Dracula - Die Wiederkehr (Dacre Stoker/ Ian Holt)

Egmont Lyx (Oktober 2009)
Gebundene Ausgabe: 592 Seiten, 19,95€
ISBN-13: 978-3802582202

Genre: Horror


Klappentext

Fünfunzwanzig Jahre sind vergangen, seit die Vampirjäger um Professor Van Helsing den gefürchteten Dracula zur Strecke brachten. Doch der Friede ist trügerisch. In London geschehen grausame Morde. Irgendjemand scheint es auf diejenigen abgesehen zu haben, die damals an der Vernichtung des dunklen Grafen mitwirkten. Könnte es sein, dass der legendäre Dracula noch unter den den Lebenden weilt?

Die offizielle Fortsetzung des unsterblichen Klassikers vom Urgroßneffen von Bram Stoker!

„Der lang erwartete Schuss frisches Blut für den Dracula-Mythos“ Publishers Weekly


Rezension

Eine Legende kehrt zurück. 
Mit Hilfe von Dacre Stoker schrieb Ian Holt eine Fortsetzung zu dem berühmten und unzählige Male verfilmten Klassiker von Bram Stoker. 
Früher nicht so erfolgreich, ist der Roman von Bram Stoker mit der Zeit bestimmend in der Welt der Horrorliteratur geworden und prägte das Bild der Vampire nachhaltig, bis in der letzten Zeit neue Autoren und Buchreihen das Genre beeinflussten, die „Biss … „-Reihe sei hier nur als ein Beispiel genannt. Ob zum Guten oder Schlechten muss jeder für sich selbst entscheiden.

Dacre Stoker und Ian Holt beschäftigen sich in ihrem Roman aber wieder mit dem ursprünglichen Mythos, so wie Bram Stoker ihn einst niederschrieb und geben damit dem Vampirgenre das Blut und die Gewalt, aber auch die schaurige Atmosphäre und den Horror und Grusel, den es braucht, zurück. Allerdings scheuen sie glücklicherweise nicht davor zurück, ihn behutsam zu modernisieren.

Durch die vielen Verfilmungen und Fremdbearbeitungen veränderte sich der Vampirmythos, alte Überlieferungen fanden ihren Weg in ihn und gingen darin auf. Dacre Stoker und Ian Holt nutzen diese Dinge für ihre Zwecke und führen sie weiter. Dadurch geraten sie natürlich unweigerlich in Konflikt mit Bram Stokers ursprünglichen Roman, den sie mit einem einfachen aber fast genialen Kniff auflösen. Denn die beiden gehen bei „Dracula – Die Wiederkehr“ davon aus, dass die in „Dracula“ beschriebenen Ereignisse durchaus eine reale Grundlage haben. Bram Stoker habe lediglich diese Geschichte aufgeschrieben und seinem schriftstellerischen Vorstellungen angepasst. Dadurch können die beiden Autoren so manche Tatsachen in Stokers Roman verändern und ihrer Geschichte anpassen und vor allem Bram Stoker selbst als eine ihrer Figuren auftreten lassen.

Die größte Veränderung ist dabei die Rückdatierung der Ereignisse aus „Dracula“ auf das Jahr 1888. Wer sich nur ein bisschen in englischer Kriminalgeschichte auskennt, dürfte sofort wissen, warum dieses geschah. Jack the Ripper, der in deutschen Fassung unglückseligerweise Jack der Schlitzer genannt wird, ist dadurch die zweite Legende, die ihren Auftritt bei Dacre Stoker und Ian Holt bekommt. Und er wird von den beiden Autoren sehr gut in die Geschichte eingewoben. Wenn dann noch die Blutgräfin Erzsébet Báthory zu ihrem nachhaltigen Auftritt kommt, entsteht mit den altbekannten Figuren aus Brams Stokers Roman ein Story- und Figurengeflecht, das Hochspannung und Grusel verspricht.

Tatsächlich schaffen es Dacre Stoker und Ian Holt, diese Versprechen auch einzulösen. 
Dazu verhilft ihnen zum einen Teil gleich der Anfang des Buches, der aus einem Brief Mina Hakrers an ihren Sohn Quincy besteht, in dem ihm so manches von ihr erklärt und dem Leser die Geschichte Draculas in groben Zügen zusammengefasst wird. Dadurch ist man sofort wieder in der Geschichte und der Atmosphäre des Romans von Bram Stokers, dessen Dracula aus Tagebucheinträgen, Briefen und Berichten besteht. Zwar lösen sich die Autoren wieder augenblicklich von dieser Form, aber als Einführung ist dieses Vorgehen mehr als gelungen.
Um ihren Roman dann noch tiefer mit dem von Bram Stoker zu verbinden und gleichzeitig ihn in ihrem Sinne abzuändern, lassen sie immer wieder Rückblicke stattfinden, die das vergangene Geschehen aus neuen und unterschiedlichen Blickwinkeln präsentieren.

Aber so sehr „Dracula – Die Wiederkehr“ Neues in der Handlung und dem Hintergrund bietet, lebt der Roman doch von seinen Figuren. Da wären zuallererst natürlich die von Bram Stoker erfundenen Personen wie Mina und Jonathan Harker, Van Helsing, Arthur Holmwood, Quincy Jones, Jack Seward und vor allem Dracula selbst. Jede der Figuren mit besonderem Augenmerk auf Dracula, Mina Harker und Jack Seward erfährt eine Vertiefung ihres Charakters und hat sich seit den Ereignissen in „Dracula“ weiterentwickelt und zwar nicht unbedingt, wie es so oft gerne dargestellt wird, zum Guten. An keinem ist die Vergangenheit spurlos vorbeigegangen. Alle müssen mit den Konsequenzen ihres damaligen Handelns leben und versuchen, damit zurecht zu kommen. Den wenigsten gelingt es. Selbst an Dracula sind die Ereignisse nicht spurlos vorbeigegangen, obwohl er es im Prinzip noch am besten getroffen hat.

