Piper (Januar 2022)
Paperback, 432 Seiten, 17,00 EUR
ISBN: 978-3-492-70672-8
Genre: High Fantasy
Klappentext
Das Volk der Elfen hat die verzweifelte Suche nach seiner geraubten Seelenmagie beinahe aufgegeben. Noch immer hält der feindliche Magier Erlun das Orakel von Beskadur gefangen. Ardoasʼ Gefährten, die mit dem Verschwinden ihres Anführers ihre größte Hoffnung verloren haben, müssen alles auf eine Karte setzen und sich einer letzten großen Schlacht stellen.
Rezension
Der zweite Band der „Chroniken von Beskadur“ beginnt wie der erste mit Ardoas‘ Feier zur Volljährigkeit – und doch ist dieses Mal alles anders. Ardoas, der bereits viele Male (ohne Erinnerung) wiedergeboren wurde, weiß nun, was ihn erwartet. Im letzten Leben konnte er lediglich auf die Aufzeichnungen seiner früheren Inkarnation Ardoana zurückgreifen, doch dieses Mal haben Familie und Freunde ihn gezielt auf seine Mission, die Erinnerungen der Seelenmagierin Naromee zu finden, vorbereitet. Außerdem kann sich Ardoas durch die starken Bande zwischen ihm und seinen Geliebten Daludred und Jerudana erstmals bruchstückhaft erinnern. Und so sind auch die alten Gefühle wieder da, auch wenn Jerudana und Daludred inzwischen viel älter sind als er – oder immer noch viel jünger, wenn man seine vielen Inkarnationen berücksichtigt. Ardoas kehrt zurück nach Beskadur, wo inzwischen eine Gemeinschaft aus Elfen, Menschen und anderen Völkern Alvaredurs entstanden ist, die ihn mit offenen Armen empfängt. Sie alle sind bereit, gemeinsam mit ihm die letzte große Schlacht zu schlagen und seinem alten Feind endlich das Handwerk zu legen …
„Das Orakel in der Fremde“ vollzieht Ardoas‘ Reise aus „Das Erben der Elfenmagierin“ im Schnelldurchlauf nach. Er trifft auf viele alte Freunde, die sich seiner noch erinnern und ihm zur Seite stehen, aber auch auf neue Verbündete und die Kinder seiner Geliebten, die ihn als „Warledyr“, als Vater neben ihrem leiblichen Vater Daludred, akzeptieren. Ardoas ist überwältigt von der Liebe und Freundschaft, mit der er empfangen wird, aber er ist auch unsicher, ob er den hohen Erwartungen gerecht wird – und vor allem, ob er noch er selbst sein wird, wenn immer mehr Erinnerungen zurückkommen. Denn Ardoas ist seinem früheren Ich zwar sehr ähnlich, doch es gibt auch einige Unterschiede, die ihn einzigartig machen. Zudem ist die Wiederannäherung an Jerudana und Daludred etwas schwierig, immerhin trennen sie nun über dreißig Jahre, die sie nicht gemeinsam verbracht haben..
Jerudana und Daludred haben sich natürlich auch verändert, sie sind schlicht gealtert und verfügen über mehr Lebenserfahrung, sind Eltern geworden und führen die Gemeinschaft in Beskadur an. In vielen Gesprächen teilen sie ihre Erinnerungen, wobei der Fokus auf den Erlebnissen von Jerudana und Daludred liegt, da sie vieles aufgebaut haben, was ihnen nun von Nutzen ist, wie beispielsweise verschiedene Handelsbeziehungen. Jerudana ist immer noch eine starke Kriegerin und Daludred hat seine Orakelkräfte weiterentwickelt, wodurch er vorerst an Beskadur gebunden ist und seine Geliebten nicht begleitet, als diese aufbrechen, um nach Ardoas‘ Tante Zordura zu suchen. Ihre Spur führt zu ihren Feinden und die Gemeinschaft Beskadurs macht sich bereit, in den Kampf zu ziehen. Dazu werden auch neue Bündnisse geschmiedet und sogar Luftschiffe gekapert. Daludred vermisst man dabei, auch wenn er seine Geliebten in Gedanken stets begleitet und auf ihre Erinnerungen zugreifen kann. Überhaupt spielt das Teilen von Erfahrungen und Gedanken eine entscheidende Rolle im letzten Kampf.
