ohne ohren (Februar 2023)
150 Seiten, 8,49 EUR (eBook 2,49 EUR)
ISBN: 978-3-903296-58-9
(eBook ISBN: 978-3-903296-59-6)
Genre: Science Fantasy / Space Opera / Space Portal Fantasy
Klappentext
„Ich denke an alle Lieder, die ich gespielt habe. Alles, was ich gelernt habe, verlernt, verloren. Alles, was dazu geführt hat, dass ich jetzt hier sitze, allein vor Hunderttausend, die Sensation des Abends für sie, der Abschied für mich. Ein letztes Mal bin ich Teil von etwas. Ein letztes Mal werde ich spielen. Wenn die Musik verklungen ist, trete ich durch das Tor und ...“
Eine Novelle über Kunst und ihre Grenzen, über Hoffnung und Hilfslosigkeit, über das Zuhören und das Finden der eigenen Melodie.
Rezension
"Ich bin Zeugnis all jener, die mich getragen haben, mich gerettet, berührt, geliebt. Mein Weg ist ihr Weg."
Qui lebt auf Deriton 5, einem Planeten des Sacriplex Corps. Arbeit, Ausbildung, Freizeit, Ernährung, Wohnen - das ganze Leben dreht sich um den Konzern und um Konsum. Qui hat sich damit arrangiert, alle Träume scheinen längst im Konzern-Alltag erstickt zu sein. Doch dann ergibt sich die Gelegenheit, für ein Gewinnspiel ein Lied zu spielen. Quis erstes Lied lässt eine magische Tür erscheinen und verspricht ein neues Leben. Kaum jemand hat je eine solche Tür im Nichts gesehen, doch fast alle Menschen kennen ihre Geschichte. Die Türen sollen zu fremden Welten führen, lassen Menschen ein einziges Mal oder auch immer wieder hindurchtreten. Niemand weiß, was hinter dem Phänomen steckt, ob es sich um außerirdische oder doch menschliche Technologie handelt, um das Wirken kosmischer Gottheiten oder vielleicht doch Magie. Qui weiß jedoch, dass man eine solche Chance nicht ausschlägt, dass man hindurchgehen und sich diesem Schicksal stellen muss. Also lässt Qui die wenigen wichtigen Menschen zurück und tritt durch die Tür - die erste von vielen, hinter denen Qui ferne Planeten, Raumschiffe oder auch virtuelle Welten erwarten ...
"Dies ist mein letztes Lied" ist eine Science-Fantasy-Novelle, die auf das in der Fantasy beliebte Motiv magischer Portale zurückgreift, um Protagonist*in Qui in Sekundenschnelle an verschiedenste Orte in der Galaxie zu führen. Die Geschichte wird in Ich-Perspektive erzählt und die Leser*innen erfahren nie, welche Pronomen Qui nutzt. Überhaupt erfährt man nichts Oberflächliches (Aussehen, Alter etc.) über Qui, anhand des Lebens auf Deriton 5 und der dortigen Freunde kann man höchstes eine jüngere, erwachsene Person vermuten - wobei Qui bei jedem Durchtreten einer Tür oft Monate auf den dahinterliegenden Welten weilt. Man kann schwer abschätzen, wie lange die Reise dauert, doch man kann Quis Entwicklung sehr gut nachvollziehen und obwohl man nur wenig über die Person erfährt, weiß man bald, wie Qui denkt und fühlt und entsprechend gut kann man sich mit Qui identifizieren.
Hinter der ersten Tür erwartet Qui ein Planet, der nicht rotiert. Entsprechend gibt es eine heiße Tag- und eine kalte Nachtseite und beide bekriegen sich schon so lange, dass niemand mehr den Grund kennt. Voller jugendlichem Idealismus bemüht sich Qui, beide Seiten kennenzulernen und glaubt zunächst noch an Frieden, doch die Realität bleibt bitter. Auf einem Raumschiff lernt Qui fünf ganz besondere Menschen kennen, die ein ganzes Volk in Kryostasis zu einer neuen Welt führen, auf der sie selbst wahrscheinlich nicht mehr leben werden. Qui erlebt das Ende einer ganzen Welt, zerbricht an der Erkenntnis, dass Profit mehr zählt als Menschenleben, und verbringt eine lange Zeit als graue Wolke in der virtuellen CloudWelt. Weitere Türen führen in die Einsamkeit, in die Zweisamkeit und schließlich zu Quis letztem Lied.
Quis Reise ist ein ganzes Leben voller Höhen und Tiefen. In dieser Novelle schwingt viel Kapitalismuskritik mit, die besonders deutlich wird, als eine Welt dem Untergang geweiht ist und die Raumschiffe, die eigentlich bei der Evakuierung helfen könnten, für den Profit jedoch lieber zahlungskräftige Reisende chauffieren. Doch auch schon auf Deriton 5 sieht man, was der Kapitalismus aus Menschen macht, wie sie sich selbst im Konsum verlieren und trotz aller Annehmlichkeiten und Spektakel ein tristes, leeres Leben führen. Die erste Tür lässt Qui aus diesem Kreislauf aus Arbeit und Konsum ausbrechen. Auf der Reise warten schmerzhafte Erfahrungen, doch Qui bewältigt diese mit der Hilfe ganz unterschiedlicher Menschen. Obwohl man die meisten davon nur auf wenigen Seiten erlebt, sind die Nebenfiguren überwiegend einprägsame Charaktere, die nicht nur Qui, sondern auch die Leser*innen berühren. Umgekehrt schenkt Qui diesen Menschen durch die Musik besondere Momente, die über die Bitterkeit vieler Situationen hinwegtrösten.
"Dies ist mein letztes Lied" handelt vor allem von Freundschaft, Gemeinschaft und Liebe. In diesem Universum gibt es wie in unserer Welt viele Gründe für Wut und Verzweiflung, doch es gibt auch viel Gutes und Menschen, die einander respektieren und helfen. Die einander Hoffnung schenken. Qui hat das Glück, viele solcher Menschen kennenzulernen und auch wenn immer wieder der schmerzhafte Abschied kommt, tragen die positiven Erfahrungen Qui weiter. Und so kann Qui auch das letzte Lied spielen, das erst endgültig erscheint, es vielleicht aber gar nicht ist. Das Ende stimmt nachdenklich und traurig, doch ebenso hoffnungsvoll - und auch wenn die Novelle einen guten Abschluss findet, hätte man gerne weitergelesen, weitere ferne Planeten erlebt und mehr Menschen kennengelernt, die allen Widrigkeiten trotzen und zusammenhalten.
Fazit
"Dies ist mein letztes Lied" ist eine wunderbare SF-Novelle, die Space Opera und Portal Fantasy vereint und die Leser*innen auf wenigen Seiten in unterschiedlichste Welten entführt. Jede davon steht für einen Lebensabschnitt, bringt neuen Schmerz, aber auch neue Hoffnung. Lena Richter erzählt Quis Reise durch die Galaxie mit viel zwischenmenschlicher Wärme und einer gewissen Bitterkeit wegen der Unmenschlichkeit des Kapitalismus - und sie zeigt, wie viel Musik bewegen kann und wo sie auf Grenzen stößt.
Pro & Contra
+ gelungener Mix aus Space Opera und Portal Fantasy
+ sehr unterschiedliche Planeten / Raumschiffe / virtuelle Welten
+ Qui bietet viel Identifikationsfläche
+ Macht und Grenzen von Musik / Kunst
+ viel zwischenmenschliche Wärme
+ gut umgesetzte Kapitalismuskritik
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5
Interview mit Lena Richter (Februar 2023)