Underworld Chronicles - Verflucht (Jackie May)

Lübbe one (Juni 2021)
übersetzt von Stephanie Pannen
Hardcover, 302 Seiten, 17,00 EUR

ISBN: ISBN: 978-3-8466-0124-2

Genre: Urban Fantasy / Jugendfantasy


Klappentext

In Detroit wimmelt es nur so von gefährlichen Kreaturen – und Nora Jacobs ist eine der wenigen, die davon weiß. Ihr paranormaler Sinn konnte sie jedoch bisher vor Schlimmerem bewahren. Bei einem nächtlichen Zwischenfall im düsteren Underworld Club ändert sich das allerdings schlagartig, als der mächtigste Vampir der Stadt auf sie aufmerksam wird und ihre Kräfte für sich nutzen will. Denn immer mehr Unterweltler verschwinden aus Detroit, und Nora soll helfen, sie wieder aufzuspüren. In Troll Terrance findet sich dabei schnell einen Verbündeten. Doch die Zeit wird knapp. Und Nora beginnt sich zu fragen, wie zum Teufel sie lebend aus dieser Situation herauskommen soll …


Rezension

In Detroit leben Vampire, Werwölfe, Trolle und andere düstere Wesen unerkannt zwischen Menschen. Nora weiß von ihnen, da sie als Kind ein traumatisches Erlebnis mit Vampiren hatte und über paranormale Fähigkeiten verfügt, mit denen sie phantastische Kreaturen erkennen kann. Nora kann bei Körperkontakt Gedanken lesen, teilweise kann sie sogar Erinnerungen sehen, wenn sie Gegenstände berührt, die zuvor jemand anderes berührt hat. Diese Fähigkeiten nutzt sie, um sich zu schützen, nicht nur vor dunklen Wesen, sondern vor allem vor Männern, die sie belästigen. Einer dieser Männer ist ihr Nachbar, der ihr immer wieder auflauert, wenn sie nach Hause kommt. Um ihn loszuwerden, geht Nora mit ihm in den Underworld Club, wo sie ihren Stalker einem Sukkubus überlässt. Dabei wird ein mächtiger Vampir auf ihre Fähigkeiten aufmerksam und will diese nutzen, um ein verschwundenes Clanmitglied zu finden …

„Underworld Chronicles – Verflucht“ sticht mit seinem coolen Cover sofort ins Auge. In Kombination mit dem Klappentext hofft man auf eine düstere Fantasystory mit einer taffen Protagonistin, die sich in der Detroiter Unterwelt behauptet – weit gefehlt. Nora ist eine schwer traumatisierte junge Frau, die nicht nur Gedanken lesen kann, sondern auch mit einem Fluch zu kämpfen hat: Fast alle Männer finden sie unwiderstehlich und wollen sie besitzen. Dabei werden viele auch gewalttätig, sodass Nora ständig in Angst lebt, vergewaltigt zu werden. Das Perfide: Hier findet eine Täter-Opfer-Umkehr unter dem Deckmantel eines düsteren Fantasysettings statt. Nora ist eine Getriebene, die permanent angegraben, belästigt und gestalkt wird – und die Männer, die ihr das antun, werden quasi freigesprochen, denn Noras besondere Ausstrahlung verdreht ihre Sinne. Das ist genauso toxisch und falsch, wie wenn man Frauen die Schuld an Belästigung und Missbrauch gibt, weil sie kurze Röcke tragen.

Eigentlich müsste Nora schon nach der ersten Szene ihre Koffer packen, was sie zwischenzeitlich tatsächlich vorhat, aber sie sucht geradezu nach gefährlichen Situationen. So stolpert sie von einem Drama ins nächste, macht sich von Männern abhängig, obwohl sie das nicht will, nimmt teure Geschenke an, obwohl sie auf eigenen Beinen stehen und nichts mit der Detroiter Unterwelt zu tun haben will. Neben ihr gibt es fast ausnahmslos männliche Figuren, die sie entweder vergewaltigen oder beschützen wollen. Und obwohl Nora mehrmals sagt, dass sie kein Interesse an Männern und einer Beziehung hat (was man aufgrund ihrer negativen Erfahrungen verstehen kann), findet sie fast jeden Kerl heiß. Natürlich ist fast jeder Unterweltler übernatürlich attraktiv. Selbst der nerdige Zauberer, der Nora seit Jahren stalkt, um sie zu beschützen.

Der einzige Mann, dessen Verhalten Nora gegenüber nicht eindeutig missbräuchlich und aufdringlich ist, ist Troll Terrance. Er ist ihr dankbar, weil sie hilft, eine verschwundene Trollfrau zu finden, und entwickelt Nora gegenüber einen enormen Beschützerinstinkt – nicht aufgrund ihres Fluchs, sondern aufgrund einer Besonderheit der Trolle. Zu ihm entwickelt sich eine enge Freundschaft mit amüsanten Dialogen. Leider mit dem faden Beigeschmack, dass Nora ohne Terrance‘ Beschützerinstinkt die Handlung nicht überlebt hätte. Die eigentlich spannende Story mit den verschwundenen Unterweltlern verkommt zur Nebenhandlung, die unglaubwürdig schnell aufgelöst wird und einige haarsträubende Klischees beinhaltet.

"Underworld Chronicles - Verflucht" enthält Triggerwarnungen, was grundsätzlich positiv ist. Allerdings fragt man sich, wenn so viel Sensibilität beim Verlag vorhanden ist, warum dieser dann ein so toxisches Jugendbuch veröffentlicht. Dieser Roman passt nicht ins Programm von Lübbe one, wo bereits großartige (Jugend-)Phantastik wie „Songs of Revolution" oder die „Elias & Laia"-Reihe erschienen ist. 


Fazit

„Underworld Chronicles – Verflucht“ sieht nach cooler Urban Fantasy aus, entpuppt sich aber schnell als toxische Jugendfantasy mit einem fatalen Frauenbild. Dabei verblassen die paranormalen Talente der schwer traumatisierten Protagonistin neben ihrem Fluch: Fast alle Männer wollen sie besitzen. Damit besteht die Handlung überwiegend aus Belästigung, Stalking und Missbrauch.


Pro und Contra

+ die Freundschaft zu Troll Terrance
+ spannendes Urban-Fantasy-Setting …

- … das unter zu vielen Klischees erstickt
- unglaubwürdige Auflösung
- toxisches Frauen-/Männerbild inklusive Täter-Opfer-Umkehr
- neben Nora fast nur männliche Figuren, die sie vergewaltigen oder beschützen wollen
- Nora bringt sich ständig selbst in Gefahr

Wertungstern1

Handlung: 1/5
Charaktere: 1,5/5
Lesespaß: 1/5
Preis/Leistung: 1/5