Droemer Knaur (August 2021)
Übersetzer: Oliver Plaschka
Paperback, 608 Seiten, 16,99 EUR
ISBN: 978-3-426-52686-6
Genre: Science Fiction / Military-SF / Coming of Age
Klappentext
Spensas Planet wir seit Jahrzehnten von den kriegerischen Krell angegriffen – nur die Flotte der Raumschiff-Piloten steht noch zwischen den Menschen und den überlegenen Aliens. Hoch oben bei den Sternen als Pilotin ihre Heimat zu schützen ist alles, wovon Spensa jemals geträumt hat. Doch ihre Chancen dafür stehen gleich null: Spensas Vater gilt als Verräter, seitdem er urplötzlich sein Team im Stich ließ und dabei sein Leben verlor. Jedoch könnte eine unerwartete Wendung Spensa, allen Widerständen zum Trotz, doch noch hinauf zu den Sternen führen …
Rezension
Für Spensa ist ihr verstorbener Vater ein Held, auch wenn er in der menschlichen Gemeinschaft als Feigling gilt. Er soll einst in einer Schlacht gegen die Krell die Flucht ergriffen haben und wurde zur Strafe abgeschossen, doch Spensa ist überzeugt, dass da ein Missverständnis vorliegt – oder schlimmer noch: eine Verschwörung. Sie und ihre Mutter werden verachtet und gemieden, trotzdem träumt Spensa davon, Pilotin eines Raumjägers zu werden und irgendwann die Sterne zu sehen. Das Militär will sie als Tochter des Feiglings nicht und legt ihr immer wieder neue Steine in den Weg. Doch der ehemalige Wingmate ihres Vaters setzt sich für sie ein und so wird Spensa doch noch an der Flugschule aufgenommen – wo man sie mit aller Macht herausekeln will. Spensa gelingt es jedoch, ihr überbrodelndes Temperament im Zaum zu halten. Sie schließt Freundschaften und überwindet sich immer wieder selbst, doch bald erkennt sie, dass der erbitterte Kampf gegen die Krell nicht so glorreich und heldenhaft ist, wie gedacht …
In Brandon Sandersons „Skyward – Der Ruf der Sterne“ leben die Menschen auf einem fremden, kargen Planeten, auf dem sie vor vielen Jahrzehnten notgelandet sind. Dort haben sie ihre Städte in unterirdischen Höhlen errichtet, die Schutz vor den Angriffen der Krell bieten. Wer die Aliens eigentlich sind, wie sie aussehen und was sie antreibt, wissen die Menschen nicht. Nur, dass sie immer wiederkehren und jedes Mal mehr Pilot*innen bei der Verteidigung sterben. Schutz bietet ihnen vor allem der Trümmerring, der den Planeten umgibt und den Blick auf die Sterne verhüllt. Der Klappentext ist hier etwas ungenau, denn die Kämpfe gegen die Krell finden nicht zwischen den Sternen, sondern auf der Planetenoberfläche statt, wo die Menschen die angreifenden Krell mit relativ kleinen, wendigen Raumjägern attackieren und von ihren Siedlungen fernhalten.
„Skyward“ ist vor allem die Coming-Of-Age-Geschichte der Protagonistin Spensa, die anfangs eine laute und temperamentvolle junge Frau ist, für die Angriff die beste Verteidigung ist. Auf den ersten Blick strotzt sie vor Selbstbewusstsein, doch damit überspielt sie nur ihre tiefe Unsicherheit, die Jahre voller Anfeindungen in ihre junge Seele geprügelt haben. Es ist teilweise schwer zu ertragen, zu lesen, wie Spensa für die Tat ihres Vaters verantwortlich gemacht und ausgegrenzt wird. Auf der Flugschule bekommt sie kein Essen und keine Unterkunft, damit sie sehr viel Zeit mit Pendeln verbringt. Man hofft, dass sie aufgibt, doch Spensa weiß sich zu helfen und zieht kurzerhand in eine Höhle nahe der Flugschule, wo sie sich Ratten jagt – und einen kaputten Raumjäger findet, den sie zusammen mit ihrem besten Freund Rig repariert. Die beiden sind ein Superteam und einfach richtig gute Freunde, zusammengeschweißt von ihren Stärken und Schwächen. Eine gezwungen wirkende Liebesgeschichte erspart Brandon Sanderson den Leser*innen.
