbarkeiten, die darauf zurückführbar sind, dass seit der Erstveröffentlichung von Murgunstrumm bald neunzig Jahre vergangen sind und heute Regelwerk und Tropen der Vampirgeschichte zum Allgemeinwissen gehören, ist die Geschichte spannend und wartet mit einigen interessanten Wendungen auf. Schließlich sind die Figuren glaubwürdig und in ihren Handlungen nachvollziehbar.

Das Gray Toad Inn ist ein Schutzraum für das Böse, das in zwei Gestalten auftritt. Darüber hinaus ist es eine Produktionsstätte. Die Vampire Costillan, Maronaine & Co., Ableger oder Vertreter alten Adels aus Rumänien und Frankreich, haben sieben uralte Särge mit Graberde aus ihrer Heimat mitgebracht und sich damit in ihrer unterirdischen Schlafstatt, die sie über geheime Wege durch das Gray Toad Inn erreichen, eingerichtet.

Mit ihrer Luxuslimousine, ihren edlen Anzügen und dem distinguierten Auftreten erreichen sie junge Frauen in der Stadt. Solange sie dort auf der Jagd sind, ähneln sie dem Vampirfürsten aus Bram Stokers Dracula, aber wenn sie ihr wahres Gesicht zeigen, sehen sie eher aus wie der Vampir aus Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu. Sie holen sich zumeist schöne junge Frauen als Opfer in das Gasthaus. Sie empfinden deren Blut als besondere Leckerei, Aristokraten angemessene Cuisine, sind aber auch dem gelegentlichen Schnellimbiss nicht abgeneigt. Sie transformieren ihre Opfer jedoch nicht, wie aus Dracula bekannt, in Vampire. Das wäre ihnen – mit einer großen Stadt in der Nähe - vermutlich zu gefährlich.

Murgunstrumm selbst scheint serbischer Herkunft, es wird einmal auf seine Sprache hingewiesen. Als Charakter und durch sein Verhältnis zu den Vampiren ist er als ein entfernter Verwandter von Renfield erkennbar, dem Gehilfen Draculas. Allein der Name Murgunstrumm, dessen Träger wie eine Mischung aus Mensch, Kröte und vielleicht Zackenbarsch aussieht, sowie der Name seines Gasthofes sind einen Stern wert.

Einen guten Teil der Novelle fragt man sich, warum sie nach dieser Figur betitelt ist. In den letzten Kapiteln erfahren wir, warum dies so ist. Der für Vampirgeschichten üblichen finalen Auseinandersetzung zwischen Mensch und Halbwesen folgt hier noch ein Krönungsfinale. Cave stellt zudem ein gleichermaßen innovatives wie gefährliches Verfahren vor, einen Vampir in Staub zu transformieren.

Die Handlung spielt in einem phantastischen und weitgehend unbestimmten Raum. In der Stadt Morrisdale gibt es das Villenviertel der Southside, ein anderer Ort heißt Rehobeth. Die meisten Personennamen sind französischer Herkunft. Ein Charakter heißt Von Heller und erinnert in Namensgebung sowie narrativer Funktion an Dr. Van Helsing aus Dracula. Abschließend sei kurz darauf hingewiesen, dass in der Novelle Begriffe verwendet werden, für die es heute eine Triggerwarnung geben dürfte.


Fazit

Hugh B. Caves Novelle Murgunstrumm ist ein Klassiker der Pulp Fiction und des Gothic Horror, eine gelungene Verbindung aus Krimi, Thriller und Horror. Anders als Dracula und viele seiner Nachfolger, haben die Vampire nichts freundliches oder melancholisches an sich. Sie sind einfach nur grausam und böse. Heute würde man vielleicht sagen, sadistische Serienmörder. Es macht richtig Spaß, diese unterhaltsame Story zu lesen.


Pro und Kontra

+ Pulp-Charme
+ schöne Buchgestaltung
+ hervorragende Illustrationen

Wertung:sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5