Zwei Kontinente auf Reisen (Jenny Karpe)

Selfpublishing (2019)
Taschenbuch, 296 Seiten, 10,99 EUR
ISBN: 978-3748521723em>

Genre: Dystopie


Klappentext

Auf einem Felsen mitten im Meer liegt Kiras und Aarons Heimat. Nichts geht hier mit rechten Dingen zu: Die Sterne bewegen sich nie, täglich bebt der Boden und die Bewohner leben in ständiger Angst, dass ihre Insel zerbricht. Ausgerechnet die verfeindeten Völker Ruan und Amerika müssen sich dieses Stück Land teilen. Als sie eine Grenze ziehen, trennen sie auch die Freunde Kira und Aaron. Für die Rettung ihrer Heimat müssen die beiden alle Regeln brechen und eine Reise ins Ungewisse auf sich nehmen, von der jede Wiederkehr ausgeschlossen ist.


Rezension

Nach einer globalen Katastrophe teilen sich die beiden Völker Amerika und Ruan eine Insel. In der Ferne können sie andere Inseln sehen, jedoch keinen Kontakt aufnehmen. Während sie versuchen, aus den Scherben ihrer Vergangenheit etwas Neues aufzubauen, wird die Insel von Beben erschüttert. Als eines Tages eine Nachbarinsel zerbricht und im Meer versinkt, ist die Angst unter den Amerikanern und Ruanern groß, dass ihnen das Gleiche passiert. Also ziehen die ohnehin zerstrittenen Völker eine Grenze, um die Bevölkerung möglichst gleichmäßig zu verteilen. Die Beben werden zunächst weniger und es kehrt Ruhe ein, doch die alten Konflikte flammen immer wieder auf und sobald Ressourcen knapp werden, machen sich alle gegenseitig Vorwürfe.

Kira und Aaron sind seit ihrer Kindheit befreundet und wurden durch die Grenze getrennt. Sie konnten sich nicht mehr sehen, doch sie haben nie wirklich aufgehört, aneinander zu denken. Und so finden sie schließlich wieder einen Weg zueinander. Während die Erwachsenen mit sinnlosen Beschuldigungen um sich werfen, entstehen unter den jungen Menschen Freundschaften. Sie setzen sich über die unsinnige Grenzziehung hinweg und arbeiten zusammen, als ihnen klar wird, dass die beiden Herrscher der Insel etwas verheimlichen. Auch Aaron und Kira beteiligen sich an den Nachforschungen – und was sie herausfinden, stellt ihre Welt auf den Kopf …

„Zwei Kontinente auf Reisen“ erzählt zunächst, wie Kira und Aaron aufwachsen und wie sie unter den Streitereien der Erwachsenen leiden. So gibt es in der ersten Romanhälfte mehrere große Zeitsprünge, die Veränderungen auf der Insel zeigen – und letztlich wieder die gleichen alten Konflikte. Die Amerikaner und Ruaner verhalten sich nicht wie eine Schicksalsgemeinschaft, die gemeinsam ums Überleben kämpft, sondern reiben sich in ihrer Feindseligkeit gegenseitig auf. Jenny Karpe zeigt vor allem das Aufbegehren der Jugend gegen die festgefahrenen Ansichten der Alten, was oft charmant ist, seine Wirkung aber ebenso oft verfehlt. Zu sehr erfüllen die Jugendlichen das Rebellenklischee und zu unreif und unfähig wirken die Erwachsenen neben ihnen.

Relativ früh ist klar, dass mit der Insel etwas nicht stimmt und wer viel Science Fiction konsumiert, ahnt bald, worin die große Wendung besteht. Auch ist die Konstruktion der Insel in vielen Punkten so unstimmig, dass die Überraschung mehr oder weniger ausbleibt. Am meisten irritiert, dass die beiden Völker gefühlt aus jeweils kaum mehr als einem Dutzend Personen bestehen. Zwar gibt es mehr Inselbewohner, aber man nimmt diese kaum wahr und die wenigen, die man wahrnimmt, machen kein ganzes Volk aus. Während bei den Amerikanern immer wieder Klischees der realen Amerikaner aufkommen, inklusive Kritik des Lebensstils, bleiben die Ruaner recht blass. Sie scheinen vor dem Stranden auf der Insel keine gemeinsame Identität besessen zu haben und ihre Herrscherin wirkt so seltsam und künstlich wie der Khan der Amerikaner.

„Zwei Kontinente auf Reisen“ ist ein Debütroman und liest sich, als wäre er zugleich der erste Roman, den Jenny Karpe geschrieben hat. Die Dialoge wirken oft konstruiert und zwischen den Stimmen von Erwachsenen und Jugendlichen gibt es kaum Unterschiede. Auch sind die Figuren oft überzeichnet und stereotyp. Als Kinder sind Aaron und vor allem Kira recht anstrengend, als junge Erwachsene überzeugen sie mehr, wobei auch hier Kira oft impulsiv ist und Sätze raushaut, die sie Sekunden später bereut. Einer der Sympathieträger ist Aaarons Vater Augustin, mit dem sich einige schöne zwischenmenschliche Momente ergeben und der die Schlüsselrolle bei den Wendungen einnimmt.

Das stimmungsvolle Cover ist ein Werk von Pascal Parys und macht sofort Lust auf Lesen. Der Roman ist ordentlich durchkorrigiert und gut gesetzt, nur im ersten Kapitel finden sich viele überflüssige Leerzeilen.


Fazit

„Zwei Kontinente auf Reisen“ steckt voller interessanter Ideen, doch dem Worldbuilding mangelt es an Details und Tiefe und die Figuren wirken oft überzeichnet. Aaron und Kira überzeugen als Kinder wenig, als junge Erwachsene dagegen haben sie einige gute Momente. Man spürt beim Lesen durchweg die Begeisterung von Jenny Karpe für ihre Geschichte – nur leider teilt man sie selten.


Pro und Contra

+ spannende Idee mit der bebenden Insel
+ einige schöne Momente der Nähe und des Vertrauens
+ Aaron und Kira machen sich in der zweiten Romanhälfte besser
+ tolles Cover-Artwork von Pascal Parys

o offenes Ende mit vielen offenen Fragen

- überzeichnete Figuren
- lückenhaftes Worldbuilding
- SF-Elemente überzeugen nicht
- schwache Dialoge

Wertung: sterne2.5

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 3/5


Interview mit Jenny Karpe (2022)

Tags: Dystopie, deutschsprachige SF, kulturelle Unterschiede