Verlag: cbt, März 2009
Original: Thirteen Reasons why,
übersetzt von Knut Krüger
HC, 288 Seiten, € 14,95
ISBN: 978- 3570160206
Genre: Jugendthriller
Klappentext
13 Kassetten befinden sich in dem Päckchen, das Clay eines Tages erhält. Sie sind nummeriert, ansonsten jedoch unbeschriftet. Er legt die erste in einen alten Kassettenrekorder, drückt auf „Play“ – und hört die Stimme seiner ehemaligen Mitschülerin Hannah Baker. Hannah, für die er heimlich schwärmte. Hannah, die sich vor zwei Wochen umgebracht hat. Die Kassetten hat Hannah vor ihrem Tod bespielt und sie an 13 Personen geschickt, die in irgendeiner Weise Anteil an ihrem Selbstmord hatten. Clay ist einer davon…
Mit Hannahs Stimme im Ohr wandert Clay durch die Nacht, und was er hört, lässt ihm den Atem stocken. Denn erstmals erfährt er, was wirklich geschehen ist, erstmals wird ihm die verhängnisvolle Kette von Ereignissen bewusst, die Hannah am Ende wie eine Lawine überrollten. Doch was war seine Rolle dabei? Was hat er sich zuschulden kommen lassen?
Der Autor
Jay Asher bekam die Idee zu diesem Buch während einer Audioführung in einem Museum. Er war fasziniert von der Stimme in seinem Ohr, die ihm erklärte, was er sah. „Tote Mädchen lügen nicht“ ist sein erster Roman und wurde in den USA zu einem sensationellen Erfolg. Der Autor lebt in Kalifornien.
Rezension
Die Kunst des großen Dramas – das ist immer noch den Teenagern vorbehalten und niemand kann es so wie sie, aus banalen Kleinigkeiten das ganz große Drama zu inszenieren. Clay bekommt 7 Kassetten von seiner ehemaligen Mitschülerin, die sich vor kurzem selbst getötet hat. Auf jeder Seite spricht sie eine Person an, die irgendetwas in Gang gesetzt hat, was seine Kreise gezogen hat und für sie zu einem unlösbaren Problem wird. Da scheidet sie lieber aus dem Leben, als zu versuchen, die Probleme anzugehen und vielleicht doch eine andere Lösung zu finden. Leben ist so kostbar – für Teenager anscheinend nicht.
Clay ist völlig gefesselt von Hannahs Beichte, er kann einfach nicht aufhören, die Kassetten zu hören. Er schlägt sich die Nacht um die Ohren und sucht jeden Punkt auf, den Hannah vorher auf einer Karte eingezeichnet hat. Jeder Punkt gehört zu einer Geschichte und hat eine besondere Bedeutung für sie. Irgendetwas hat sich dort abgespielt, was ihr Leben für immer verändert hat. Aber nicht nur die Beichte fesselt ihn, er ist sich eigentlich keiner Schuld bewusst und je mehr er hört, desto unsicherer und konsternierter wird er und wartet voller Angst und Spannung auf seine Geschichte.
Jay Asher hat das Buch auf eine interessante Art und Weise geschrieben, Hannahs Geschichte ist kursiv und Clays normal gedruckt. So kann Clay sofort auf Hannahs Gedanken antworten, es entwickelt sich regelrecht ein Dialog zwischen ihm und den Kassetten. Manchmal ist es etwas anstrengend zu lesen, man verliert schon mal den Faden und muss zurücklesen, wer denn jetzt genau was gesagt hat, es ist aber auch so spannend, dass man das Buch sowieso kaum aus der Hand legen mag. Genau wie Clay wartet der Leser auf seine Geschichte, denn aus Clays Kommentaren bekommt man schon einen guten Einblick in seinen Charakter und seine Gefühlswelt. Und genau wie Clay fragt man sich voller Spannung, was er denn so Schlimmes bei Hannah verbrochen hat, man hat nicht den Eindruck, dass er ein verantwortungsloser oder überheblicher Teenager ist.