Die beiden Hauptprotagonisten, die die Handlung vorantreiben, sind aber zwei neu präsentierte Charaktere. Inspektor Cotford, der schon in den Notizen Bram Stokers zu „Dracula“ erwähnt wird und Quincy Harker, Minas Sohn. Sie stehen im Mittelpunkt. Beide sind auf ihre Art getrieben. Beide suchen sie den Ruhm, nur auf unterschiedliche Weise. Quincy auf der Bühne, Cotford, indem er Jack the Ripper endlich findet. Beide stehen am Ende an einer Stelle, mit der sie anfangs nicht gerechnet haben.
Wie alle anderen sind sie sehr gut gezeichnet, ihr Handeln bleibt nachvollziehbar und mehr als einmal bangt man um sie, wobei Inspektor Cotford gerade wegen seiner Hartnäckigkeit, mit der er Van Helsing verfolgt, die Sympathien der Leser mehr auf seiner Seite haben dürfte.
In all das fügen Dacre Stoker und Ian Holt dann noch reale Personen und Ereignisse ein und verankern ihren Dracula auf diesem Weg umso mehr in unserer Welt. Dadurch erhöhen sie noch die Spannung und den Grusel. Nicht unerwähnt soll dabei das Auftreten von Bram Stoker sein, der gerade versucht seinen Roman als Theaterstück zu inszenieren, einem Dreh- und Angelpunkt des Romans. Dem Autor wird dadurch ein weiteres Denkmal gesetzt und er wird noch ein Stück unsterblicher.

Der Stil der beiden Autoren ist gut und flüssig zu lesen und sie schaffen es, mit der ersten Zeile eine gruselige Atmosphäre aufzubauen, in die auch offener Horror immer wieder einbricht. Die 548 Seiten des Romans vergehen wie im Fluge und es ist jederzeit möglich, wieder den Faden aufzunehmen. Immer wieder schaffen sie es, ihre Geschichte spannend zu gestalten und zu halten. In kurzen Kapiteln treiben sie die Handlung voran, was ihnen die Möglichkeit gibt, mit vielen unterschiedlichen Perspektiven zu arbeiten, die immer mehr von dem Gesamtbild zeigen.

Trotz allem gibt es natürlich auch Kritik an „Dracula – Die Wiederkehr“.
Manchmal hat man das Gefühl, den Autoren ging es darum, so viele reale Personen und Ereignisse einzubauen, wie nur irgend möglich und damit gleichzeitig sich vor ihren Idolen zu verbeugen. Dabei schießen sie ein ums andere mal etwas über das Ziel hinaus. Dass sie sich bei der Namensvergabe vor den Schauspielern des Dracula verbeugen, ist sicher für jeden Dracula-Fan schön, aber wenn gleich drei von ihnen in einer Szene namentlich erwähnt werden, ist das ein bisschen zu viel. Man verliert dadurch allzu leicht die Handlung aus den Augen. Solche Dinge finden sich leider immer wieder, aber können den Lesespaß nicht wirklich trüben.
Das macht der dreifache Endkampf dann schon eher. Dracula wird von den Autoren auf den letzten Seiten gleich dreimal auf seinen Widersacher gehetzt und erst beim dritten Mal gelingt ihm der Sieg. Diese Häufigkeit ist unnötig, da sich mindestens eine der Situationen auch anders hätte lösen lassen. Man hat hier den Eindruck, dass sich die Autoren nicht so recht auf ein Ende einigen konnten und deswegen alle drei einbauten.

Der Schluss des Romans ist dabei keineswegs eindeutig und lässt mehr als eine Tür sperrangelweit für eine Fortsetzung offen. Trotzdem ist die Geschichte in sich abgeschlossen und funktioniert als Einzelroman bestens.

Ausgestattet ist das Buch noch mit einem Nachwort der Autoren, in dem man viel über ihre Beweggründe und ihre Arbeit erfährt, Fotos von Bram Stokers Notizen und einem Nachwort von Elizabeth Miller, einer anerkannten Dracula-Expertin.


Fazit

Allen, die romantische Vampirromane à la „Biss zum Morgengrauen“ nicht mehr sehen können und den klassischen Vampirroman vermissen, sei „Dracula – Die Wiederkehr“ wärmstens empfohlen. Behutsam modernisiert und sehr gut weitergeführt, ist der Roman eine Verbeugung vor Stokers Ursprungswerk.
Dracula-Puristen werden die Autoren wegen der Änderungen verteufeln, alle anderen werden ihnen danken, dass sie das Blut und den Horror zurück ins Vampirgenre gebracht haben.


Pro & Contra

+ baut auf Stokers Motiven und Figuren auf und führt sie konsequent fort
+ Grusel- und Horroratmosphäre, die Spannung erzeugt
+ die neuen Charaktere sind eine Bereicherung des Mythos
+ Verbindung „Draculas“ mit Jack the Ripper
+ viele interessante Zusatzinformationen

0 Änderungen an der Originalgeschichte von Bram Stoker
0 Dracula muss gleich drei Mal gegen seinen Widersacher antreten, obwohl höchstens zwei Mal gereicht hätten
0 schlechte Verarbeitung des Hardcovers

Bewertung:

Charaktere: 5/5
Handlung: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln zu Dracula:

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Rezension zu Dracula (Pascal Croci)
Rezension zu Dracula (Georges Bess)