Wolfsjagd. Die dunklen Fälle des Harry Dresden 2 (Jim Butcher)

Butcher Wolfsjagd

Blanvalet, 23.11.2022
Originaltitel: Fool Moon. The Dresden Files 2 (2001)
Übersetzung von Jürgen Langowski
Taschenbuch, 445 Seiten
€ 12,00 [D] | € 12,40 [A] | CHF 18,90
ISBN 978-3-7341-6336-4

Genre: Urban Fantasy, Horror


Rezension

Wolfsjagd beginnt kurz nach Sturmnacht. Kim Delaney bittet Harry Dresden um Hilfe bei der Herstellung dreier konzentrischer Kreise filigraner Symbole zur Beschwörung oder Eindämmung mächtiger Wesen. Harry verweigert ihr dies. Dann ruft Lieutenant Karrin Murphy Harry zu einem Tatort, an dem das bislang letzte Mordopfer einer Serie, einer der Mitarbeiter Johnny Marcones, übel zugerichtet wurde. Der Tatort weist Spuren von Wölfen auf. Mithilfe seiner magischen Fähigkeiten nimmt Harry aus den Spuren einen Blutgeruch wahr, der nicht zum Opfer gehört, und folgt diesem bis zu einer Autowerkstatt. Er trifft auf Tera West und ihr Rudel jugendlicher Werwölfe, die ihn aber wieder gehen lassen. Zuhause lässt Harry sich von Bob dem Schädel über Werwölfe einen Schnellkurs geben: Es gibt klassische Werwölfe, Hexenwölfe, Lykanthropen und Loup-Garous, die gefährlichsten theriomorphen Wesen.

Karrin ist verärgert, dass das FBI den Fall übernimmt, weil denen die Phantasie fehle, sich Werwölfe als Täter vorzustellen. Von Agent Harris erhält Harry den Hinweis, dass die Biker Gang Straßenwölfe etwas über den Mord wissen könnte. Als er sie aufsucht, erfährt er, dass die Gang unter Führung von Parker aus Lykanthropen besteht. Marcone bietet ihm kurz darauf einen lukrativen Job als Leibwächter an, den er jedoch ablehnt, obwohl er das Geld dringend bräuchte. Marcone informiert Harry, dass die Morde mit dem Millionär Harley MacFinn und dessen Projekt Nordwestpassage zusammenhängen. Da Harry nicht anders an Informationen über MacFinn und dessen Projekt gelangt, beschwört er den Dämon Chaunzaggoroth, der sie ihm im Tausch gegen einen weiteren seiner Namen liefert. Karrin kommt Harry zuvor und verhaftet MacFinn. Kim Delaneys zerfetzter Körper wurde in MacFinns Apartment nahe einem Beschwörungskreis gefunden. 

„Unter ihrem Kinn fehlte ein großes, rundes Stück Fleisch. Kehlkopf und Speiseröhre waren verschwunden, blutiges rotes Fleisch war zum Vorschein gekommen – zerfetzte Arterien und abgerissene Muskelstränge, bleiche Knochen am Grund der Wunde. Den ganzen Körper hinunter zogen sich Risswunden. Ihre Haut war aufgerissen wie eine Vakuumtüte und überall voller Blut.“ (S.142)

Beim nächsten Vollmond richtet der Loup-Garou MacFinn im Gefängnis ein Massaker an. Aber es kommt alles noch viel schlimmer, als Tera und Harry herausfinden wollen, wer tatsächlich hinter den Morden steckt.

Wolfsjagd ist der zweite Band der Dresden Files. Erstmals in deutscher Übersetzung 2007 beim Knaur Taschenbuchverlag veröffentlicht, folgte 2012 eine Neuausgabe bei Feder & Schwert und nun eine Neuausgabe bei Blanvalet, immer in der Übersetzung von Jürgen Langowski.

