Wenn ich mir meine aktuellen Lieblingsbücher anschaue, fällt mir auf, dass die letzten 10 Jahre eine Reihe absolut brillanter Phantastik-Romane hervorgebracht habe. Die Liste ist sehr englisch-lastig geworden, aber immerhin ist nur etwa über die Hälfte der Bücher noch nicht auf Deutsch erschienen. Neben einer Menge Phantastik haben es auch allgemeine Belletristik und Non-Fiction auf die Liste geschafft.
„Neon Leviathan“ von T.R. Napper
T.R. Nappers Cyberpunk-Anthologie besticht mit ihrer großen Nähe zu den Figuren und mit ihrem kritischen Blick auf die Gegenwart.
„Am Fluss der Sterne“ von Guy Gavriel Kay
Guy Gavriel Kays von chinesischer Geschichte inspiriertes Epos erzählt nicht nur melancholisch und bewegend die Geschichte einer Vielzahl von Figuren, sondern stellt auch eine Meditation über Geschichte und Geschichtsschreibung dar.
„Waffenschwestern“ von Mark Lawrence
Obwohl die Geschichte in einer sterbenden, gnadenlosen Welt angesiedelt ist, ist „Waffenschwestern“ eine weitaus hoffnungsvollere Trilogie, als man erwarten könnte. Die Romane bieten kathartische, wunderbar überzeichnete Actionszenen, aber vor allem überzeugen die vielen tollen Frauenfiguren und ihre Freundschaften.
„The Arcadia Project“ von Mishell Baker
In der „Arcadia Project“-Trilogie erzählt Mishell Baker mit treffsicherem Humor und viel Empathie von einer scharfzüngigen Regisseurin, die sich nicht nur mit Feen-Politik, sondern auch mit einer sehr stigmatisierten psychischen Erkrankung herumschlägt. Die Rezension findet Ihr auf Seite 97 des Phantast #21.
„Die göttlichen Städte“ von Robert Jackson Bennett
Robert Jackson Bennetts Trilogie spielt in einem spannenden, postkolonialen Setting und erzählt hier eine Geschichte über Menschen und Götter, die sich nicht nur mit ihrer seltsamen Bildgewalt, sondern auch mit ihren interessanten Figuren und den im Hintergrund stehenden Themen einprägt.
„Green Bone Saga“ von Fonda Lee
Fonda Lee erschafft in der „Green Bone Saga“ eine dynamische Sekundärwelt, die sich so real anfühlt wie unsere eigene, und plastische, sich entwickelnde Figuren, die überzeugend in ihr verwurzelt sind. Auf dieser Grundlage entwickelt sie eine reife, differenzierte Familiensaga.
„The Sword of Kaigen“ von M.L. Wang
Auch in „The Sword of Kaigen” geht es um eine sehr besondere Familie in einem asiatisch inspirierten Fantasy-Setting, allerdings schieben sich hier die fantastischen Elemente noch mehr in den Vordergrund. Wang hat eine sehr interessante Entscheidung getroffen, was die Struktur des Romans betrifft, und stellt den spektakulären Actionszenen eine sehr nahe gehende Erkundung von Themen wie Verlust und Familie gegenüber.
„10 Minutes, 38 Seconds in this strange world” von Elif Shafak
Elif Shafak gibt in diesem ungewöhnlich strukturierten Roman (teilweise besteht er aus den letzten Nachhallen von Erinnerungen im Gehirn einer Sterbenden) einen Einblick in die Lebensgeschichten einer Gruppe von Freund*innen, die sich in einer feindseligen Gesellschaft behaupten müssen.
„Die große Verblendung“ von Amitav Ghosh
Amitav Ghosh liefert in seinem kleinen, aber sehr anregenden Buch über den Klimawandel nicht nur die Perspektive einer Person, die einen Teil ihres Lebens dort verbringt, wo dessen Auswirkungen besonders früh und stark sichtbar werden. Er bietet auch eine interdisziplinäre Betrachtung des Themas und erkundet den Zusammenhang zwischen literarischen Traditionen und unserer (Un)Fähigkeit, solche weltbewegenden Entwicklungen zu begreifen.
„Under the Pendulum Sun“ von Jeanette Ng
„Under the Pendulum Sun” ist eine klug gemachte Mischung aus Portal Fantasy und Gothic Novel. Der atmosphärische Roman erzählt recht gemächlich die Geschichte eines Geschwisterpaars, das sich in das Spiel einer undurchschaubaren Feenkönigin verstrickt.
„Ring Shout“ von P. Djèli Clark
In „Ring Shout“ kommen amerikanische Geschichte, kosmischer Horror und Urban Fantasy zusammen. Der Roman erzählt mitreißend von einer jungen Schwarzen Frau, die im Georgia der 20er gegen Rassismus und die wortwörtlichen und metaphorischen Monster, denen dieser Tor und Tür öffnet, kämpft.
„Black Iron Legacy” von Gareth Hanrahan
Ich liebe seltsame, gefährliche Fantasymetropolen, in denen Technologie und Magie koexistieren, und die Stadt Guerdon, ein vermeintlicher Ruhepol in einer von sich bekriegenden Gottheiten ins Chaos gestürzten Welt, ist ein wunderbares Beispiel dafür.
„Seidenkrieger“ erzählt nicht nur die Geschichte einer Rebellion gegen Unterdrückung, sondern erkundet auch ausgiebig die Frage, wie die Rebell*innen anschließend besser herrschen können.
„Die linke Hand der Dunkelheit“ von Ursula K. le Guin
Ursula K. le Guins Science-Fiction-Roman ist vor allem berühmt dafür, wie er anhand eines Gedankenexperiments die Rolle von Geschlecht erkundet, aber es stecken noch spannende Gedanken zu vielen anderen Themen darin. Bereits das Vorwort der Autorin ist sehr lesenswert.