Nach der Lektüre ist erst einmal Nachdenken angesagt. Man fragt sich, wie viele Teenager sich wohl aus solchen – für Erwachsene – banalen Gründen sich das Leben genommen haben. Ist es denn wirklich so schlimm, als der geilste Hintern der Schule bezeichnet zu werden? Viele Mädchen wären bestimmt stolz gewesen. Dass es sich ein Junge mal herausnimmt, ihn zu betatschen ist auch nicht so wahnsinnig schlimm, es ist zwar ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, aber wenn man sich wegen jedem Eingriff umbringen würde, wäre die Welt bald ausgestorben. Menschen sind so, sie sind nicht perfekt und benehmen sich auch mal unangemessen, man kann sie darauf hinweisen, man sollte die Beleidigung ja nicht schlucken – sonst machen sie es immer wieder, ihnen war ja gar nicht klar, dass sie sich in dem Moment falsch verhalten haben.
Obwohl es sogar an der Highschool ein Handbuch gibt, in dem wichtige Punkte für suizidgefährdete Menschen aufgeführt werden, nimmt niemand die Veränderungen an Hannah war, zumindest ihrer Meinung nach. Aber nicht jeder Friseurbesuch lässt auf einen geplanten Suizid schließen, wahrscheinlich hat jeder nur einen Punkt wahrgenommen, nicht aber die Gesamtheit der Punkte. Demzufolge dürfte sich keiner mehr die Haare abschneiden, ohne anschließend einen Psychiater aufzusuchen.
Hannah ist ungerecht ihrer Umwelt gegenüber. Aus Clays Bemerkungen kann man sehr gut herauslesen, dass Ereignisse von ihm oder anderen ganz anders wahrgenommen worden sind, als von ihr. Sie zieht ihre eigenen Schlüsse daraus, ihre Mitmenschen aber ganz andere. Sie wirft ihren Freunden vor, nicht auf sie gehört zu haben, ja selbst ihr Vertrauenslehrer, dem sie eine letzte Chance gibt, den Suizid noch zu verhindern, kann keine Gedanken lesen. Hannah macht mit ihnen genau das gleiche, was sie ihnen vorwirft. Sie hört nicht zu und gibt anderen keine Chance ihr zu helfen, denn sie teilt sich ihnen nicht mit. Sie stößt Freunde, die mit ihr Zeit verbringen wollen, von sich weg und beschwert sich dann anschließend, dass keiner ihr helfen will. Ein leichter schaler Nachgeschmack bleibt auf jeden Fall zurück, wieder ein Leben, was sinnlos weggeworfen wurde.
Das Cover ist sehr gut gelungen, markant mit dreizehn Strichen. Der Originaltitel trifft die Geschichte vielleicht etwas besser – 13 Gründe warum – aber der deutsche Titel ist sehr gut gewählt und auf jeden Fall ansprechender. Ein Titel, der im Gedächtnis haften bleibt. Bei der Originalausgabe gab es im Innencover noch einen Abdruck der Karte, schade, dass man bei der deutschen Ausgabe darauf verzichtet hat.
Fazit
Ein Schmetterling, der seine Flügel und damit die Luft bewegt, bis sich daraus ein Sturm entwickelt - so ergeht es Hannah in diesem Buch. Kleine banale Ereignisse lösen andere Ereignisse aus, die sich für sie hinterher als unlösbar herausstellen. Ein furioses Erstlingswerk von Jay Asher, brillant geschrieben, packend bis zur letzten Seite mit einem riesigen Potential zum Nachdenken. Wenn es nur ein paar Lesern die Augen öffnet, sich seine Mitmenschen etwas genauer anzuschauen und nicht einfach wegzusehen, so hat diese Geschichte schon ihre Daseinsberechtigung erfüllt. Eine Geschichte, die jeder Teenager lesen sollte, denn – tote Mädchen lügen einfach nicht.
Pro und Contra
+ interessante Charaktere
+ ein Jugendbuch, das auch Erwachsene anspricht
+ ein Ende zum Nachdenken
+ neuer, interessanter Plot
+ packend bis zur letzten Seite
+ ungewöhnlicher Erzählstil
+ lässt die eigenen Probleme noch einmal überdenken
- regt hoffentlich nicht zur Nachahmung an
- hinterlässt einen Nachgeschmack über die Unabänderlichkeit von Hannahs Tat
Wertung:
Handlung: 5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5