Lucinda Flynn (13.09.2021)

Interview mit Lucinda Flynn

lucinda flynn 2021Literatopia: Hallo, Lucinda! Im Sommer ist bei Droemer Knaur Dein Debütroman „Die Erbin des Windes“ erschienen. Was erwartet Deine Protagonistin Likah und die Leser*innen am Hof von Herrscher Arkin?

Lucinda Flynn: Hallo! Erstmal danke, dass ich hier sein darf, das freut mich wirklich sehr. Das Leben bei Hofe ist vielleicht gar nicht so extravagant, wie man sich das im ersten Moment vorstellt. Natürlich leben die sieben Herrscher*innen luxuriöser als das einfache Volk, aber in erster Linie sind die meisten von ihnen sehr praktisch veranlagt und machen Politik für ihr Land.

Das Extravagante erwartet uns dann auf den Festen, wo die Politik zwischen den Ländern diskutiert wird. Allerdings ist all das so überhaupt nicht Likahs Welt, und obwohl die Verstrickungen durchaus ihren Platz in der Geschichte haben, erwartet die Leser*innen in „Die Erbin des Windes“ vor allem auch ein großes Abenteuer, das sich jenseits von Schlössern abspielt.

Literatopia: Was ist Likah für ein Mensch? Wo liegen ihre Stärken und Schwächen? Und was motiviert sie, die Schülerin des Herrschers zu werden?

Lucinda Flynn: Likah musste ihr Zuhause schon in Kindertagen verlassen, weil ihre Eltern sie weggeschickt haben, nur mit der Warnung, sie solle immer weiterlaufen und nicht zurückschauen. Auf ihrer Flucht hat sie die Zwillingskinder Alia und Gem aufgegabelt, und seitdem sind die drei zusammen unterwegs. Likah will eigentlich nichts sehnlicher, als den Kindern ein sicheres Zuhause zu bieten, weswegen die drei anfangen zu stehlen. Ich finde, sie ist eine unglaublich starke Figur, die ihre eigenen Bedürfnisse von klein an zurückgestellt hat und für die Kinder da war. Sie hat im Gegenzug Schwierigkeiten damit, Dinge nur für sich zu tun, obwohl es ihr großer Traum ist, einmal einen eigenen Garten zu besitzen und Botanikerin zu werden.

Und warum sie Arkins Schülerin wird? Um Alia und Gem zu retten. Mehr werde ich dazu an dieser Stelle nicht sagen!

Literatopia: Über die zweite Perspektivfigur Thora erfährt man im Klappentext nichts. Würdest Du sie uns kurz vorstellen?

Lucinda Flynn: Thora ist ein Abenteurer, der – sehr zum Unwillen von Kapitän Ross – mit einer erfahrenen Crew nach Nakita segelt. Eigentlich möchte er nur die Welt sehen, aber er gerät an eine seltsame Gruppe von Menschen mit weißen Masken, die Menschen entführen und in ein Tunnelsystem unter Nakita bringen. Thora ist ein sehr mutiger junger Mann, der sich mit den anderen Gefangenen verbündet und die Hoffnung in den Untergrund zurückbringt. Er ist außerdem derjenige, der viele Geheimnisse über die Herrscher*innen und die Magie der Ersten Sprache aufdecken wird.

Literatopia: Auf Instagram kann man Bilder Deiner Charaktere sehen und Arkin sieht recht jung aus. Wie ist er so jung Herrscher geworden? Und wie sieht seine Beziehung zu Likah aus?

Lucinda Flynn: Arkin ist tatsächlich der jüngste Fürst aus dem Septimat. Er war der Schüler von Amaal, der vor Arkin Fürst von Kathasia war, allerdings verstarb Amaal recht früh, sodass Arkin seinen Platz einnehmen musste. Amaals Tod soll ein Unfall gewesen sein, aber Arkin ist sich da nicht wirklich sicher und stellt Nachforschungen an.

Was seine Beziehung zu Likah angeht: Als er sie zunächst aufnimmt, hat er seine Gründe dafür, und die liegen nicht unbedingt darin, dass er sie für eine würdige Nachfolgerin hält. Trotzdem behandelt er sie von Anfang an auf Augenhöhe und die beiden entwickeln eine sehr familiäre Beziehung zueinander. Die beiden haben natürlich auch ihre Schwierigkeiten miteinander, aber schlussendlich herrscht zwischen Likah und Arkin ein unfassbar tiefgehendes Vertrauen.

