Laylayland (Judith und Christian Vogt)

Plan9 (Oktober 2022)
Taschenbuch, 331 Seiten, 18,00 EUR
ISBN: 9783948700775

Genre: Hopepunk / postapokalyptische Utopie / Science Fantasy


Klappentext

Laylay und Zeeto reisen durch das Ödland auf der Suche nach einer Möglichkeit, Zeetos Leben zu retten. Sie finden stattdessen Laylays Mutter. Doch es wird kein freudiges Wiedersehen.

Unterdessen setzt sich ein Neuankömmling in einem Cyberduell durch und wird Root der Roots. Root 2.0 hat auf der Suche nach einer mysteriösen Entität eigene Pläne mit Laylay und Zeeto. Doch dieses Geschöpf, bei dem die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen, verfolgt seine eigenen Pläne. Gibt es noch Hoffnung für Laylay und Zeeto?

Hopepunk ist, wenn alles aussichtslos erscheint – aber du und deine Leute, ihr versucht es trotzdem, bildet Banden, seid gleichzeitig rauchend wütend und radikal zärtlich. Laylayland, der Nachfolger von Wasteland vom Vögte-Duo, ist das Buch für alle, die Utopien in Dystopien errichten wollen


Rezension

„… nimmst du die Einladung an zur großen Survivalparty am Ende der Apokalypse?“ (Seite 146)

Drei Jahre nach dem Erscheinen von „Wasteland“ führen Judith und Christian Vogt die Geschichte von Laylay und Zeeto in „Laylayland“ fort. Es geht nahtlos weiter, trotzdem muss man den ersten Band nicht zwingend gelesen haben, denn die Protagonist*innen fangen mehr oder weniger bei Null an. Wer „Wasteland“ noch lesen will, wird im zweiten Band auf diverse Spoiler treffen (wie auch in dieser Rezension), denn die wichtigsten Eckpunkte werden nach und nach wieder aufgegriffen. Der Klimawandel und Kriege haben Europa in eine Trümmerwelt verwandelt, Biowaffen haben weite Teile, sogenannte Wastelands, unbewohnbar gemacht. Pflanzen und Insekten breiten sich dort aus, doch für Wirbeltiere und Menschen sind die grünen Zonen wegen des Wastelandvirus tödlich. Die verbliebenen bewohnbaren Flächen teilen sich brutale Gangs, Nomaden und kleine Gemeinschaften.

Zeeto ist krank und Laylay weigert sich, ihren Freund einfach sterben zu lassen. Also hat sie ihn und Baby Mtoto, das Zeeto bei einem Bunker gefunden hat und das seitdem zur Familie gehört, in den Beiwagen ihres Motorrads gepackt und nun fahren sie zu dritt der verschwindend geringen Hoffnung auf ein Heilmittel entgegen. Dabei geht es nicht nur um Zeeto, denn es erkranken immer mehr Menschen durch das Wastelandvirus, das mutiert und dadurch hochansteckend ist. Einzig Laylay und Mtoto sind immun, da sie von einer anderen Menschenart abstammen: den Ferales – Menschen, die über enorme Selbstheilungskräfte verfügen und eine werwolfähnliche Form annehmen können. Und genau in diesen Selbstheilungskräften könnte der Schlüssel zur Rettung von Zeeto und vielen anderen Menschen liegen …

In „Laylayland“ verwischen die Grenzen zwischen Science Fiction und Fantasy stärker als in „Wasteland“, wo Laylay recht spät herausgefunden hat, dass sie eine Feralis ist, die sich durch starke Emotionen in eine Art Werwolfmensch verwandelt. Ihr Vater Azmi hat diesen Umstand lange vor ihr verheimlicht und ihre Ferales-Eigenschaften mit Hilfe von Medikamenten unterdrückt. Er wollte um jeden Preis verhindern, dass Laylay wie ihre Mutter wird, vor der die beiden vor vielen Jahren geflohen sind. Die Suche nach einem Heilmittel führt Laylay jedoch nach Polen, wo sie ausgerechnet auf Mutter Klara trifft, die die Queen der hochtoxischen Gang Wyld Things ist und sich einen ganzen Flughafen voller Sklaven hält. Das Wiedersehen ist für Laylay alles andere als eine Freude. Bereits bei ihrem ersten Aufeinandertreffen gehen die beiden aufeinander los und es folgen diverse blutige Auseinandersetzungen, die in Laylay das Schlechteste zum Vorschein bringen. Doch gegen Klara hat sie kaum eine Chance, da diese nicht durch Verzweiflung zum Äußersten getrieben wird, sondern ganz bewusst auf Brutalität setzt.

Für Klara sind die Ferales die überlegene Spezies und Laylay lässt sie weniger aus mütterlicher Liebe am Leben, sondern mehr weil sie sie und ihre Gene für ihre Übermenschenrasse braucht. Da steckt einiges an faschistischem Gedankengut drin, da wird einem beim Lesen regelrecht schlecht und man versteht, dass Laylay in Gegenwart ihrer Mutter kaum ruhig bleiben kann und ihr regelmäßig entgegenexplodiert. Laylay ist und bleibt Hoper, auch wenn nahezu alles, was schiefgehen kann, schief geht und gefühlt permanent alles eskaliert. Manchmal überlebt sie aus reinem Trotz, oft durch Glück und manchmal, weil sich jemand im richtigen Moment entscheidet, etwas Richtiges zu tun. Klara ist dagegen der Inbegriff einer toxischen Diktatorin, dennoch versteht man ihre Motivation, auch wenn man sie nicht gutheißen kann - denn letztlich sind es ihre eigenen Entscheidungen, die sie zu einer menschenverachtenden, grausamen Person machen. Laylay trifft andere Entscheidungen und bewahrt sich gegen alle Widerstände ihre Hoffnung.  

