Der Letzte Schatten Bd.1 – Erstes Kapitel (Denis-Pierre Filippi, Gaspard Yvan)

Verlag: Splitter; (Januar 2022)
Gebundene Ausgabe: 48 Seiten; 16 €
ISBN-13: 978-3-96792-184-7

Genre: Drama/ Mystery


Klappentext

- Wovon reden die?

- Andrej meint, er wäre dem letzten Schatten begegnet. Ich glaube er hat vor allem etwas Wodka und eine gute Ausrede gefunden, um seine Wachrunde nicht zu machen …

- Was ist der Letzte Schatten, so eine Art Gespenst?

- Schön wär´s.


Rezension

Der erste Weltkrieg tobt. Irgendwo im verschneiten Russland gerät eine Einheit russischer Soldaten unter Beschuss von deutschen Flugzeugen. Zwei sterben sofort, einen dritten Soldaten erschießt Hauptmann Svoga aus Gnade, denn er hätte den weiteren Marsch nicht überlebt. Als Leutnant Kuljakow zurückkehrt, wird er von Svoga und dem Doc überzeugt ein nahegelegenes Gutshaus aufzusuchen, welches ihnen ein Unterschlupf sein könnte, um neue Kraft zu tanken. Widerwillig stimmt der Leutnant zu. Als die Soldaten und mit ihnen die beiden Kinder des Arztes, Natalja und Irina, die dieser immer bei sich hat, beim Gutshaus eintreffen, werden sie zunächst von Deserteuren unter Beschuss genommen. Das Problem löst sich allerdings schnell und die Einheit wird von der Baronin Alexandrowna aufgenommen. Die Spannungen zwischen dem Hauptmann und dem Leutnant verschärfen sich immer mehr und Natalja macht eine unheimliche Entdeckung in den Mauern des Gutshauses und trifft auf weitere Kinder, denen die Baronin Schutz gewährt.

Mitten hinein wirft Denis-Pierre Filippi, Autor von solchen Comics wie Eine außergewöhnliche Reise oder Micky und der verlorene Ozean, den Leser in die Handlung. Erklärungen, wo die Geschichte genau spielt oder wann, gibt es nicht. Und ganz ehrlich, dass ist mal wieder erfrischend und gut. In Zeiten, in denen immer alles übererzählt und erklärt wird, ist es mal schön, sich einfach von der Geschichte gefangennehmen zu lassen, ohne wirklich alle Hintergründe zu kennen. Dies ist, wie in den meisten Fällen, auch gar nicht nötig. Denn Filippi hat hier eine starke, emotionale, mysteriöse und spannende Geschichte, mit ebensolchen Charakteren geschrieben. Es besteht also überhaupt keine Notwendigkeit sie weiter auszuwalzen und künstlich zu verlängern, was meistens ja auch dazu führt, dass die Figuren ihre Fasziantion für den Leser verlieren - oder wollte jemals jemand wissen, wie ein Han Solo zu seinem Namen und zu seinen Würfeln kam?
Filippi konzentriert sich auf das Erzählen der Gegenwart und das tut er ausgezeichnet. Eine unheimliche und zugleich melancholische Atmosphäre durchzieht den gesamten Band. Ein Rätsel nach dem anderen taucht auf und die große Frage, wer eigentlich diese seltsamen Wesen sind, die hin und wieder auftauchen, schürt die Spannung. Teilweise erinnert Der letzte Schatten an eine Spukhausgeschichte, aber dann ist zugleich auch klar, dass das hier mehr ist als eine einfache Geistergeschichte. Das seltene Auftauchen der Wesen dient nicht dazu, um Angst einzujagen, sondern verfolgt einen anderen Zweck. Und der titelgebende Letzte Schatten ist eine Figur, die zwar nur ganz kurz auftaucht, aber eine unheimliche Wirkung besitzt. Bis jetzt lässt Filippi den Leser im Unklaren, was genau vor sich geht, aber es gibt Hinweise, was hinter alldem steckt, z.B. in den Gesprächen zwischen Svoga und Petrov, oder dadurch, dass nur die Kinder die Wesen sehen können. Filippi hat nicht einfach einen Kriegscomic geschrieben, sondern ein intensives Drama über den Krieg, was er aus Menschen macht und den Verlust. Und bisher ist das ausgezeichnet. Selbst wenn er nicht alles im nächsten, abschließenden Band auflösen sollte, ist Der letzte Schatten lesenswert, solange er die literarische Qualität, die sich hier zeigt, halten kann.

Der Letzte Schatten ist das Debüt von Gaspard Yvan und das kann sich mehr als sehen lassen. Die Emotionen der Charaktere fängt er zu jedem Zeitpunkt in Mimik und Gestik ein und er ist damit ein verlässlicher Partner für Denis-Pierre Filippi beim Erzählen der Geschichte, denn was nicht mit Worten ausgedrückt wird, wird durch die Zeichnungen vermittelt.
Neben den Charakteren und Emotionen beweist er großes Können gleich mit dem Auftakt und dem Fliegerangriff, der kurz und intensiv ist. Die Kälte des Winters und die heimelige aber unheimliche Atmosphäre des Gutshauses fängt er sehr gut ein. Gerade die nächtliche Erkundung des Hauses von Natalja ist ein atmosphärisches Meisterstück. Gaspard Yvan wählt klug die Perspektiven und die Anordnung der Panels und welche Ausschnitte er wirklich zeigen will und muss. Der letzte Schatten ist ein Debüt, das für die Zukunft noch viel mehr verspricht. Gaspard Yvan ist ein Zeichner, den man im Auge behalten sollte.


Fazit

Ein rätselhaftes, mysteriöses und äußerst atmosphärisches Kriegsdrama wird von Denis-Pierre Filippi in ebensolchen Bildern von Gaspard Yvan erzählt. Der Letzte Schatten ist ein Comic, für den man sich Zeit nehmen sollte.


Pro & Contra

+ Zeichnungen sind ideal für die Geschichte
+ Rätsel und Geheimnisse
+ es wird nicht übererklärt
+ emotionales Drama

Bewertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Denis-Pierre Filippi:

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Tags: Kriegsdrama, Russland