Literatopia: Der Kontinent Nakita, auf dem Deine Geschichte spielt, wird vom Verlag als „wunderbar atmosphärische High-Fantasy-Welt“ angepriesen. Wie sieht es dort aus? Welche Völker leben dort zusammen? Und welche phantastischen Wesen gibt es?

Lucinda Flynn: Tatsächlich wird man magische Wesen wie Elfen, Zwerge, Trolle oder ähnliches vergeblich auf Nakita suchen. Dort leben nur Menschen zusammen, und beim Schreiben war es mir besonders wichtig, keine High Fantasy zu schreiben, die die Leser*innen erschlägt. Beim Worldbuilding bin ich deswegen möglichst einfach geblieben und habe mich auf die Aspekte konzentriert, die ich für die Geschichte brauche.

Nakita hat ca. 200 Jahre vor der eigentlichen Handlung einen Krieg durchgemacht, der die Welt extrem verändert hat, nicht zuletzt, weil mit diesem Krieg auch die Erste Sprache in die Hände der Menschen kam. Seitdem die Menschen über diese Macht verfügen, haben sie viel Technologie entwickelt. Nakita ist eine Welt, in der die Menschen mit Kutschen fahren, aber in der auch die meisten Häuser fließend Wasser und Lampen besitzen, die per Drehschalter funktionieren. Die Erste Sprache hat die Medizin weit vorangebracht und dank ihr verfügt die Menschheit über ausgedehnte Kommunikationssysteme.

Literatopia: Was hat es mit der Magie der „Ersten Sprache“ auf sich? Würdest Du uns Dein Magiesystem etwas genauer erläutern?

Lucinda Flynn: Gerne! Ich mag es, die Erste Sprache nicht so sehr als Magie, sondern als ein Naturgesetz zu begreifen, das über allen anderen steht. Die Erste Sprache ist ein Werkzeug, das vom Ersten Wesen geschaffen wurde, nachdem es die Welt erschaffen hatte. Das Erste Wesen gab die Sprache den acht Göttlichen, die sie nutzen sollten, um die Welt und ihre Natur im Gleichgewicht zu halten. Jede Gottheit wachte dabei über einen bestimmten Aspekt des Planeten, und gemeinsam hielten sie so die Balance. Das ging so lange gut, bis ein Konflikt zwischen den Göttlichen ausbrach. Man erzählt sich, dass die Göttin Angriana die Schöpfung des Ersten Wesens an sich reißen wollte und so den Krieg auslöste. Das war der Moment, in dem die Göttlichen jeder einen Menschen erwählten, dem sie die Erste Sprache beibrachten. Am Ende dieses Krieges steht die Vernichtung von Angriana, die von diesem Zeitpunkt an aus dem Pantheon verbannt wurde.

Die Erste Sprache aber blieb bei den Menschen. Es war immer nur den Mitgliedern des Septimats und deren Schüler*innen erlaubt, die Erste Sprache zu nutzen. Die Aspekte der Göttlichen finden sich auch in der heutigen Verwendung der Sprache wieder, so können Arkin und Likah sie verwenden, um den Wind zu kontrollieren, weil Kathasia die Herrin des Himmels und des Windes ist. Übrigens: die Erste Sprache ist an Skyrim und die Sprache der Drachen angelehnt!

Literatopia: Du bist Mitglied bei den „Berlin Authors“. Wie bist Du dazu gekommen? Und welche Projekte organisiert Ihr beispielsweise?

Lucinda Flynn: Oh, das ist spannend, weil die Berlin Authors so ziemlich mein erster Kontakt mit anderen Buchmenschen waren. Ich habe damals die gute Jen von „Jenlovetoread“ kennengelernt, die ja in der Orga der Authors ist. Ich selbst organisiere nicht mit, war aber in der ersten Anthologie (Großstadtgefühle) vertreten und, natürlich, bevor die Pandemie kam, auch regelmäßig bei den Stammtischen dabei. Die vermisse ich ein bisschen.

Die Berlin Authors organisieren gemeinsam Lesungen und Workshops, außerdem gemeinsame Schreibsessions, die jährliche Anthologie und bestimmt noch vieles mehr, was ich jetzt nicht auf dem Schirm habe.

Literatopia: Du bist seit Deiner Kindheit Geschichtenerzählerin. Wovon handelten denn Deine ersten Geschichten?

