Almuts Bestenliste: 20 Fiktionen

Die Bestenlisten mit 20 Titeln sollen, darauf haben wir uns in der Redaktion geeinigt, Bücher enthalten, die auf Literatopia rezensiert wurden. Das schließt einige Bücher aus, weil ich meine Lieblinge zum guten Teil gar nicht besprochen habe. Bücher können auf eine seltsame Art verlieren, wenn sie auseinandergenommen werden. Dass muss keine umfassende Analyse mit Interpretation sein. Da reicht mitunter das, was am Ende zu einer Rezension führt. Manche meiner Lieblingsbücher haben ihren besonderen Reiz vermutlich nur weiterhin, weil ich die Beschäftigung mit ihnen sehr kurz gehalten habe, weil ich meinen Blick auf sie in einem Schwebezustand halte. Eins dieser Bücher ist The God of Small Things von Arundhati Roy. Diese Bücher habe ich nie „bearbeitet“ und werde es wohl auch nie machen. Aber eine Bestenliste rezensierter Titel, das geht. In der Frage, ob ich nur aus meinen Rezensionen oder aus allen auswähle, habe ich mich für alle entschieden. Sachbücher sind in dieser Liste nicht enthalten. 

Ich werde diese Liste nicht regelmäßig überprüfen, ständig abwägen, ob ein Titel nicht ersetzt werden sollte, werde aber gelegentlich einen Ersatz vornehmen. Judith nimmt kein Ranking vor. Dem folge ich, weil ich es sinnvoll finde. Die Ausgangsliste habe ich so erstellt, dass ich die Titel in der Reihenfolge aufführe, wie sie mir eingefallen sind. Dann habe ich, weil ich bei manchen Büchern nicht wusste, ob sie rezensiert sind, die Suchroutine in Literatopia bemüht. So bin ich dann schlussendlich auf meine erste Liste gekommen. Um den Kanal nicht mit den üblichen Verdächtigen zu verstopfen, habe ich nur Titel aus den letzten paar Jahren gewählt. 

Es handelt sich in erster Linie um Bücher, die mir mit Blick auf eine Bestenliste eingefallen sind. Ob das ein gutes Kriterium ist, weiß ich nicht. Es müssen nicht die besten Bücher sein, aber es wird schon einen Grund geben, warum sie mir vor anderen in den Sinn gekommen sind. Judith hat in ihrem Beitrag ein paar mögliche Gründe genannt: „Bücher, die mich nachhaltig bewegt und fasziniert oder auch schlicht sehr gut unterhalten haben“. Und hier sind sie: 

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"Barbarotti und der schwermütige Busfahrer" von Håkan Nesser

Håkan Nesser setzt sich in intelligent konstruierten Geschichten mit philosophischen Themen auseinander. Mein Lieblingsbuch von ihm ist Die Lebenden und die Toten von Winsford. Da es hierzu aber keine Besprechung in Literatopia gibt, wähle ich aus dem Rezensionsbestand exemplarisch den Barbarotti, der im Vordergrund einen Rätselkrimi entwickelt und dahinter existenzielle Fragen in einem bedrohlichen Zusammenhang behandelt.

"Daheim" von Judith Hermann

Ich liebe Judith Hermanns Bücher. Dies halte ich zwar nicht für ihr bestes Werk, aber es ist das einzige bisher für Literatopia rezensierte. Figuren, die ihre Vergangenheit und ihre Vorstellungen vom Leben mit sich herumschleppen, werden von der Autorin einer Vivisektion unterzogen, ohne dass ihr Skalpell zu sehen ist.

 "Perdido Street Station" von China Miéville

Mir gefällt der (von Swantje rezensierte) Roman vor allem, weil Miéville eine faszinierende und sehr detailreiche Fantasywelt entworfen hat. In der Originalsprache ist das Buch eine Herausforderung der angenehmen Art.

"Der Dschungel" von Kristina Gehrmann

Eine überzeugende Comic-Adaption des Romans von Upton Sinclair. Die Charaktere träumen von einem besseren Leben und sind bereit, für dessen Verwirklichung sehr viel auf sich zu nehmen, während andere an ihrer Ausbeutung verdienen.

"Piranesi" von Susanna Clarke

Susanna Clarke hat mit Piranesi mein Lieblingsbuch des Jahres 2020 veröffentlicht, eine sprachlich, formal und inhaltlich beeindruckende Mystery-Geschichte. Eine großartige Lektüre mit einem ebensolchen Protagonisten, in den ich mich sukzessive "hineingelesen" habe.

"Herr der Krähen" von Ngũgĩ wa Thiong’o

Legt die globalen und regionalen Rahmenbedingungen offen, die die Existenz und den Machterhalt von Diktatoren ermöglichen. Ein Bild Afrikas im zwanzigsten Jahrhundert und seiner Einbindung in zweitausend Jahre Welt- und Kulturgeschichte. Eine gelungene Simulation der afrikanischen oralen Erzähltradition im gedruckten Text.

