Das Dorf am Grunde des Sees (Gabriele Behrend)

das dorf am grunde des sees

p. machinery (April 2022)
Taschenbuch, 172 Seiten, 12,90 EUR
ISBN 978 3 95765 280 5

Genre: Phantastik / Science Fiction


Klappentext

Das Dorf am Grunde des Sees ist der Kreuzungspunkt in Raum und Zeit, an dem Wesen aus dem ganzen Universum zusammentreffen. Dort sorgt Kukuschkin dafür, dass alles reibungslos abläuft.

Doch dann taucht Claire auf, die junge Frau, die aus allen Himmeln fiel. Durch sie gerät die kleine, vielgestaltige Welt des Dorfes ins Wanken.

Nun-Tius, der Dreiäugige, Emma, die fliegende Händlerin, Tylla, der reptiloide Schmied, Brysbee, die Mutter Assel, Giovanni, der dritte Bruder – wie werden sich die drohenden Umwälzungen auf sie alle auswirken?

Jenseits der Kuppel wartet das Wasser …


Rezension

Seedorf ist ein beschauliches, bäuerliches Örtchen und zugleich Kreuzungspunkt in Raum und Zeit. Regelmäßig kommen Zeitreisende und Außerirdische zu Besuch, während die Dorfbewohner an ihren Ort gebunden sind und ihn nicht verlassen können. Sie ahnen auch nicht, dass ihr Dorf am Grunde eines Sees in Italien liegt und von einer Barriere geschützt wird. Für sie ist ihre kleine, abgeschottete Welt mit dem grünlichen Himmel und der blass hindurch schimmernden Sonne normal, sie kennen es nicht anders – und dank der vielen Besucher wird es selten langweilig.

Normalerweise kommen die Besucher durch ein Portal, doch Claire Lindenbaum ist sprichwörtlich aus dem Himmel gefallen. Sie wäre beinahe im See ertrunken, als sie durch die Barriere fällt und unverhofft in Seedorf landet. Dort kümmert sich Wladimir Kukuschkin um sie, der für die Belange der Besucher zuständig ist. So mancher ist begeistert von Claires Ankunft, doch andere Dorfbewohner stören sich an ihrer Anwesenheit, da sie nicht wie alle anderen wieder verschwindet. Als es auch noch beginnt, zu regnen – es regnet eigentlich nie in Seedorf-, machen die Bewohner Claire für das Desaster verantwortlich …

Gabriele Behrend hat mit „Das Dorf am Grunde des Sees“ einen zauberhaften Ort geschaffen, in dem Fantasy und Science Fiction verschmelzen. Seedorf erinnert an einen kleinen, aus der Zeit gefallenen Ort in Italien, inklusive urigem Wirtshaus, einer schmucken Dorfkirche und weitläufigen Getreide- und Gemüsefeldern. Für die Zeitreisenden und Außerirdischen ist Seedorf ein Urlaubsort und gleichzeitig ein Handelszentrum, in dem ungewöhnliche Waren erworben werden können. Emma, die fliegende Händlerin, die Seedorf regelmäßig besucht, hat ein unfassbar vielseitiges Sortiment, das auch Zimmermann Giovanni immer wieder magisch anzieht.

Giovanni würde gerne wie die Händlerin herumreisen und ist entsprechend auch fasziniert von Claire, die vor ihrer Ankunft in Seedorf mit ihrem Bulli herumgereist ist. Der freundliche junge Mann wird ein wichtiger Halt für Claire – neben Wladimir Kukuschkin, der aus der Zeit des Rokoko stammt und diese zelebriert. Er wurde gezwungenermaßen zum Tourismusmanager und meistert seine Aufgabe mit Bravour. Kukuschkin hat das Talent, mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Wesen umgehen zu können. Er nimmt fast alle herzlich auf – nur die, die sich nicht benehmen und den Dorfbewohnern schaden könnten, schickt er rigoros zurück. Eigentlich scheint er am rechten Fleck zu sein, trotzdem will er Seedorf unbedingt verlassen und zurück in seine Zeit. 

Das Setting ist reizvoll, doch die Handlung braucht ein wenig, um in Schwung zu kommen. Nach Claires Ankunft wird sie lange herumgeführt, lernt alle und alles kennen und es schleichen sich immer wieder kleine Längen ein. Interessant sind vor allem die verschiedenen Besucher, zu denen unter anderem ein Reptiloide und Mutter Assel gehören. Man trifft hier auf viele unterschiedliche, schrullige Charaktere, allerdings lernt man kaum jemanden wirklich näher kennen. In der zweiten Hälfte wird es spannender, da die Existenz von Seedorf bedroht ist und man sich zunehmend fragt, woraus die Barriere eigentlich besteht – und ob sie das Wasser weiterhin draußen halten kann. Allerdings wundert man sich, dass manche Charaktere die offensichtliche Bedrohung nicht erkennen. Ausgerechnet die weit herumgereiste, taffe Emma verschließt die Augen vor der Gefahr.

Nach einer eher friedlichen ersten Hälfte, in der fast alle nett und hilfsbereit erscheinen, brodelt es allmählich in der Dorfgemeinschaft. Denn während viele Freundschaften und Liebesbeziehungen zu Besuchern pflegen, sind andere kurz davor, die Heugabeln und Fackeln auszupacken. Aufgestachelt werden die Bewohner von der Nonna des Dorfes, deren Zorn sich auf Claire fokussiert. Leider bedient Gabriele Behrend hierbei auch einige Klischees. So hetzt die alte, traditionsbewusste Frau gegen die junge, selbstbewusste Claire, die bei einem Fest in ein Ungetüm von Kleid gezwängt wird und dabei aus der Rolle fällt – ebenso wie im Kontakt mit Giovanni, der Richtung Kitsch abdriftet. Wohltuend dagegen ist die gute Zusammenarbeit vieler Charaktere, als es in Seedorf gefährlich wird. 


Fazit

„Das Dorf am Grunde des Sees“ ist ein phantastischer Kurzroman voll zauberhafter Skurrilitäten und liebenswerten Charakteren. Er liest sich oft wie Fantasy, ist aber meist Science Fiction und wird nach anfänglichen Längen richtig unterhaltsam und spannend.


Pro und Contra

+ skurriles, zauberhaftes Dorf am Grunde eines Sees
+ Geheimnis um die Barriere, die Seedorf schützt
+ schrullige, liebenswerte Charaktere
+ turbulentes, dramatisches Finale
+ viele amüsante Dialoge

- kleine Längen in der ersten Hälfte
- ein paar unangenehme Klischees
- die Bedrohungslage erscheint zu konstruiert

Wertungsterne3.5

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Rezension zu "Im Schatten der Hydrangea"

Tags: SF-Autorinnen, Science Fantasy