Iron Widow (Xiran Jay Zhao)

Oneworld Publications (Oktober 2021)
Taschenbuch
400 Seiten, 12,99 EUR
ISBN: 978-0861542420

Genre: Science-Fiction, Dystopie


Klappentext

Pacific Rim meets The Handmaid's Tale in this blend of Chinese history and mecha science fiction for YA readers.

The boys of Huaxia dream of pairing up with girls to pilot Chrysalises, giant transforming robots that can battle the mecha aliens that lurk beyond the Great Wall. It doesn't matter that the girls often die from the mental strain.

When 18-year-old Zetian offers herself up as a concubine-pilot, it's to assassinate the ace male pilot responsible for her sister's death. But she gets her vengeance in a way nobody expected—she kills him through the psychic link between pilots and emerges from the cockpit unscathed. She is labeled an Iron Widow, a much-feared and much-silenced kind of female pilot who can sacrifice boys to power up Chrysalises instead.

To tame her unnerving yet invaluable mental strength, she is paired up with Li Shimin, the strongest and most controversial male pilot in Huaxia. But now that Zetian has had a taste of power, she will not cower so easily. She will miss no opportunity to leverage their combined might and infamy to survive attempt after attempt on her life, until she can figure out exactly why the pilot system works in its misogynist way—and stop more girls from being sacrificed.


Rezension

„Iron Widow“ spielt in einer gleichzeitig futuristischen und archaischen Welt: Hochentwickelte Technik und die Rückkehr zu beinahe prä-industriellen Lebensweisen, moderne Medien und rigide Traditionen existieren in Huaxia Seite an Seite. Eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen die Pilot*innen, die in gewaltigen, wie mythologische Wesen geformten „Chrysalises“ aus „spirit metal“ gegen die Hunduns, mysteriöse Aliens, in den Kampf ziehen. Die Grundlage ihrer beinahe magisch anmutenden Fähigkeiten sind Chi, Akupunkturnadeln und die 5-Elemente-Lehre. Xiran Jay Zhao entwirft ein Setting voller Gewalt und Glamour.

Wu Zetian (von der einzigen regierenden Kaiserin Chinas inspiriert) wächst in einem Dorf an der Grenze auf und ihre Familie interessiert nur ihr Wert als gehorsame und wahrscheinlich für einen frühen Tod bestimmte Konkubine eines Piloten. Doch Zetian hat ihre eigenen Pläne. Während viele Frauen in ihrem Umfeld ihre Unterdrückung als naturgegeben hinnehmen und sogar zu Komplizinnen darin werden, durchschaut Zetian die Lügen des Patriarchats scheinbar instinktiv und begehrt von Anfang an dagegen auf (ich weiß tatsächlich nicht, wie glaubwürdig ich es finde, wie viel Indoktrination einfach an ihr abgeglitten ist und mit welcher Leichtigkeit sie den Rest abschüttelt). Als ein Pilot ihre Schwester tötet, schwört sie Rache, obwohl das, soweit sie zu diesem Zeitpunkt weiß, ihren Tod und den ihrer Familie bedeutet. Mit Zetian hat „Iron Widow“ eine Hauptfigur, die im Namen der benutzten, unterdrückten Frauen Huaxias und ihrer eigenen Rache über Leichen geht und sich gelegentlich sehr gut dabei fühlt.

Bei dem geplanten Attentat läuft alles sehr anders als erwartet. Zuerst sieht es aus, als würde Zetian im Cockpit einer Chrysalis sterben, aber dann stellt sie fest, dass sie dem Schicksal so vieler anderer Mädchen und Frauen entgehen kann. Statt geopfert zu werden, um ihren Ko-Piloten zu stärken, geht sie als „Iron Widow“ aus dem Kampf gegen die Hunduns hervor. Um sich ihrer zu entledigen, wird sie dem Piloten Li Shimin zugewiesen. Der „Iron Demon“ ist eigentlich zum Tode verurteilt und nur sein Talent als Pilot bewahrt den alkoholkranken, von Jahren voller Gewalt geprägten jungen Mann vor der Vollstreckung des Urteils. Zuerst ist Zetian entsetzt, doch dann stellt sich heraus, dass mehr in ihrem Ko-Piloten steckt als zuerst gedacht und dass sie vielleicht überleben können, wenn sie zusammenarbeiten.