"Blut und Feuer" von Artjom Wesjoly

Wesjoly erzählt über die Russische Revolution und den auf sie folgenden Bürgerkrieg. Den ewigen Gesetzmäßigkeiten dieser Welt, wie sie unterschiedlich von Ideologien behauptet werden, setzt er einen irrsinnigen Fluss vernunftähnlicher Handlungen entgegen, die weitgehend vorbewusst wirken.

 "Die Legende der Adlerkrieger" von Jin Yong

Die Adlersaga, die zwar in China ein Klassiker ist, bei uns aber jetzt erst übersetzt wird, ist eine lohnende Lektüre für diejenigen, die wie ich dem Hongkong-Kino zugeneigt sind, seien es nun dessen historische oder zeitgenössische Actionfilme. Der zweite Band (Der Schwur der Adlerkrieger) ist kürzlich erschienen, die Übersetzung des dritten ist in Arbeit. Ein schönes Langzeitprojekt.

"Meine dunkle Vanessa" von Kate Elizabeth Russell

Teenager Vanessa möchte wahrgenommen und bewundert werden. Ihr Englischlehrer Strane verführt sie und macht sie sich sexuell gefügig. Das Buch nehme ich hier auf, weil es ein intelligentes Psychogramm eines Opfers von Pädokriminalität und einer der differenziertesten Beiträge zur #MeToo-Debatte ist.

"Das Bildnis des Dorian Gray" von Amálie Kovářová und Petr Šrédl

Basiert auf Oscar Wildes Roman von 1891, der zur Zeit seiner Veröffentlichung als Affront gegen die herrschenden Werte empfunden wurde und Homosexualität thematisiert.

"Der weiße Tiger" von Aravind Adiga

Adiga gibt in seiner Geschichte über einen moralischen Protagonisten mit Aufstiegsambitionen einen Einblick in die Wirklichkeit des modernen Indiens, das mit dem traditionellen Indien kollidiert, frei von sozialer oder sonstiger Romantik.

 "Der Outsider" von Stephen King

Ausgerechnet der populärste Horrorautor gewinnt dem mittlerweile wieder sehr formelhaft daherkommenden Kriminalroman ein paar reizvolle neue Facetten ab.

"Beate & Serge Klarsfeld. Die Nazijäger" von Pascal Bresson und Sylvain Dorange

Die von Markus rezensierte Graphic Novel bietet ein streng abgezirkeltes biographisches Narrativ. Das Ehepaar Klarsfeld, zwei politische Aktivisten im Kampf gegen Antisemitismus und das Bestreben, Menschheitsverbrechen dem Vergessen anheimzugeben.

"Binti" von Nnedi Okorafor

Kurzroman (von Swantje rezensiert), erster Teil von vier zusammenhängenden Geschichten, die dem Afrofuturismus zugeordnet sind. Entwicklungsgeschichte über eine junge Frau in der afrikanischen Diaspora.

"This Is What Happened" von Mick Herron

Herrons Slow Horses sind aufs Abstellgleis verschobene Agenten und Agentinnen des MI5, die den Rest ihrer Tage mit sinnlosen Tätigkeiten zubringen sollen. Daraus wird natürlich nichts. Die unterhaltsamen und linguistisch interessanten Romane entwickeln das größte Spionageuniversum seit John Le Carré.

 "Der letzte Prinz" von Steven Price

Verwendet Fürst Giuseppe Tomasi di Lampedusa und dessen Roman Der Leopard für eine Biografie und Reflektionen über den schriftstellerischen Prozess, besonders die immer gegebene Möglichkeit zu Scheitern. Ein melancholischer Text über das Ende einer Zeit und den Weg in eine neue Welt.

 "Die Wurzeln des Lebens" von Richard Powers

Ein leidenschaftlicher Roman über grundlegende Konflikte zwischen Mensch und Natur. Powers zählt für mich, kurz gesagt, zu den besten Schriftsteller*innen aller Zeiten.

"Schwarzer Leopard, roter Wolf" von Marlon James

Eine aus vielen Geschichten sich zusammensetzende Geschichte über eine Suche entlang afrikanischer Mythen und Legenden, wortgewaltig und brutal. Der erste Teil der Trilogie Dark Star, deren zweiter (im Original) für Ende März angekündigt ist.

"Klara und die Sonne" von Kazuo Ishiguro

Ein Zukunftsroman über die Auswirkungen, die der Einsatz von Androiden und genetic engineering auf Individuum und Gesellschaft haben können. Beeindruckende allegorische Dystopie mit einer künstlichen Intelligenz als Erzählerin.

"Die Stille des Todes" von Eva Garcia Sáenz

Erster Band einer Trilogie mit Inspector Unai López de Ayala, genannt Kraken. Durch seinen Umgang mit den Seiten „Täter“ und „ermittelnde Figuren“ einer der interessanteren Beiträge zum Subgenre „Serienkiller“. 

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