Der Schwur der Adlerkrieger (Jin Yong)

Jin Yong Schwur Adlerkrieger

Heyne, 2021
Originaltitel: Shediao yingxiong zhuan 2 (1959, 1976, 2003)
Übersetzung aus dem Chinesischen von Karin Betz
Klappbroschur, 560 Seiten
€ 16,99 [D] | € 17,50 [A] | CHF 25,90
ISBN 978-3-453-31992-9

Genre: Fantasy, Historik


Rezension

Jin Yongs Die Legende der Adlerkrieger, der erste Teil des Epos‘ von den Adlerkriegern, ist in deutscher Erstausgabe seit November 2020 bei Heyne erhältlich. Nun gibt es den zweiten Band, Der Schwur der Adlerkrieger, ebenfalls aus dem Chinesischen übersetzt von der Sinologin Karin Betz. Die Übersetzerin hat dem Text ein fünfseitiges Personenverzeichnis und vierzehn Seiten Glossar beigefügt. Umfangreiche Anmerkungen wie im ersten Band gibt es hier nicht.

Der Schwur der Adlerkrieger konzentriert sich auf das Liebespaar Guo Jing und Huang Rong. Ihre Beziehung bleibt bei Hofe nicht unentdeckt. Sie sind nicht mehr sicher und verschwinden von dort zur Pfirsichblüteninsel, Huang Rongs Herkunftsort. Hong Qigong, der Bettler des Nordens und einer der fünf Großmeister des Jianhu, nimmt Guo Jing als Schüler an. Aber er erwartet dafür eine Gegenleistung: Huang Rong zaubert ihm vorzügliche Gerichte. Ihre kulinarischen Fähigkeiten stehen ihrer Kampfkunst in nichts nach. Das will einiges heißen, war doch ihr Vater Huang Yaoshi ihr Lehrer, der Ketzer des Ostens, einer der fünf Großmeister. Huang Rongs Kochfertigkeiten adressieren eine andere Sphäre des Kung Fu.

Auf die Kindheit der beiden Protagonisten folgt in Der Schwur der Adlerkrieger das Erwachsenwerden. Das bedeutet im Wesentlichen die auf das ursprünglich formulierte Ziel ausgerichtete Weiterbildung im Kung Fu, aber auch Erfahrungen in der ersten Liebe, einhergehend mit emotionalen Verwirrungen. Sie lernen schnell, im Kung Fu wie in der Liebe. Huang Rongs Vater hat für seine Tochter einen anderen Mann vorgesehen, ist deshalb von ihrer Wahl wenig begeistert. Und auch Guo Jing erfährt bald, dass er anderweitig ehelich verplant ist. Aber ihre Liebe ist Ausdruck einer harmonischen Beziehung von Yin und Yang, aus der heraus sie in der Lage sind, allen auf sie wartenden Herausforderungen zu begegnen.

Die Suche nach dem Buch „Der Wahre Weg der Neun Yin“ wird fortgesetzt. Die darin angeblich enthaltenen Versprechen von Unsterblichkeit und Unbesiegbarkeit locken viele Kampfkünstler mit verschiedenen Kampfstilen in die Handlung. Guo Jing ist weiterhin etwas tumb und langsam, so bekommt er nicht immer mit, was um ihn herum geschieht, aber er ist liebenswert.

Im zweiten Teil der Reihe entwickelt Jin Yong seine phantastische Welt in die Tiefe und Breite weiter. Während er den uns bereits bekannten Charakteren weitere Facetten und mehr Tiefe verleiht, führt er neue Nebenfiguren ein. Auch hier sind es wieder Menschen wie der Dieb Zhou Botong, die etwas erleben wollen und dabei sich selbst kennenlernen. Weiter werden uns die Großmeister des Jianghu nähergebracht. Nicht alle der Nebenfiguren sind gut konturiert, ein paar sind recht flach gezeichnet, was sich mit ihrer relativen Bedeutung für die Erzählung erklären lässt. Das Werk wird, zumindest im Westen, gerne mit Tolkien verglichen. Man kann es aber ebenso beispielsweise mit Charles Dickens vergleichen. Machtlose werden ausgebeutet und unterdrückt, sogenannte Helden schwingen sich auf, ihnen beizustehen.

Die Geschichte wirkt auf uns bisweilen ein wenig ungeordnet, weil sie nicht für in westlicher Rezeptionsweise klassischer Manier erzählt wird, allerdings auch nicht die heute übliche Fragmentierung mit Blick auf die Zeit und den Raum der Handlung bietet. Recht früh wird eine Schlacht geboten, die primär die Bühne für das Folgende bereitet. Die Ausbildung Guo Jings im Kung Fu wird fortgesetzt und bietet die Möglichkeit, den Leser*innen zu vermitteln, wie die Charaktere designt sind, warum sie in bestimmter Weise denken und handeln.

Die kulturelle Seite der Erzählung spielt in Der Schwur der Adlerkrieger eine größere Rolle, und wir können sie auch besser nachvollziehen. Gleichzeitig kommt es zu einer intensiveren Bindung an die Charaktere, was aber auch daran liegen kann, dass sie im ersten Band erst erschlossen werden mussten, bei ihrer Fremdartigkeit kein einfaches Unterfangen. Zwar gibt es in beiden Büchern eine große Zahl an Haupt- und Nebenfiguren. Aber wer den ersten Band gelesen hat, findet sich wesentlich besser zurecht, weil einige Figuren und Beziehungen bereits bekannt sind. Wir müssen nicht mehr so viele grundlegende Informationen verarbeiten, weshalb wir uns stärker auf den Weg der Hauptfiguren konzentrieren können.

Die ausgefeilten Dialoge tragen aufgrund ihrer Qualität viel zum Unterhaltungswert bei. Weiter gibt es große Actionmomente, die manche Leser*innen vielleicht als filmisch bezeichnen würden. Die Übersetzung von Karin Betz liest sich sehr gut, ohne dass ich das Original zum Vergleich heranziehen könnte. Aber im Ton und in den Dialogen erinnert es mich an Kung-Fu-Filme aus China oder Hongkong. Auch die Beschreibung von Kampfszenen wirkt so energetisch wie in Filmen, die nicht unerheblich durch das Werk Jin Yongs beeinflusst sind, das selbst wiederholt verfilmt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass die Leser*innen ein solches Interesse an der Reihe haben, dass sie weiter übersetzt wird.


Fazit

Die Legende der Adlerkrieger endet abrupt. Der Schwur der Adlerkrieger setzt die Geschichte ebenso abrupt fort. Zum Einstieg dürfte es sinnvoll sein, wenigstens den Schluss des ersten Buchs noch einmal zu lesen. Der Autor verwebt auf hervorragend unterhaltsame Weise Geschichte und Fantasy, reale und fiktionale Charaktere miteinander.


Pro und Kontra

+ eine einzige Abfolge erzählerischer Höhepunkte
+ Einblick in die Geschichte und fremde Kulturen
+ hilfreiche Anhänge und Personenverzeichnis

Wertung:sterne5

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Rezension zu Die Legende der Adlerkrieger

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Tags: historische Fantasy, Asien, China, Kung Fu