Spirou & Fantasio Gesamtausgabe – Classic 1: 1938-1943 (Rob-Vel u.a.)

Verlag: Carlsen; (Mai 2021)
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten; 40 €
ISBN-13: 978-3-551-02411-4

Genre: Humor


Klappentext

Die Gesamtausgabe eines der großen Werke des frankobelgischen Comics

Im April 1938 lag an den belgischen Kiosken die erste Ausgabe des Comicmagazins Le Journal de Spirou aus. Binnen kurzer Zeit entwickelte sich der rothaarige Titelheld unter der Feder seines Schöpfers Rob-Vel vom Hoteldiener zu dem abenteuerlichen Weltenbummler, dessen Erlebnisse Generationen von Leserinnen und Lesern begeistert haben. Erstmals sind nun sämtliche Geschichten von Rob-Vel in einem Band gesammelt: die faszinierende Genese eines Comicklassikers, ergänzt um zahlreiche Illustrationen und ausführliches Hintergrundmaterial.


Rezension

André Franquin wird wohl am meisten mit Spirou und Fantasio verbunden. Er hat den Hotelpagen und seinen Reporterfreund erst so richtig populär gemacht, ihnen Charakterzüge gegeben und ihnen viele der Figuren an die Seite gestellt, die bis heute noch eine Rolle spielen. Für viele ist er sogar der Mann, der Spirou erfand.
Dies ist allerdings schlichtweg falsch. Denn bereits vor ihm gab es Zeichner und Autoren, die Spirou auf Abenteuer schickten. Allen voran ein gewisser Rob-Vel, der 1937 von Jean Dupuis den Auftrag erhielt, einer neuen Figur für eine Kindercomiczeitschrift, eben Spirou, ein Gesicht zu geben. Dieser schuf den jugendlichen Hotelpagen und damit übernahm er auch gleichzeitig die Verantwortung für ihn und schickte ihn fortan auf Abenteuer. Die ersten waren dabei noch recht ortsgebunden, aber mit der Zeit wurden diese immer größer und führten Spirou in die Ferne.
Dabei war Rob-Vel schon damals, von Beginn an, nicht der einzige Autor und Zeichner von Spirou, unter anderem seine Frau half ihm bei der Arbeit. Deswegen schwankt die Qualität der Zeichnungen recht stark. Von eher unansehnlich bis überraschend gut und fast modern zeigt sich Spirou hier mal von seiner besten und mal von seiner schlechtesten Seite.
Wer sich für die Hintergründe zur Figur interessiert, der findet sehr viele Informationen dazu und Rob-Vel und seiner Frau in dem umfangreichen Bonusmaterial, dass mit vielen Illustrationen und Fotos daherkommt.
Die Geschichten in diesem Band müssen klar unter dem Aspekt gelesen werden, dass sie Kinder ihrer Zeit sind. So manches, das Spirou hier tut, wäre heute undenkbar für eine Figur in einem Kindercomicmagazin. Spirou begeistert sich für das Militär, raucht, macht sich wenig Gedanken über die Folgen seines Handelns und so mancher Stereotyp wird bedient, z.B. wenn sich Spirou nach Afrika begibt.
Trotzdem sind die Spirougeschichten in ihrem Kern nie bösartig, sondern einfach auch heute noch gute Unterhaltung, auch wenn die Erzählweise durchaus mehr als nur antiquiert wirkt. Die Ideen, die sich hier finden, sind jedoch kreativ und sogar der Humor kommt nicht zu kurz. Dennoch ist dieser Band bestimmt nicht für jeden etwas, sondern eher für Leser, die sich dafür interessieren, wie die Ursprünge Spirous aussahen und da schneidet der Hotelpage gar nicht so schlecht ab, besonders wenn die ersten Schritte eines Superman oder Batman im Vergleich betrachtet werden.

Der Band ist in mehrere Abschnitte unterteilt. Unter anderem gibt es eine Geschichte, die sich über neunzig Seiten erstreckt.

Page im Hotel Moustic

Den Beginn machen mehrere Einseiter, auf denen sich Spirou mit seinem Alltag, Gästen und Kollegen herumplagen muss. Das ist teilweise wirklich lustig und manchmal gerade noch so unterhaltsam.

Spirou auf Weltreise

Bill Money hat ein Problem. Er muss jeden Monat eine Million ausgeben, sonst verliert er sein Ererbtes an seinen Vetter Jim Rascal. Nur gut, dass Spirou mehr als nur eine gute Idee hat. Er geht mit Bill Money auf Weltreise und erlebt dabei teilweise haarsträubende Abenteuer.
Rob-Vel, seine Frau und ihre Mitautoren und -zeichner fabulieren wild darauf los. Da ist nicht immer alles gelungen, sowohl textlich als auch zeichnerisch, aber es liest sich ganz gut und präsentiert mehrfach tolle Ideen, bei denen nicht sicher ist, ob sie nicht irgendwann in einem Trashfilm aufgegriffen werden.

