Frankenstein (Mary Shelley, Georges Bess)

Verlag: Splitter; (Juli 2022)
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten; 39,80 €
ISBN-13: 978-3-96792-362-9

Genre: Horror


Rezension

Schon in jungen Jahren interessiert sich der in Genf geborene Viktor Frankenstein für die Wissenschaften und studiert sowohl die Werke von Wissenschaftlern seiner Zeit als auch solche von Alchemisten der Vergangenheit wie Paracelsus und Albertus Magnus. Er geht später nach Ingolstadt, um dort zu studieren und es ist dort, wo seine Besessenheit Leben zu schaffen, voll entflammt. Aus Leichenteilen kreiert er ein Wesen, welches monströs aussieht. Beim Betrachten seiner Schöpfung erfasst ihn die Angst und er verjagt das Wesen, welches nicht weiß, wer oder was es ist. Jahre vergehen, in denen das Monster verloren durch die Welt irrt, bis es beschließt, sich an seinem Schöpfer zu rächen und es zu einer finalen Konfrontation von Schöpfer und Schöpfung im ewigen Eis kommt.

Zu sagen, Mary Shelleys 1816 entstandener und 1818 veröffentlichter Roman wäre einer der Klassiker der Schauerliteratur, wäre wie Eulen nach Athen zu tragen. Seit über zweihundert Jahren schon fasziniert die Geschichte über den wahnwitzigen Wissenschaftler und seine Kreatur die Menschen und findet nach wie vor neue Leser. Das liegt vor allem daran, dass die von Mary Shelley behandelten Themen, nach wie vor aktuell sind, vielleicht sogar so aktuell wie nie zuvor, in Anbetracht der ethischen Fragen, denen sich z.B. die Genetik stellen muss. Um es kurz zu machen. Der Roman hat nichts von seiner Relevanz verloren und es wird ihm eigentlich überhaupt nicht gerecht, ihn auf das Monster und die Gewalt zu reduzieren, wie es häufig genug in Filmen, Comics und anderen Umsetzungen getan wird.
Denn neben den offensichtlichen Fragestellungen einer entfesselten Wissenschaft, beschäftigt sich Frankenstein damit, was einen Menschen zu einem Menschen macht. Wie Gut und Böse zwei Seiten einer Medaille sein können und wie jemand bis zum Äußersten getrieben werden kann. Letztlich steht die Frage, wer das wirkliche Monster ist.

Bess hat sich nun nach Bram Stokers Dracula dieses Klassikers angenommen und in schwarz-weiß Zeichnungen umgesetzt. Er folgt dabei sehr dicht dem Roman, nimmt sich aber auch manche Freiheiten heraus. Im Roman hat Frankenstein keinen Helfer, bei Bess mit Sven schon und ebenso wird gezeigt, woher die Leiche für Frankensteins Schöpfung stammt. Beide Entscheidungen sind jedoch nachzuvollziehen und begründbar. Das Auftauchen Svens lässt sich mit der Theateradaption von Richard Brinsely Peake aus dem Jahr 1823 begründen, die so erfolgreich war, dass sie dem Roman überhaupt zu seinem großen Erfolg verhalf. In ihm tauchte erstmals ein Assistent Frankensteins auf und auch die Worte „Es lebt“ wurden darin zumindest so ähnlich gesprochen. Mittlerweile gehört ein Assistent einfach zu Frankenstein. Dieser bekommt aber glücklicherweise nicht viel Raum. Bess konzentriert sich auf Frankenstein und auf das Monster und auf ihre Beziehung zueinander, die an Tragik kaum zu überbieten ist. Gerade die Kreatur ist einfach zu bedauern, da sie zunächst naiv und dann voll Güte ist, bevor sie am Ende an ihrer Einsamkeit, ihrer Verzweiflung und der Ablehnung der Menschen zerbricht. Bess setzt diese tragische Geschichte ruhig erzählt um und lässt beide Seiten zu Wort kommen. Sowohl Viktor Frankenstein als auch sein Geschöpf, dürfen ihre Seite der Geschichte erzählen.

Und um dies möglichst effektvoll und effektiv zu tun hat Bess atemberaubende Zeichnungen geschaffen, die mit ihrem Schwarz-Weiß sofort den richtigen Ton und die richtige Atmosphäre setzen. Bess gibt den Bildern Raum und Zeit, um  ihre Wirkung zu entfalten. Hektische Actionszenen sucht man meist vergeblich. Nur wenn es sein muss, wird der Erzählrhythmus etwas schneller. Das gibt Bess die Gelegenheit die ganze Tragik der Figur der Kreatur einzufangen. Ihre Verzweiflung, ihr Unverständnis gegenüber Feindseligkeit und ihre anfängliche Güte und Naivität. Zu jedem Zeitpunkt ist ihre eigentlich empfindsame Seele unter dem monströsen Äußeren zu sehen. Bess fängt dies auf unnachahmliche Art ein und lässt den Leser an dem Innenleben der Kreatur teilhaben. So entsteht ein Werk, welches den Leser auch nach dem Zuschlagen so schnell nicht loslässt.

Als Bonus gibt es ein paar Illustrationen, die Bess´ ganzes Können ein weiteres Mal zeigen


Fazit

Dracula wurde bereits unglaublich gut von Georges Bess umgesetzt, aber mit Frankenstein übertrifft er sich noch selbst. Wunderschöne, düstere Bilder treffen auf eine schaurige Erzählung und daraus ergibt sich eine der besten Adaptionen von Mary Shelleys klassischem Schauerroman.


Pro & Contra

+ sinnvolle Verkürzungen und Ergänzungen für die Umsetzung in einen Comic
+ perfekte Zeichnungen
+ ruhig erzählt

Bewertung:

Charaktere: 5/5
Handlung: 5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


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