Die Gruppe um Ardoas‘ und Jerudana kommt schnell voran, vor allem mit Hilfe von Magie und durch unerwartete Begegnungen. Dabei führt eines zum anderen. Das Endziel ist klar und diesem kommen sie mit jeder Station ihrer Reise näher. Ihre Gemeinschaft überwindet jedes Problem mit Freundlichkeit und Offenheit, während es innerhalb der vielfältigen Beziehungen sehr wenige Spannungen gibt – und falls es sie gibt, werden sie schnell gelöst. Das liest sich einerseits sehr schön, dass sich alle vertrauen und einander unterstützen, doch für die Spannung hätte man sich mehr Konflikte gewünscht. Insbesondere die Beziehung zwischen Ardoas‘ und den Kindern seiner Geliebten bleibt oberflächlich gut. Sie akzeptieren ihn sofort und Ardoas‘ fühlt sich zwar ein wenig seltsam damit, plötzlich Kinder zu haben, aber er nimmt es schnell hin und es bleibt kaum Zeit, die drei näher kennenzulernen. So bleiben die (schon erwachsenen) Kinder den Leser*innen leider fern.
Der Antagonist und seine Schergen bleiben dieses Mal nur blasse Schatten, die in der Ferne darauf warten, besiegt zu werden. Man erhält nur wenig Einblick in ihre Aktivitäten und bei der durch und durch positiven Atmosphäre der Geschichte ist eine Niederlage der Protagonist*innen ausgeschlossen. Es bleibt nur die Frage, wie sie letztlich zum Ziel kommen. Auch wenn sich dabei alles schnell fügt, ergibt es auf erfreuliche Weise Sinn, dass alte Verbündete der Gemeinschaft beistehen und frühere Hilfsbereitschaft belohnt wird. Alle vergangenen Begegnungen und Freundschaften geben Ardoas etwas zurück und jeder beteiligt sich auf seine Weise am alles entscheidenden Kampf.
Die Welt der „Chroniken von Beskadur“ ist eine klassische, ans Mittelalter angelehnte Fantasywelt, in der es zwar zahlreiche Spannungen und Intrigen gibt, die allerdings die Protagonist*innen kaum betreffen. Angriffe und Ärgernisse in der Vergangenheit werden nur kurz erwähnt, während die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte mehr Raum einnehmen. James A. Sullivan geht nahezu jeder Begegnung nach und berichtet, was aus den Figuren aus dem ersten Band und ihren Familien geworden ist. Dadurch wird man mit einer großen Menge verschiedenster Namen konfrontiert, über die man schnell den Überblick verliert – hier hilft dann ein Blick ins Personenverzeichnis im Anhang. Insgesamt liest sich „Das Orakel in der Fremde“ oft wie eine Zusammenfassung von Ereignissen, von denen viele allein einen ganzen Roman hätten füllen können. Es sollte mehr Dilogien in der Fantasy geben, doch hier wäre eine Trilogie vielleicht doch passender gewesen.
Fazit
In „Das Orakel in der Fremde“ erntet Elf Ardoas, was er und seine Geliebten im ersten Band „Das Erbe der Elfenmagierin“ (und der Zeit danach) gesät haben. In Beskadur ist eine wunderbar vielfältige Gemeinschaft entstanden, der es mit vereinten Kräften gelingt, einem einstmals übermächtigen Feind die Stirn zu bieten. „Die Chroniken von Beskadur“ sind eine Fantasy-Utopie voller Respekt und Freundlichkeit, die das Herz wärmt – und der etwas mehr Konflikte nicht geschadet hätten.
Pro und Contra
+ progressiver Weltenbau
+ Ardoas steht von Anfang an eine Gemeinschaft zur Seite
+ man erfährt Stück für Stück, was während Ardoas‘ Abwesenheit passiert ist
+ die Beziehung zwischen Ardoas, Jerudana und Daludred wird noch inniger
+ hoffnungsvolle, positive Grundstimmung
+ interessanter Einsatz von Magie / Teilen von Erfahrungen und Erinnerungen
+ Anhang mit Personenverzeichnis, Glossar und Inhalts-Tags
- deutlich zu kurz geraten
- zu wenige Konflikte
- blasse Antagonist*innen
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5
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