Das Wunderpferd

Spirou erlernt das Bauchreden und ist kurz darauf als Page und Beschützer auf dem Schloss von Rättchen zur Rattenfalle angestellt. Er soll verhindern, dass Guntram böses Spiel mit seinen Verwandten treibt. Denn er ist spielsüchtig und brennt für Pferderennen. Deswegen hat er aber kaum Geld und will das Erbe derer von Rättchen zur Rattenfalle.
Spirou als Leibwächter und Detektiv ist noch eine ungewohnte Rolle für ihn, aber sie steht im gut und die Ausführung ist gar nicht mal schlecht.

Spirou Fermier/ König Rakiki/ Der blaue Affe

Spirou kauft sich einen Bauernhof. Schnell stellt er fest, dass die Tiere alles alleine können. Irgendwann beschließt er den Vorbesitzer des Hofes und der Tiere in Afrika zu suchen. Bei der Überfahrt trifft er König Rakiki, der zurück in die Heimat und dort wieder König sein will. Davon ist weder der Kapitän des Schiffes, mit dem Spirou und Rakiki fahren, noch Rakikis Onkel Ricucu begeistert.
Die Geschichte ist mit Sicherheit nicht unkritisch zu sehen, besonders im Hinblick auf Belgiens Umgang mit seinen damaligen Kolonien, allerdings ist ihr kaum Rassismus vorzuwerfen, denn Spirou hilft zwar Rakiki sein Königreich zurückzubekommen, aber es sind Rakiki und seine Freunde, die entscheidend hierfür sind. So begegnen sich die Charaktere auf Augenhöhe und das war zu damaligen Zeit recht ungewöhnlich.

Spirou und Floh

Spirou ist mit Floh zurück in Europa. Da sie kein Geld haben, beschließen sie, dass Floh sein Glück als Boxer versucht und der hat überraschenden Erfolg. Bald steht er im Ring für den Kampf um den Weltmeistertitel. Aber dagegen hat eine Gruppe Männer etwas.
Angesichts der Tatsache, dass die Geschichte 1943 erschien, ist es schon überraschend, dass Floh als Hauptcharakter im Mittelpunkt steht und dabei so positiv dargestellt wird. Für damals eine sehr mutige Geschichte, die auch heute noch für Toleranz und Gleichberechtigung eintritt.

Notlandung auf Zigomus

Spirou arbeitet als Nachtwächter bei Professor Stratos. Der hat eine Rakete erfunden, mit der Spirou versehentlich ins All startet und auf den Planeten Zigomus gelangt. Dort wird er zunächst als König verehrt und soll die Prinzessin Baba heiraten. Aber dann wird diese entführt und er muss sich mit einem Zornnickel, den Feinden der Zigomer zusammentun, um sie zu retten.
Spirou fliegt ins All und erlebt dort ein recht naives Abenteuer, das an Flash Gordon, Gullivers Reisen und John Carter erinnert. Das ist ganz nett, aber kann nicht ganz mit anderen Geschichten mithalten.

Der Unsichtbare

Hans Tinnev hat ein Mittel erfunden, um Menschen unsichtbar zu machen. Dummerweise passiert ein Unfall und er wird selbst zum Unsichtbaren, ohne zu wissen, wann und ob das Mittel nachlässt. Jetzt braucht er Geld, um ein Gegenmittel zu entwickeln und dabei hilft ihm Spirou.
Leider hat Der Unsichtbare keinen neuen Ansatz zu bieten und die Geschichte plätschert vor sich hin.

1938 Spirou 1

Der Spirou des Jahres 1938 kommt in die Gegenwart des Jahres 1970. Durch ein Missgeschick wird Pips unsichtbar und sorgt für manchen Schabernack.
Raoul Cauvin schrieb das Szenario für Rob-Vels Rückkehr zu seiner Schöpfung nach siebenundzwanzig Jahren. Er trifft den Ton der Anfangstage ganz gut, modernisiert die damalige Erzählweise etwas und endet mit einem recht schönen Bild. Rob-Vel hat dies in Bildern umgesetzt und auch wenn er über die Jahre besser geworden ist, ist klar ersichtlich, dass sein Stil zu dem Spirou von 1970 nicht wirklich passt. Dennoch ist es schön, ihn noch einmal am Zeichenstift zu sehen.


Fazit

Comichistorisch ist dieser Band sowieso interessant, denn hier sind die Anfänge Spirous gesammelt zu finden. Wer sich an die etwas langsame, manchmal sprunghafte, manchmal hanebüchene Erzählweise gewöhnen kann, wird die ein oder andere Geschichte mit tollen und kreativen Ideen entdecken.


Pro & Contra

+ Blick in die Vergangenheit und Anfänge Spirous
+ Humor funkioniert auch heute noch

- Zeichnungen überzeugen nicht immer

Bewertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Zeichnungen: 2,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von André Franquin:
 
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Rezension zu Spirou und Fantasio – Gesamtausgabe Bd.3
Rezension zu Spirou und Fantasio – Gesamtausgabe Bd.10
Rezension zu Spirou und Fantasio – Gesamtausgabe Bd.11
Rezension zu Spirou und Fantasio - Gesamtausgabe Bd.12
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