Während Laylay sich mit ihrer fiesen Mutter herumschlägt, werden Zeeto und Mtoto von ihr getrennt. Für die beiden sieht es zwischenzeitlich richtig finster aus und Zeeto rutscht von einer manischen Phase in eine depressive, was seinen desolaten Gesundheitszustand weiter verschlimmert. Er ist so krank und kaputt, dass er eigentlich in den ersten Kapiteln hätte sterben müssen, doch irgendwie findet er immer irgendwo noch ein letztes Fünkchen Kraft und trifft Menschen, die ihn unterstützen und aufbauen. Auch Zeeto bleibt durch und durch Hoper, prangert Missstände an, auch wenn er dafür aufs Maul bekommt, und kümmert sich hingebungsvoll um Mtoto, die den ganzen Roman über tut, was Babys so tun: schlafen, essen und vor allem schreien und Rotz und Wasser heulen, in den unpassendsten Momenten. Das Baby wirkt in der chaotischen Postapokalypse deplatziert, zeigt jedoch auch, dass der Alltag auch im Angesicht täglicher Katastrophen irgendwie weitergeht.

Wifi-Schamane Root aus „Wasteland“ hat in „Laylayland“ einen Hoper-Nachfolger: Root 2.0, Pronomen ser. Root 2.0 ist ein Cyborg, der über eine Verbindung zu einem der letzten funktionierenden Satelliten verfügt und so Drohnen befehlig, die Laylay und Zeeto unterstützen. Root 2.0 ist ähnlich durchgeknallt wie Root, aber auf eine positive Art, denn ser hat erkannt, dass Gemeinschaft wichtiger ist als Macht und dass Laylay und Zeeto tatsächlich einer Chance auf ein Heilmittel auf der Spur sind. Root 2.0s Kapitel sind extrem unterhaltsam und lesen sich wie der Wahn eines übernächtigten, aufgeputschten Gamers. Die technologischen Hinterlassenschaften werden von Leuten wie Root 2.0 regelrecht angebetet und um das "WeWeWe" ist eine Art Religion entstanden. Die Autor*innen haben sich viele Gedanken darum gemacht, wie die Menschen in einer so zerstörten Zukunft über unsere Gegenwart denken und wie fern ihnen unser Alltag ab. Da kommt es zu lustigen Fehlinterpretationen und bedrückenden Szenen, in denen Menschen Plastikmüll sortieren, den es immer noch massenweise gibt.

Wie „Wasteland“ ist auch „Laylayland“ oft absurd und unrealistisch, aber das, was diese kaputte Zukunft geschaffen hat, sind ganz reale Gefahren: Klimawandel, Kriege, Seuchen und letztlich Biowaffen (hoffentlich nicht ganz so real). Auch Spuren der Corona-Pandemie finden sich im Roman und die Figuren denken so manches Mal drüber nach, wie die Menschen früher (also wir) alles so extrem verkacken konnten. Die Antwort findet sich in den höchst unterschiedlichen Menschen in diesem Buch, denn während die einen versuchen, aus der Postapokalypse das Beste zu machen und zusammen etwas Neues aufzubauen, machen andere alles kaputt, weil sie nur sich selbst und ihre eigenen Vorteile sehen. Manche handeln auch schlicht aus Angst vor brutalen Leuten wie Laylays Mutter. Kaum jemand ist reiner Toxxer oder Hoper, die allermeisten bewegen sich auf einem Spektrum dazwischen. Und zumindest was Diversität betrifft, ist diese gebeutelte zukünftige Gesellschaft weiter als wie, denn queere Menschen gehören hier ganz selbstverständlich dazu.

“Es war ein Fehler, einzelnen Menschen die Geschicke ganzer Gesellschaften in die Hände zu legen. Macht korrumpierte. Immer. Die Toxxers waren das beste Beispiel dafür. All die Bosse, Queens, Overlords und wie sie sich alle nannten – ganz oben auf den Gang-Pyramiden stand immer ein Arschloch.“ (Seite 213)


Fazit

“Laylayland“ ist eine wütende, verzweifelte Postapokalypse, ein gigantischer Trümmerhaufen, der die Protagonist*innen schier erschlägt. Katastrophe folgt auf Katastrophe und doch gibt es immer wieder Hoffnung in Form einer helfenden Hand, einer richtigen Entscheidung und eines durchgeknallten Cyborgs, der erkannt hat, dass Zusammenarbeit mehr bringt als Machterhalt durch Gewalt.


Pro und Contra

+ wahnsinnig unterhaltsame Postapokalypse im „Mad Max“-Stil
+ supersympathische Protagonisten mit jeder Menge Ecken und Kanten
+ wütend, verzweifelt und trotzdem hoffnungsvoll
+ extrem unterhaltsame Kapitel mit Hoper Root 2.0
+ Diversität der zukünftigen Gesellschaft
+ lockerer, derber Schreibstil mit coolen Neologismen
+ wilder Genremix aus Hopepunk, Dystopie und Science Fantasy
+ Stil des Covers passt zum Vorgänger „Wasteland“

- zum Ende hin zu hohes Erzähltempo
- die positiven Vibes des Handgebundenmarkts als Gegengewicht fehlen

Wertungsterne4.5

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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Tags: Judith C. Vogt, Christian Vogt, Hopepunk, Science Fantasy, queere Figuren, progressive Phantastik, Postapokalypse