Bestimmte Qualitäten von Grenzüberschreitung führen zur Entmenschlichung. Eine Gruppe Staatsbediensteter beschäftigt sich mit Schwarzer Magie, wird zu Gestaltwandlern, leckt Blut, fühlt sich mächtig und nutzt diese Macht aus. In Wolfsjagd gibt es Werwölfe, die unter ihrer Doppelexistenz leiden, einer ist Träger eines archaischen Fluchs, während andere sie unter dem Aspekt der Nutzenstiftung betrachten. Die Horrorstory ist spannend erzählt und um einige Nuancen düsterer als Sturmnacht. Auch enthält sie weniger Humor. Ob, wie im Horrorfilm um die Jahrtausendwende, ein Monster der Woche im Lauf der Romanserie ergänzt wird um eine Art Über-Monster, dessen Geschichte in einem überspannenden Handlungsbogen mehrere Bücher umfasst, ist soweit nicht absehbar.

Die Entwicklung Harry Dresdens erfolgt in Wolfsjagd in die Tiefe und die Weite. Mehr noch als in Sturmnacht zeigt sich, dass es einen Widerspruch gibt im Denken und Handeln der Figur. Dieser betrifft auch den Sexismus. Als Ich-Erzähler bietet er die Möglichkeit, Zugang zu seinem Denken zu bekommen. Sein Sexismus wird mitunter in Frage gestellt, in anderen Momenten zerstäubt durch den realen Umgang mit Frauen. Karrin geht recht grob mit ihm um, er verweist wiederholt darauf, wie stark sie ist. Werwölfin Tera West ist eine intelligente und durchsetzungsfähige Frau, immerhin auch Rudelführerin, was zumindest in der us-amerikanischen Urban Fantasy eher selten vorkommt. Journalistin Susan ist ebenfalls eine selbstbewusste Frau, die genau weiß was sie will. In der Beziehung zu Harry ist sie die treibende Kraft. Während sie im ersten Band nur an einer oberflächlichen Beziehung zu ihm interessiert schien, entwickelt sich im zweiten eine Vertiefung.

„Irgendwann sagt das Bewusstsein >>es reicht<< und bringt sich vor den Schmerzen in Sicherheit. Ich war bereits zu diesem Zufluchtsort unterwegs, und es tat mir überhaupt nicht leid.“ (S.275f)

Harry erinnert an die Trope „verunsicherter Mann“, ein Typus, der sich aus dem Wandel des Rollenverständnisses entwickelt hat. Der weiß dann beispielsweise, dass sexistisches Verhalten nicht opportun ist, weshalb er sich auf sexistisches Denken beschränkt – jedoch nicht als Strategie, um in der Außenwelt und vor allem mit Frauen besser zurechtzukommen. Jedenfalls ist die Figur Harry Dresden im Kontext des Macht- und Geschlechterdiskurses vielschichtiger und interessanter, als oberflächliches Herangehen vermuten lässt. Die Macht der Magie und deren Beschränkungen sind hierin nur ein Aspekt. Gegenüber dem ersten Band ist Harry in Wolfsjagd weitgehend erschöpft, weshalb er auch in der Nutzung von Magie mehr Probleme bekommt. Und nur zu einem Teil dient dies dazu, Harry seine Intuition stärker nutzen zu lassen. Wir erfahren mehr über Harrys magische Fähigkeiten und über seine Mutter. Butcher scheint ein eigenes Regelsystem für Magie zu entwickeln. Eine der besten Ideen bislang ist der Blick in die Seele, der etwas sehr Intimes hat.


Fazit

Wolfsjagd ist eine Fortsetzung, die von allem mehr zu bieten hat, darunter auch interessante neue Dämonen. In jedem Roman erhalten wir weitere Informationen über Harrys Vergangenheit. Harry erweist sich zunehmend als ein komplizierter Mann. Da Werwölfe außerhalb von romantischen Settings nicht zimperlich sind, geht es hier um einige Windungen brutaler zu als im ersten Buch.


Pro und Kontra

+ Harry Dresden wird weiterentwickelt
+ bekannte Figuren aus dem ersten Band spielen wieder mit
+ gezielte Bezugnahmen auf Band 1 erlauben die unabhängige Lektüre
+ Noir-Charakter bleibt erhalten
+ gute neue Dämonen als wichtige Nebenfiguren

Wertung:sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Urban Fantasy, Noir Krimi, Jim Butcher, Dresden Files, ambivalenter Held, Serienfigur