Christoph Hardebusch (29.07.2021)

Interview mit Christoph Hardebusch

Hardebusch Christoph2021Literatopia: Hallo, Christoph! Kürzlich ist Dein neuer Fantasyroman „Die Stadt der Seher“ bei Klett-Cotta erschienen. Was erwartet die Leser*innen in der blühenden Stadtrepublik Vastona?

Christoph Hardebusch: Eine Geschichte in einer neuen Welt, deren Hintergrund an die Renaissance angelehnt ist. Viele Konflikte, die aus den Streitigkeiten verschiedener Fraktionen heraus entstehen, und ein buntes Personal an Figuren, die in die großen Entwicklungen ihrer Zeit gezogen werden.

Literatopia: Stell uns Deine beiden Protagonist*innen Marco und Elena kurz vor. Was zeichnet sie aus? Wo liegen ihre Stärken und Schwächen?

Christoph Hardebusch: Anders als viele meiner Figuren sind die beiden etwas jünger, was mit sich bringt, dass sie ihren Platz in der Welt noch suchen. Dadurch erlebt man beim Lesen, wie sie sich selbst und ihre Fähigkeiten besser kennenlernen. Ich würde sagen, bei beiden ist eine klare Stärke, dass sie offen für Neues sind – Personen, Ideen, andere Ansichten. Aber als arme Kinder ihrer reichen Stadt haben sie viel Benachteiligung erlebt, die sie selbstverständlich auch geprägt hat. Darüber hinauszuwachsen, die eigenen Stärken und Schwächen zu erfahren, und mit ihnen und dank ihnen Großes zu leisten, ist ein wichtiger Teil der Geschichte.

Literatopia: Über welche Art von Magie verfügen die Seher? Welche Position nimmt ihr Orden in der Gesellschaft ein? Und wie stehen sie zu den Erfindern?

Christoph Hardebusch: Die Seher stellen in Vastona eine Art Staatsreligion. Sie verteilen Almosen, predigen zu den Massen, die ihnen folgen, weil die Seher über eine Art von prophetischer Weitsicht verfügen. Grundsätzlich sind sie dem Fortschritt gegenüber offen, auch wenn einige Vertreter der Erfinderzunft eine eher negative Sicht auf den Orden haben.

Literatopia: Im Roman wird unter anderem ein Fluggerät gebaut – ist dieses von Da Vinci inspiriert? Und welche anderen fortschrittlichen Erfindungen gibt es?

Christoph Hardebusch: Ja, während der Entstehungsphase habe ich das damals noch unbenannte Projekt gerne als Da-Vinci-Punk bezeichnet. Da in der Welt gerade Krieg droht, sind es natürlich Kriegsmaschinen, die eine gewisse Rolle spielen. Aber im Hintergrund zeigt sich, dass Kunst und Wissenschaft generell gerade eine Blütezeit erleben, vor allem durch eine der Figuren des Romans repräsentiert.

Literatopia: Vastona ist von der Renaissance inspiriert. Was fasziniert Dich an dieser historischen Epoche? Und was macht Deine Fantasywelt einzigartig?

Christoph Hardebusch: Es ist vor allem die Italienische Renaissance, die als Inspiration dient. Meine Frau ist Kunsthistorikerin mit einem Faible für die Italienische Renaissance, und ihr Enthusiasmus ist ansteckend. Gemeinsam haben wir viele der Städte und ihre Museen, Palazzi, Kirchen, Klöster, Villen und Plätze besucht, und diese geballte Sammlung von Kunst, Kultur und Wissenschaft ist einfach großartig.

Ich hoffe, einen Hauch dieser Faszination in dem Roman eingefangen zu haben.

Literatopia: Im Interview mit Eva Berschneider im PHANTAST #15 „Drachen“ meintest Du: „starke Frauencharaktere gehören in jedes Buch“ – welche starken weiblichen Figuren gibt es neben Elena in „Die Stadt der Seher“?

Christoph Hardebusch: Ja, starke Frauen, oder simpler gesagt, einfach Frauen gibt es in allen meinen Büchern, und natürlich wie Elena auch als Protagonistinnen, beziehungsweise Perspektivträgerinnen. Vastona selbst lehnt mehr in Richtung Männer, auch um Elena einen Konflikt und eine Bühne zu bieten, aber auch hier gibt es natürlich Frauen unter Waffen und in Führungspositionen. Bei den anderen Kulturen ist das noch ausgeprägter, die Elfen werden zum Beispiel von einer Frau angeführt.

Literatopia: In Deinem Autorenjournal sprichst Du offen über Deine Depression. Inwiefern hat diese Dich beim Schreiben beeinträchtigt?

