Elektro Krause (Patricia Eckermann)

elektro krause

tredition (2021)
Taschenbuch, 228 Seiten, 10,99 EUR
ISBN: 978-3347136502

Genre: Urban Fantasy


Klappentext

„Wer ist die denn?! Wo ist der Krause?“
„Ich bin Krause“, antwortete ich und registrierte, wie mein Herzschlag sich spontan verselbstständigte. Nazis und Rassisten, ob tot oder lebendig, erkenne ich sofort. Dafür hat unsereiner einen feinen Radar. Dieses Exemplar hier war nur ein ekliger Rassist, also nicht lebensgefährlich, wie zum Beispiel die Nazis, die in Bielefeld ihr Unwesen trieben. Psychisch aber war er ebenso verletzend und unangenehm. Ich ballte die Fäuste und zählte bis zehn. Ich war nicht in dieses Dorf gekommen, um Nobbys Kundschaft noch weiter zu dezimieren.“

Krause - Schwarz, Elektrikerin und Geisterjägerin a.D. - kommt in die rheinische Pampa. Ende der 80er Jahre, auf dem Dorf, begegnen ihr dort viele Weiße mit Vorurteilen. Entsprechend schnell will sie eigentlich wieder raus aus „Milchschnittenhausen“. Doch sie muss im Betrieb ihres Vaters Nobby aushelfen, denn der ist seit einem Arbeitsunfall nicht mehr derselbe. Krause ahnt, dass der Grund dafür kein einfacher Stromschlag war. Bei der Suche nach der wahren Unfallursache macht Krause nicht bloß unerfreuliche Bekanntschaft mit toten und lebendigen Nazis. Sie stößt auf eine okkulte Verschwörung, die ganz Deutschland bedroht ...


Rezension

Eigentlich hat Kassy Krause ihren Nebenjob als Geisterjägerin an den Nagel gehängt und das Dorfleben hinter sich gelassen, doch als ihr Vater Nobby von einem Auftrag völlig verstört zurückkehrt, muss sie in seinem Betrieb einspringen. Zunächst nur als Elektrikerin, doch da Nobby nicht erzählen will, was passiert ist, muss sie selbst Nachforschungen anstellen und wird wider Willen in Geisterangelegenheiten verwickelt. Kassy wird schnell klar, dass sich da eine gewaltige Bedrohung zusammenbraut: Nazi-Geister drohen, in großer Zahl durch die Barriere zu brechen und ein Viertes Reich zu errichten. Um das zu verhindern, bastelt Kassy an neuen Waffen, zudem ist sie nicht allein: Freunde und Bekannte helfen, wo sie können, auch wenn nicht alle an die Existenz von Geistern glauben.

„Elektro Krause“ spielt Ende der 1980er und versprüht jede Menge Retrocharme, allerdings zeigt Patricia Eckermann auch die Schattenseiten der damaligen BRD: Als Schwarze Frau wird Kassy nahezu täglich mit Vorurteilen konfrontiert und ausgegrenzt. Rassisten erkennt sie sofort, viele hauen unüberlegt dumme Sprüche raus, aber einige sind auch offen feindselig. Schlimmer und gefährlicher sind die Nazis, von denen es immer noch zu viele gibt. Und als wäre das nicht ätzend genug, kommt obendrauf auch noch eine widerliche Portion Sexismus. Einerseits hat Kassy gelernt, sich zu wehren und ist selten um einen Konter verlegen, andererseits lässt sie sich als mehrfach Marginalisierte an den Rand der Gesellschaft drängen. Sie hat für sich akzeptiert, überall auf Mauern zu stoßen und arbeitet als Elektrikerin ohne Ambitionen. Hauptsache, sie hat ihre Ruhe, vor Geistern und vor Rassisten.

