Kalt wie Schnee, hart wie Eisen (Jenny-Mai Nuyen)

cbt (August 2021)
Paperback mit Klappen
398 Seiten, 13,00 EUR
ISBN: 978-3-570-31341-1

Genre: High Fantasy


Klappentext

Eine Königin ohne Herz, ein unbestechlicher Rebell und eine Liebende ohne Namen

Vom Vater verstoßen und von der Mutter verraten, wuchs die Königstochter Kanemô fernab des Palasts in einem Kloster auf. Als der Vater stirbt, will der Rebellenführer Heganen sie zur Frau nehmen, um so auf den Thron zu gelangen. Doch Kanemô will die Macht für sich. Durch einen Pakt mit einer mächtigen Hexe gelingt es ihr, Heganen unter ihre Kontrolle zu bringen und als ihre Marionette regieren zu lassen. Dafür verlangt die Hexe ihr Herz. Erst als sich der Rebell Perakín unerklärlicherweise in sie verliebt, beginnt Kanemô zu begreifen, was ihr fehlt. Aber kann sie ihr Herz zurückbekommen?


Rezension

„Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ enthält viele Elemente und Motive, die Lesende auch aus anderen Büchern Jenny-Mai Nuyens kennen: Elfen, Menschen und Zwerge, geheimnisvolle, nebelverhangene Wälder, komplizierte Liebesgeschichten und weitaus mehr Melancholie und moralische Ambiguität, als man es angesichts der verwunschen-märchenhaften Ästhetik der Geschichte zuerst erwarten würde.

Im Zentrum der Geschichte steht Kanemô, Tochter eines launischen, unpopulären Königs und einer elfischen Mutter, die von einem Tag auf den anderen verschwindet. Sie ist die Erbin der Magie der menschlichen Königsfamilie, und kann aus einem magischen Kessel Bestien erschaffen und sie lenken. Aber diese Magie ist den Elfen von Madgar Yhs ein Dorn im Auge und so unterstützen sie eine Revolte des Bauernanführers Henganen und mehrerer abtrünniger Adliger gegen den König.

Kanemô, seit Jahren mehr oder weniger im Exil, seit ihre Mutter geflohen und sie selbst in Ungnade gefallen ist, weiß nicht, was sie empfindet. Sie weiß nur, dass sie sich nicht von ihrem Erbe abwenden möchte. Und die Zwergenhexe Liotan bietet ihr eine Chance, ihr Schicksal – und das des ganzen Landes – in die Hand zu nehmen. Im Austausch gegen ihr Herz erhält Kanemô ein Mittel, mit dem sie Henganen töten und seinen Körper mit ihrem Willen lenken kann. Kanemô ist eine interessante Figur, halb unsichere Jugendliche und politischer Spielball, empfänglich für Perakíns Zuneigung und Idealismus, halb bereits von Anfang an die kalkulierende Herrscherin, die andere täuscht und opfert.

Unterdessen fragen sich die erfolgreichen Rebell*innen, wie es weitergehen soll, und welche Kompromisse sie eingehen sollten, um ihre Macht zu festigen. Zwerge und Elfen haben ihre eigenen Interessen und spielen verschiedene Gruppen gegeneinander aus. Und nun fragen sich der idealistische Fürstensohn Perakín und die junge elfische Heerführerin Laurien, ob ihr Kampf es wert war. Themen von Desillusionierung und Manipulation, falsche Identitäten und Verstrickungen in Lügen durchziehen das Buch und eigentlich kommen nur Laurien und Perakín wirklich gut weg. Anders als Kanemô und Laurien wird nicht aus seiner Perspektive geschrieben und er entwickelt sich nicht wirklich weiter, sondern ist eher dazu da, mit seinem Festhalten an den Idealen der Revolution und seinem Glauben an einige andere Figuren Entwicklungen in diesen anzustoßen.

Der Ton des Buches ist gerade zu Anfang ein wenig distanziert. „Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ ist aber auch von Anfang an in einer schönen, poetischen Sprache geschrieben und mit der Zeit kommen die Figuren gefühlt näher, Laurien noch deutlich mehr als Kanemô. Die Welt – z.B. die Moore mit ihren in unregelmäßigen Abständen aufsteigenden und versinkenden Bergen – sind originell und atmosphärisch geschildert. Themen, Weltenbau, Politik und die Entwicklungen und Beziehungen der Figuren sind gut miteinander verwoben bzw. finden Echos ineinander. Die rätselhafte Magie, welche die Welt durchzieht, passt perfekt zu einem zentralen Motiv des Buchs und die manchmal sehr willkürliche Märchenlogik, der sie folgt, unterhöhlt nicht die Agency der Figuren.

Es gibt auch so einige Überraschungen, für die oft, aber nicht immer, die zwergischen Figuren verantwortlich sind, die hinter den Kulissen so einige Fäden ziehen. Ihre äußerliche Beschreibung bedient leider ein wenig das Klischee, dass Hässlichkeit und Hinterlist Hand in Hand gehen. Gleichzeitig sind aber auch z.B. die würdevollen Elfen von Madgar Yhs nicht über die rücksichtslose Verfolgung ihrer eigenen Interessen erhaben. Insgesamt fühlt sich das Buch am Ende befriedigend abgeschlossen an, auch wenn vielleicht ein paar Figurenentwicklungen noch etwas besser hätten vorbereitet sein können.


Fazit

„Kalt wie Schnee, hart wie Eisen“ kombiniert traditionelle Fantasy-Elemente und eine verwunschene, melancholische Atmosphäre mit Figuren, die tief in Geheimnisse und Manipulation verstrickt sind. Während die Ästhetik, die wichtige Rolle von (auch komplizierter und unglücklicher) Liebe und die noch sehr jungen Figuren gut zu klassischer Jugendfantasy passen, dürfte das Buch auch ein älteres Publikum ansprechen.


Pro und Contra

+ vertraute Elemente atmosphärisch und mit originellen Details geschildert
+ moralische Ambiguität
+ überraschende Wendungen
+ einzelne Elemente des Buches formen ein stimmiges Ganzes
+ schöner Stil

o gewisse Distanz zu den Figuren

-Schilderung der zwergischen Figuren bedient ein etwas unangenehmes Klischee
- einige wichtige Entscheidungen von Figuren hätten noch etwas besser vorbereitet sein können

Wertung: 

Handlung: 4/5
Figuren: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis-Leistung: 3,5/5


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Tags: jenny-mai nuyen, Elfen