Christoph Hardebusch: Das ist eine längere Geschichte, da das Schreiben als Arbeit seinen Teil dazu beigetragen hat. Vom Schreiben leben ist stressig, da man von vielen Faktoren abhängig ist, auf die man wenig bis gar keinen Einfluss hat. Um das zu kompensieren, habe ich versucht, das zu kontrollieren, was ich konnte: Die eigentliche Arbeit. Was mich über Jahre in eine Erschöpfungsdepression schlittern ließ. Hoher Druck, viel Stress, aber am Ende wenig Kreativität und damit auch wenig Produktivität. Der Weg zurück war nicht einfach, und es gab lange Phasen, in denen ich gar nicht geschrieben habe. Zum Glück waren und sind meine Verlage da phänomenal verständnisvoll, und haben mir stets den Rücken freigehalten. Ich kann das gar nicht oft genug sagen und stark genug betonen, aber ohne ihre Hilfe wäre der Weg zurück so nicht möglich gewesen. Deshalb auch hier noch einmal danke an alle bei Klett-Cotta, Bastei Lübbe und Piper!

Literatopia: Auf die Frage, ob man Schreiben lernen kann, antwortest Du mit drei einfachen Tipps: „Lesen, lesen, lesen“ – welche Bücher haben Dich inspiriert?

christoph hardebusch4Christoph Hardebusch: So viele … für einen Humor und Wortwitz auf einem unfassbar durchgehenden Niveau natürlich Terry Pratchett. Arturo Pérez-Revertes Alatriste-Geschichten für historische Abenteuer mit sozialen Fragen. Oliver Plaschkas Romane für ihre Sprachgewalt. Es gibt derzeit eine ganze Reihe phantastischer SF-Autorinnen, deren Bücher mich immer wieder begeistern – N.K. Jemisin, Nnedi Okorafor, Catherynne M. Valente, um nur ein paar zu nennen.

Literatopia: Du veröffentlichst seit fünfzehn Jahren und wenn Du mit einem neuen Buch beginnst, wissen die Verlage schon, was sie bekommen. Wie streng hältst Du Dich an Dein ursprüngliches Exposé? Und sprichst Du größere Änderungen mit den Lektor*innen ab oder überraschst Du sie?

Christoph Hardebusch: Wenn mir während des Schreibens bessere Ideen kommen – wenn, nicht falls! -, dann setze ich die natürlich um. Es wäre ja auch seltsam, wenn nicht. Ich versuche, größere Änderungen zu besprechen, und oft lesen Lektor*innen ja schon mal während der Entstehung des Romans mit, aber wann genau die eigentliche Zusammenarbeit beginnt, ist sehr individuell. Kleine Änderungen können große Auswirkungen haben, und eine große Änderung kann wenig nach sich ziehen. Aber generell ist es gut, im Austausch zu bleiben und sich Rückmeldungen abzuholen – hin und wieder verrennt man sich auch in eine falsche Richtung.

Literatopia: Inwiefern hat sich die deutschsprachige Phantastik-Szene seit Deiner ersten Veröffentlichung verändert? Damals erlebte die Fantasy einen regelrechten Boom – ist es heute schwieriger, phantastische Romane bei Verlagen unterzubringen?

Christoph Hardebusch: Es ist definitiv schwieriger geworden. Es hat sich generell viel verändert, nicht nur in der Phantastik, und die Schere zwischen Mega-Bestsellern, Midlist und dem Rest klafft immer weiter auseinander. Die Phantastik betrifft das eher noch mehr, und Debüts haben es wohl noch schwerer als Anfang der 2000er.

Gleichzeitig gibt es aber auch neue Möglichkeiten. In den Bereichen Selfpublishing und eBooks hat sich eine Menge getan, mit vielen positiven Entwicklungen für Autor*innen. Deshalb haben wir zum Beispiel beim Literaturpreis SERAPH, den wir von Seiten der Phantastischen Akademie jährlich in Leipzig verleihen, auch entschieden, dass wir eine entsprechende Kategorie einführen müssen.

Insgesamt ist aber immer noch so: Romane schreiben ist und bleibt hartes Brot. Wenn es nur ums Geld geht, sollte man sich was anderes suchen.

Literatopia: Mit „Missing in Action“ hast Du auch mal Science Fiction für die „Justifiers“-Reihe geschrieben. Kannst Du Dir vorstellen, in die SF zurückzukehren? Vielleicht in Verbindung mit Fantasy?

Christoph Hardebusch: Science-Fiction gehört zu mir, ich lese sie gefühlt schon immer, spiele Rollenspiele in ihr, betätige mich kreativ in ihr. Also ja, da wird etwas kommen. Noch kann ich keine Details verraten, aber es sind keine Justifiers …

Literatopia: Wirst Du „Die Stadt der Seher“ dieses Jahr noch irgendwo live präsentieren oder pandemiebedingt nur online?

Christoph Hardebusch: Vermutlich wird es bei digitalen Veranstaltungen bleiben. Es findet ja generell wenig statt, und ich befürchte, dass es im Laufe des Jahres eher noch mehr in die Richtung geht. Geplant ist jedenfalls nichts.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

Christoph Hardebusch: Ich bedanke mich!


Autorenfoto: Copyright by Christoph Hardebusch (oben) und Stefan Heilemann (unten)

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Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.