Kindle Direct Publishing (2021)
eBook, 76 Seiten, 2,99 EUR
ASIN: B096SLXM5H
Genre: Ethno-Fantasy
Klappentext
Der Teppich erzählt, was geschah:
Von einem Mädchen mit Katzenaugen, aufgezogen von einer Lüchsin in einem Geisterwald.
Von einer Herrscherin im Schatten ihrer toten Mutter, die im Wald einen Weg sucht, um sich zu beweisen.
Von einem wahrträumenden Priester, der das Rätsel eines uralten Samenkorns zu lösen versucht - und das eines Mädchens mit Katzenaugen.
Von einem Barden vom Rand der Welt, auf der Suche nach der Stadt im Wald, die mehr Mythos als Wahrheit zu sein scheint.
Rezension
Die Katzenäugige, von den Menschen Quilla genannt, wuchs im Wald bei den Tieren auf und betrachtet eine Lüchsin als ihre Mutter. Sie ahnte das Unheil kommen, fiel aber dennoch den Menschen zum Opfer. Quilla überlebte schwer verletzt, mit einem Pfeil in der Brust. Der Priester und Arzt Yanta pflegt sie und hofft, mit ihrer Hilfe Frieden mit dem Wald schließen zu können. Doch die Katzenäugige ist voller Trauer und Hass und denkt gar nicht daran, den Menschen zu helfen geschweige denn sich selbst als Mensch zu betrachten. Während Yanta an der Katzenäugigen und einem mysteriösen Samenkorn, das sein Geheimnis nicht preisgeben will, verzweifelt, leidet die neue Herrscherin, die Akllasumaq Paqari darunter, die überirdisch erscheinenden Fußstapfen ihrer verstorben Mutter nicht ausfüllen zu können. Sie versucht, sie äußerlich nachzuahmen, doch sie spürt jeden Tag, dass ihr nicht der gleiche Respekt entgegengebracht wird und dass sie nicht stark genug ist, ihre Stadt im Wald zu bewahren…
„Die Katzenäugige – Der Wald der Welt“ ist der erste von sechs Teilen, die zusammen einen der ersten Romane bilden, den Judith C. Vogt mit Anfang Zwanzig verfasst und nun im Rahmen eines Künstler*innenstipendiums überarbeitet hat. Sie schreibt, die Geschichte sei von „Prinzessin Mononoke“ inspiriert, was sich insbesondere in der Feindseligkeit der Menschen gegenüber dem Wald zeigt. Die Stadtbewohner betrachten den Wald als wilden, grausamen Ort, der sie verschlingen und töten will. Der Frieden, den die frühere Herrscherin mit dem Geisterwald schloss, zerbricht, woran die Stadtmenschen nicht unschuldig sind. Der Tod der Lüchsin setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, deren Entwicklung sich nach diesem ersten Teil noch schwer abschätzen lässt.
„Der Wald der Welt“ stellt zunächst seine wichtigsten Figuren ausführlich vor, insbesondere die Katzenäugige, die sich in Trauer, Schmerzen und Angst windet. Sie wird von Yanta zunächst mit Medikamenten ruhiggestellt, da sie den Menschen sonst sprichwörtlich die Augen herauskratzen und ihnen die Kehlen herausreißen würde. Ihre Trauer schlägt in Wut und Hass um, letztlich auch in Einsamkeit und Resignation. Sie lernt die Sprache der Menschen, spricht aber nicht mit ihnen und weigert sich, zur Vermittlerin zwischen der Stadt und ihrer Heimat, dem Wald, zu werden. Yanta hingegen will einfach nicht einsehen, dass die Katzenäugige sich nicht als Mensch betrachtet und Menschen nur als Mörder ihrer Mutter und Feinde ihres Waldes sieht.
Paqari wirkt in ihrer Herrscherinnenrolle verzweifelt und unsicher. Sie hat den Thron nie gewollt, doch als einziges Kind ihrer toten Mutter muss sie deren Erbe antreten, wissend dass sie nie deren Stärke und Größe erreichen wird. So neigt sie zu unüberlegten Entscheidungen und zieht den Zorn der Priesterschaft auf sich, weil sie ihre Rolle nicht so perfekt erfüllt wie erwartet. Auch Yanta ist von ihr enttäuscht, vor allem weil sie in vielem nachlässiger als ihre tote Mutter ist, während man als Leser*in eher Mitleid mit Paqari hat, die ihr Leben für den Thron aufgeben musste. Sie macht Fehler, die ihrer Jugend und falschen Erwartungshaltungen geschuldet sind. Sie steht unter dem Druck, sich zu beweisen, was sich noch als fatal erweisen könnte.
Vom Erzähler der Geschichte, dem Barden Cahal, sieht man bisher wenig – ebenso wie vom Wald und seinen tierischen und geisterhaften Bewohnern. Die innige Verbindung der Katzenäugigen zur Lüchsin erinnert etwas ans das „Dschungelbuch“ (insbesondere die Animeadaption), doch bisher wirkt der Wald wie wilde, ursprüngliche Natur, aber kaum geisterhaft. Hier hätte man sich etwas mehr Fantasie gewünscht. Da die Katzenäugige gleich zu Beginn den Tod ihrer Mutter erlebt und in die Menschenstadt entführt wird, sieht man entsprechend wenig von ihrer Heimat. Auch wirkt der Beginn etwas holprig, was wohl der Überarbeitung dieser älteren Geschichte geschuldet ist. Nach dem ersten Kapitel findet Judith C. Vogt jedoch ihre Erzählstimme und der Text liest sich mit zunehmender Seitenzahl immer besser.
Das Setting erinnert ebenfalls an „Prinzessin Mononoke“, wobei die Stadt im Wald wie eine Mischung (jahrhundertealter) fernöstlicher und südamerikanischer Kulturen anmutet. Die Menschen dort sind einst vor Krieg geflohen und fürchten andere Menschen ebenso sehr wie den Wald. Die Stadt ist ihr Refugium, das sie eisern verteidigen – was aus Sicht der Leser*innen aussichtslos erscheint, denn auch wenn der Mensch die Natur zurückdrängen kann, so ist er letztlich auf sie angewiesen. In diesem vorindustriellen Setting noch mehr als heute.
Fazit
„Die Katzenäugige – Der Wald der Welt“ ist düstere Ethno-Fantasy, in der Mensch und Natur sich feindselig gegenüberstehen. Die Katzenäugige soll als Vermittlerin dienen, doch sie ist schwer traumatisiert und voller Hass – und die Menschen sind blind für die Schönheit des Waldes, den sie als dunkles Reich voller Monster sehen.
Pro und Contra
+ authentische Darstellung der schwer traumatisierten Katzenäugigen
+ Paqaris Verzweiflung im Schatten ihrer toten Mutter
+ düsteres Fantasysetting im Stil von „Prinzessin Mononoke“
+ einprägsame Beschreibung der Gesellschaftsstruktur
Einflüsse fernöstlicher und südamerikanischer Kulturen
+ insbesondere als frühes Werk von Judith C. Vogt spannend
- der (Geister-)Wald kommt bisher zu kurz
- holpriger, leicht unübersichtlicher Anfang
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5
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