Lucinda Flynn: Wenn wir GANZ weit zurückgehen, erinnere ich mich an eine Geschichte, die ich damals so getippt habe. O-Ton: „Hallo, ich bin Mia und ich bin eine Maus. Ich bin 2 Jahre alt …“ Viel mehr als fünf Zeilen wurden es auch nicht, aber ich denke gern schmunzelnd daran zurück. Wenn wir aber über die erste Geschichte reden, die ich wirklich als Buch geschrieben habe, da ging es um eine Traumwelt, in der sogenannte „Traumtränen“ wuchsen, die dafür sorgten, dass Menschen durch ihre Träume nicht verletzt werden konnten. Jemand pflückte die aber und das sorgte für Drama. Vielleicht greife ich das irgendwann nochmal auf, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht daran.

Literatopia: Wann hast Du für Dich gemerkt, dass Du nicht nur schreiben, sondern auch veröffentlichen möchtest? Und wie sahen Deine ersten Schritte aus?

Lucinda Flynn: Wenn ich ganz ehrlich bin, wollte ich schon immer veröffentlichen. Ich habe nie nur für mich geschrieben, sondern hatte schon beim ersten Manuskript das Ziel, es an Verlage zu schicken. Das stand für mich nie zur Debatte. Natürlich habe ich erstmal geschrieben, und die Erbin war bei weitem nicht mein erstes Manuskript. Ich glaube, meine ersten Schritte waren ziemlich langweilig: Ich habe gegooglet. Ganz viel gegooglet, weil ich wissen wollte, wie das mit der Veröffentlichung so abläuft. Ich kann meine Rechercheergebnisse recht einfach zusammenfassen: „Finger weg von Druckkostenzuschuss“, „Leseprobe und Exposé einreichen“ und „das schaffst du eh nie“. Tja, nun.

Mein damaliges Projekt „Der Bernsteinkönig“ habe ich auch an ein paar Agenturen und Verlage geschickt, aber das wurde – leider oder zum Glück – nicht veröffentlicht.

Literatopia: Dein Umfeld reagierte zunächst nicht begeistert darauf, dass Du schreibst, sodass Du das Schreiben oft für Dich behalten hast. War trotzdem jemand da, der Deine Leidenschaft geteilt hat? Mit wem tauschst Dich aus, wenn Deine Figuren nicht so wollen, wie Du?

Lucinda Flynn: Zu Beginn war da tatsächlich eine Freundin, die auch geschrieben hat, mit der ich mich viel ausgetauscht habe, aber unser Kontakt endete, als wir aus der Schule raus waren. Von da an war ich meist auf mich allein gestellt, bis auf meinen Freund, der wirklich super unterstützend ist und ohne den ich wahrscheinlich nie so weit gekommen wäre. Inzwischen habe ich ganz viele tolle Kolleg*innen, die ich bei allen möglichen Dingen um Rat fragen kann: Verlage, Exposés, Verträge … alles Mögliche eben. Es tut wirklich gut, andere Schreibende zu kennen.

Literatopia: Was liest Du aktuell gerne? Und gibt es Bücher, die Dich so sehr begeistert haben, dass Du sie mehrmals gelesen hast?

Lucinda Flynn: Ich komme leider kaum zum Lesen, hatte aber zuletzt sehr viel Spaß an „Breakaway“ von Anabelle Stehl, obwohl New Adult sonst überhaupt nicht mein Genre ist. Und dann kam natürlich noch „Das Meer der Legenden“ von Babsi Schwarz an, das ich auch als Testleserin begleiten durfte. Mehrmals gelesen habe ich schon lange kein Buch mehr, aber ich weiß noch, dass ich als Teenager sicherlich an die zehn Mal „Seelen“ von Stephenie Meyer gelesen habe. Dieses Konzept der kleinen Wesen, die das Bewusstsein von anderen Spezies übernehmen konnten, hat mir total gut gefallen.

Literatopia: Dein Debüt ist gerade erst erschienen, aber natürlich würde uns interessieren, ob Du bereits am nächsten Roman arbeitest – und uns schon etwas davon verraten kannst?

Lucinda Flynn: Und ob! Das Manuskript zum nächsten Roman kommt sogar bald schon ins Lektorat und ich darf dieses Jahr noch das Cover zeigen. Genremäßig bewegt der neue Roman sich im Cyberpunk, in dem die Hauptfiguren versuchen, gegen das riesige System aus mächtigen Konzernen anzukommen – und KIs gibt es auch!

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!


Autorenfoto: Copyright by Colors of Cronos


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.