Humbug über Xenosol (Tino Falke)

Hybrid Verlag (Dezember 2021)
Taschenbuch, 190 Seiten, 12,90 EUR
ISBN: 9783967411447

Genre: Science Fiction / Space Opera


Klappentext

Eine kosmische Bedrohung nähert sich dem Planeten Xenosol. Ebaneez Scrooge, Kommandant der Raumstation Humbug, muss abwägen, ob er die Bevölkerung warnen und aufnehmen will, oder sie ihrem Schicksal überlässt. Bevor er sich entscheiden kann, erhält er einen Notruf seines ehemaligen Partners, der entführt und in Ketten gelegt wurde. Und während ein technischer Defekt die Station in Schnee versinken lässt, taucht in seinem Quartier eine Zeitreiseagentin auf, die den Auftrag hat, ihn in die Vergangenheit zu schicken. Scrooge steht eine außergewöhnliche Nacht bevor. Mit ungewissem Ausgang – nicht nur für ihn selbst.


Rezension

In „Humbug über Xenosol“ adaptiert Tino Falke Charles Dickens‘ „A Christmas Carol“ als Science Fiction – was erst einmal skurril klingt, aber wunderbar funktioniert: Ebaneez Scrooge ist Kommandant der Raumstation Humbug, die die Bevölkerung des Planeten Xenosol studiert. Ein technischer Defekt führt dazu, dass sich überall auf der Station Schnee und Eis anhäuft, und dann will die Besatzung auch noch eine Party feiern. Der alte Scrooge vergräbt sich lieber in Arbeit, denn ihm steht eine schwere Entscheidung bevor: Xenosol droht eine kosmische Katastrophe und nun gilt es zu bestimmen, ob man sich der Bevölkerung des Planeten offenbaren und sie retten oder sich nicht einmischen sollte. Bevor Scrooge zu einer Entscheidung kommt, wird er von einer Zeitreiseagentin in die Vergangenheit entführt – angeblich hat jemand diese besondere Reise für ihn gebucht. Dabei hat er dafür gar keine Zeit! …

Ebaneez Scrooge war noch nie besonders gesellig. Schon als Kind hatte er am liebsten seine Ruhe, um zu lernen, und als alter Kommandant kümmert er sich zwar vorbildlich um seine Besatzung, pflegt aber kaum Freund- und Bekanntschaften. Und er hat eine Abneigung gegen intelligente Maschinen, da sein Heimatplanet von bösartigen Maschinenwesen zerstört wurde. Die Kriegserfahrungen haben ihn gezeichnet und so erscheint Scrooge unnahbar, eigenbrötlerisch und zuweilen hart. Dabei macht er sich durchaus Gedanken um die Bewohner Xenosols, für die er bisher wenig Interesse gezeigt hat, und tut sich mit seiner Entscheidung sehr schwer. Immerhin sind die Xenos einst auf den Planeten geflüchtet, weil sie ein Leben ohne Technologie führen wollten. Wer gibt ihm das Recht, sich einzumischen? Aber wäre es moralisch vertretbar, sie einfach ihrem tödlichen Schicksal zu überlassen?

Bevor Scrooge seine Reise in die Vergangenheit antritt, erhält er eine mysteriöse Nachricht von seinem Ex-Partner, der sich offenbar in Gefangenschaft befindet – und ihn vor einer Frau warnt. Als kurz darauf die Zeitreiseagentin Blinn auftaucht, ist Scrooge natürlich misstrauisch, zumal er noch nie davon gehört hat, dass Zeitreisen möglich sind. Blinn bringt ihn zurück zu entscheidenden Momenten und obwohl sie Scrooge gesagt hat, dass er die Vergangenheit nicht ändern kann, versucht er trotzdem und setzt damit eine Kette von Ereignissen in Gang, die die Gegenwart in einem anderen Licht erscheinen lassen. Nicht nur Xenosol, auch die Raumstation ist in Gefahr. Letztlich kann nur jemand aus der Zukunft helfen, die Katastrophe zu verhindern. Während es in Dickens‘ Weihnachtsgeschichte um Scrooges Selbsterkenntnis geht, geht es in „Humbug über Xenosol“ zwar auch um Srooges innere Entwicklung, aber genauso um eine konkrete Bedrohung für die anderen Charaktere.

Zeitreisegeschichten gehören in der Science Fiction zu den unterhaltsamsten, bringen aber immer auch Paradoxien und Logikfehler mit sich. Auch in „Humbug über Xenosol“ ist es so, dass Ereignisse aus der Vergangenheit durch die Zeitreise ausgelöst wurden, worüber man besser nicht zu lange nachdenkt. Tino Falke bringt zusätzlich ein paar coole Ideen ein, so beeinflusst das Zeitreisen beispielsweise den Körper der Zeitreisenden, die sich verjüngen, wenn sie in die Vergangenheit reisen – was zu lustigen Situationen führt. Überhaupt steckt in Tino Falkes Erzählstil jede Menge Humor, den er gelegentlich übertreibt, meist aber in einer guten Balance mit Action und Emotionen einbindet. Stellenweise gibt es auch ein bisschen SF-Horror.

Während Scrooge als Protagonist vielschichtig ausgearbeitet wurde, bleiben viele Nebencharaktere in der Kürze des Romans etwas eindimensional. So gibt es hier Stereotype wie den durchgeknallten Wissenschaftler oder die liebeskranke Freundin, deren extreme Gefühle bisher nie zu erahnen waren. Oder auch die Killermaschinen, über deren Motive man nichts erfährt und die einfach nur fies und tödlich sind. Das alles liest sich aber trotzdem unterhaltsam, auch weil es immer wieder spannende Abweichungen gibt. Sehr gelungenen und schön zu lesen ist die Vielfalt auf der Raumstation, wo unterschiedlichste Spezies zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Bräuche respektieren und zelebrieren. Gerne hätte man mehr über Scrooges Ex-Partner erfahren, für den er immer noch Gefühle hat, da die beiden in den wenigen gemeinsamen Szenen gut harmonieren.

Hervorzuheben ist auch die Gestaltung des kleinen Taschenbuchs, das neben einem ansprechenden Cover auch einige Illustrationen von Isabel Schmiedel im Innenteil bietet. Diese halten in schwarz-weiß wichtige Szenen des Romans fest.


Fazit

„Humbug über Xenosol“ ist eine humorvolle SF-Variante der Weihnachtsgeschichte, inklusive chaotischer Zeitreise, kosmischer Bedrohung, verschiedener Alienkulturen und einem mürrischen Protagonisten, der seine Vergangenheit überwindet und neuen Mut für die Zukunft findet.


Pro und Contra

+ humorvolle Zeitreisegeschichte
+ Kommandant Scrooge ist vielschichtig ausgearbeitet …
+ … und sympathischer als in Dickens‘ Weihnachtsgeschichte
+ coole, stimmungsvolle Details wie Schnee im All
+ unterhaltsam und locker geschrieben
+ respektvoller Umgang mit Bräuchen verschiedener Alienspezies
+ ansprechende Gestaltung inklusive einiger Illustrationen

- stereotype Nebenfiguren / Feinde
- vieles kommt zu kurz

Wertungsterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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Tags: Space Opera, Tino Falke, queere Figuren, progressive Phantastik, Weihnachtsgeschichte, deutschsprachige SF, Aliens