Der Roman ist aus Kassys Perspektive geschrieben und so kommt man in den Genuss einer höchst unterhaltsamen Erzählstimme mit einer gewissen Bitterkeit, die man ihr aufgrund diverser negativer Erfahrungen nicht verdenken kann. Für Schwarze Deutsche bietet Kassy Krause viel Identifikationspotential – und weiße Menschen können hier sehen, wie stark der Alltag Schwarzer von Rassismuserfahrungen durchdrungen ist. Vieles tut Kassy mit einem Schulterzucken oder einer knappen Bemerkung ab, oft trifft es sie aber auch mitten ins Herz. Manchmal ist gar ihr Leben bedroht. Man möchte zwar glauben, dass heute vieles anders ist, doch immer noch machen zu viele Menschen die gleichen Erfahrungen. Nichts, was Patricia Eckermann schreibt, wirkt übertrieben oder moralisierend, sie zeigt schlicht die Ignoranz und Feindseligkeit, die Kassy als Schwarze entgegenschlägt. 

Für gute Laune sorgt Kassys diverser Freundeskreis, insbesondere ihre queere Freundin KaySer, die auf einem Schrottplatz lebt, coole Skulpturen bastelt und mit Kassy immer wieder ein bisschen flirtet. Die beiden führen leichte und ernste Gespräche und man spürt ihre tiefe Verbundenheit. Das Verhältnis zu Kassys besten Freund Erol hingegen ist kompliziert, seit die beiden eine Nacht zusammen verbracht haben. Andere Figuren entsprechen eher Klischees, die deutschen 80er-Jahre-Filmen und -Serien entsprungen sein könnten und die dadurch zum Retrocharme beitragen. Auch Vater Nobby, den man als Archetyp des rheinländischen Elektrikermeisters sehen kann. Er ist pragmatisch, geht gern zum Fußball und ist eigentlich hart im Nehmen. Immerhin hat er es schon mit verschiedensten Geistern zu tun gehabt und diese zurück in die Zwischenwelt befördert – umso unverständlicher und unheimlicher, dass er sich nach einem Geisterkontakt ausschweigt.

Patricia Eckermann hat sich einige spannende Details zur Geisterwelt überlegt. So können nur wenige Menschen Geister sehen (und die meisten wissen nichts von ihnen), allerdings spüren viele Geister in der Nähe, da ihnen schlecht wird. Kassy dagegen bekommt starke Migräne, sobald sie sich Geistern oder Öffnungen in der Barriere nähert und greift auf teils fragwürdige Selbstmedikation zurück. Menschen- und Geisterwelt sind durch eine meist unsichtbare Barriere getrennt, lediglich an Rissen sieht man diese schimmern. Meist „heilen“ solche Risse von selbst, doch oft müssen Geisterjäger auch nachhelfen. Ihre Geisterjägerwaffen bauen Kassy und Nobby selbst und viele erinnern an eine Mischung aus „Ghostbusters“ und „Luigi‘s Mansion“. Da kommt auch mal ein umgebauter Staubsauger zum Einsatz. Insgesamt hätte man sich jedoch mehr Geisterjägeraction gewünscht und das Finale ist haarsträubend schnell vorbei.


Fazit

„Elektro Krause“ ist unterhaltsame und angenehm gruselige Urban Fantasy mit rheinischem Retrocharme, die die von Rassismus durchdrungene Lebensrealität Schwarzer Deutscher abbildet. Kassy Krause ist eine verdammt sympathische Geisterjägerin, taff und sensibel – und mit ihren Freunden nahezu unschlagbar.


Pro & Contra

+ rheinischer Retrocharme der 1980er
+ authentische Darstellung von Alltagsrassismus
+ Zeitgeistporträt der BRD aus Schwarzer Perspektive
+ Kassy ist eine coole, empathische Protagonistin
+ Kassys Freunde KaySer und Erol
+ Vater Nobby und seine skurrilen Geisterjägerwaffen
+ authentische Dialoge mit Humor und Tiefgang

- Geisterjagd/Finale zu knapp geraten

Bewertungsterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Urban Fantasy, Schwarze Autor*innen, progressive Phantastik, Geister, Rassismus, Patricia Eckermann