Auf der Flugschule gerät Spensa schnell mit ihrem Staffelführer Jorgen aneinander, da er aus einer reichen Familie stammt und die Prüfung nicht einmal ablegen musste. Sie ist wütend auf seine Privilegien und empfindet es als ungerecht, dass er ohne Leistung auch noch Staffelführer wird. Doch bald muss sie erkennen, dass auch für Jorgen nicht alles einfach ist. Er muss die Erwartungen seiner Eltern erfüllen, zudem hat er nicht einfach alles geschenkt bekommen, sondern besitzt durchaus die nötigen Qualifikationen. Die anderen Mitglieder aus Spensas Staffel werden schnell weniger, manche sterben im Kampf, für den sie noch gar nicht richtig ausgebildet sind, andere verlassen auf Drängen der wohlhabenden Eltern die Flugschule. Der Rest wächst dafür immer stärker zusammen und Spensa ist erstmals Teil einer Gemeinschaft, die Spenas Vorzüge zu schätzen weiß.
Der Autor versteht sein Handwerk und erzählt mit der richtigen Mischung aus Action und Emotionen, um die Leser*innen mitzureißen. Sein Worlbuilding ist ausreichend für großartiges Kopfkino, lässt jedoch entscheidende Details vermissen und zu viele Fragen offen. So werden zwar diverse Erklärungen dafür geliefert, warum die Krell immer nur in überschaubarer Anzahl angreifen, doch mit zunehmender Seitenzahl erscheint der Konflikt immer rätselhafter und unsinniger – und es wird klar, dass die große Enthüllung auf den letzten Seiten kommt. Auch wundert man sich darüber, dass eine einzelne Frau die Führung des Militärs innehat und scheinbar alle anderen überstimmen kann. Sie verheizt die jungen Pilot*innen regelrecht und die meisten glauben, einen ehrenhaften Tod zu sterben. Spensas Ausbilder ist der einzige, der seinen Schüler*innen eintrichtert, dass ihr Leben wichtiger ist als der Heldentod.
„Skyward“ wäre bestens als opulenter Kinofilm mit effektreichen Raumjägerschlachten geeignet. Große Teile des Romans konzentrieren sich auf das Schlachtgeschehen und Flugübungen, unterbrochen von emotionalen Szenen, in denen die jungen Pilot*innen in Streit geraten oder freundschaftliche Bande knüpfen. Während man die meisten Nebenfiguren im Verlauf des Romans einfach besser kennenlernt, macht Spensa eine riesige Entwicklung durch und reift spürbar. Ihr berechtigter Zorn über ihre ungerechte Behandlung verraucht langsam und Spensa erkennt, dass am Krieg nichts Ruhmreiches ist. Auf die Ernüchterung folgt allmählich neuer Mut und am Ende erlebt man eine erwachsenere, erneut zu Recht wütende und stärkere Spensa.
Fazit
„Skyward – Der Ruf der Sterne“ ist eine Comic-of-Age-Story im Military-SF-Gewand, die ihre Kraft vor allem aus der enormen Entwicklung der Protagonistin bezieht. Spensas Lebens- und Leidensweg berührt die Leser*innen, denen großes Kopfkino geboten wird – dem Worldbuilding mangelt es jedoch an entscheidenden Details.
Pro und Contra
+ Spensa ist eine starke Persönlichkeit, die sich nicht unterkriegen lässt
+ Comic-of-Age-Story mit enormer Entwicklung
+ Vorurteile werden entlarvt und korrigiert
+ gute Mischung aus Action und Emotionen
+ Zusammenhalt der jungen Pilot*innen
+ opulentes Kopfkino
+ tolle Gestaltung mit metallisch glänzendem Cover
o SF mit stark militarisierter Gesellschaft
- dem Worldbuilding mangelt es an Details
- das Verheizen der jungen Pilot*innen ist schwer zu ertragen
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5
Interview mit Brandon Sanderson (2011)