Unterstützung kommt auch aus einer weiteren, unerwarteten Ecke: Zetians Jugendliebe, der fürsorgliche, aber auch hin und wieder überraschend kaltblütige Gao Yizhi mit seinen weitreichenden Kontakten, reist ihr nach, um schließlich das Trio zu vollenden. Zu dritt manipulieren sie die Medienaufmerksamkeit zu ihrem Vorteil und nehmen es mit dem System auf, das routiniert Konkubinen-Pilotinnen opfert. Was wie das Setup für eine Situation klingt, in der eine Frau zwischen zwei Männern steht, die sie lieben, ist auch eines, aber „Iron Widow“ weicht bei der Auflösung der Situation netterweise von ausgetretenen Pfaden ab. Was in einem so explizit feministischen Buch jedoch etwas unangenehm auffällt, ist das Fehlen wirklich wichtiger Frauenfiguren neben Zetian - oft nehmen andere Frauen hier eher blasse und häufig antagonistische Rollen ein.

„Iron Widow“ wartet mit vielen interessanten Wendungen auf und bringt viele vertraute Einflüsse zusammen. Da sind z.B. Anime-Einflüsse oder Elemente, die mich an „Die Tribute von Panem“ oder andere erfolgreiche YA-Romane erinnern, aber die Rekombination von Elementen ist spannend und oft entwickelt Xiran Jay Zhao etablierte Tropes auf zeitgemäße Weise weiter und bringt auch Neues ein. Die Sprache der Ich-Erzählerin ist sehr umgangssprachlich und zeitgenössisch und steht so in einem manchmal überraschenden, manchmal witzigen Kontrast zu den eher traditionellen, formell anmutenden Elementen des Settings. Wieder einmal irritiert, dass Figuren, die in jeder Hinsicht wie Erwachsene behandelt werden, sich selbst und einander als „boys“ und „girls“ bezeichnen.

Beim Lesen von „Iron Widow“ muss man sich auf ein Buch einlassen, in dem einfach alles überlebensgroß und nichts subtil ist. Gigantische Mechs kämpfen gegen Aliens, Botschaften sind statt zwischen den Zeilen in Großbuchstaben geschrieben und die Figuren sind sich für große Gesten und dramatische innere Monologe alles andere als zu schade. Zuletzt weitet sich sogar die Tragweite von Zetians Kampf noch einmal stärker aus als vorhergesehen, da eine Enthüllung am Ende eine sehr interessante Ausgangssituation für den nächsten Band schafft.


Fazit

„Iron Widow“ setzt die Idee der rebellischen jungen Frau in einer dystopischen Gesellschaft bildgewaltig und mit neuer - und willkommener - Kompromisslosigkeit um. In diesem mitreißenden Roman ist vieles sehr dick aufgetragen, macht aber auch sehr viel Spaß. Eine echte Bereicherung sind die von chinesischer Geschichte inspirierten Elemente.


Pro und Contra

+ bildgewaltig
+ temporeich
+ schöne Auflösung des romantischen Subplots
+ spannende Wendungen
+ erfrischend kompromisslos und wütend
+ interessante Mischung verschiedener Einflüsse

- Zetian kommt ein wenig „not like the other girls”-mäßig rüber und es irritiert ein wenig, dass sie ohne jede äußere Ermutigung lebenslanger Indoktrination widerstehen kann
- Manchmal geht über dem ganzen Sci-Fi-Spektakel das Gefühl verloren, dass die Figuren reale Meschen sind

Wertung: 

Handlung: 4,5/5
Figuren: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis-Leistung: 3,5/5

Tags: Xiran Jay Zhao, Chinesisch inspirierte SF