Des Teufels Maskerade (Victoria Schlederer)

Heyne (November 2009)
Paperback, Klappenbroschur, 544 Seiten
10 s/w Abbildungen
€ 14,00 [D] | € 14,40 [A] | CHF 25,90
ISBN: 978-3-453-52655-6

Genre: Dark Fantasy


Inhalt

Der Inhalt ist nicht gerade leicht zu erzählen. Ein verkrachter Baron schlägt sich zusammen mit einem Otter und einem aufgelesenen Straßenjungen als eine Art k. u. k. Privatdetektiv durchs Leben. Das ist nicht weiter aufregend. Auch dass der Otter in Wirklichkeit ein englischer Adeliger und das Ergebnis eines gescheiterten magischen Experimentes ist, geht über eine nette Verzierung nicht hinaus. Der Baron übernimmt den Auftrag, einen alten Bekannten vor einer Bedrohung zu bewahren. Kompliziert wird diese Angelegenheit dadurch, dass diese Bedrohung aus der tiefen Vergangenheit kommt, der Bekannte nicht nur als Agent für das k. u. k. Büro für okkulte Angelegenheiten gearbeitet hat – oder noch arbeitet – sondern dass ihn und den Baron auch eine Vergangenheit teilt, über die man besser nicht reden sollte. Irgendwie spielt auch noch eine wilde Verschwörung gegen die Monarchie eine Rolle, bei der offen bleibt, ob sie aus dem Diesseits oder dem Jenseits gelenkt wird.
So könnte man einen aufregenden Thriller mit phantastischen Elementen erwarten. Aber der Autorin geht es offenbar um etwas anderes.


Rezension

Es darf nicht überraschen, dass der Erstling von Victoria Schlederer Siegertitel in einem Wettbewerb wurde, für den über 1400 Manuskripte eingereicht wurden. Des Teufels Maskerade lässt sich in keine der gängigen Verkaufsschubladen stecken. Trotz des sprechenden Otters beginnt die Geschichte als historischer Roman und beschreibt eine Episode des Sommers 1909 in Prag und Wien. Auch das Auftauchen eines Nosferatus mit dem Namen Buckingham macht daraus noch keinen Vampirroman. Dazu bleibt die Welt der Vampire zu vage, und überdies vermeidet die Autorin vermeidet recht fantasievoll jedes Klischee, das als Brücke zu bekannten Trivialromanen dienen könnte.

Gleichzeitig baut sie allerdings sehr viel Spannung auf. Dieses Kunststück gelingt ihr durch zwei Handgriffe. Die wichtigsten Figuren sind durch eine gemeinsame Vergangenheit miteinander verbunden, und die Geschichte besteht aus lauter kurzen Versatzstücken, die in Form von Briefen, Tagebuchnotizen und kurzen bis mittellangen Dialogen verabreicht werden. Jedes Mal erfährt der Leser ein wenig mehr, wird ein wenig neugieriger und bekommt doch nie ein ganzes Bild. Diese Art zu schreiben stellt besondere Anforderungen an einen Autor, denn gute Dialoge zu schreiben ist schon nicht ganz einfach, aber geistreiche Dialoge zu schreiben, ohne sich dabei in Geistreicheleien zu verlieren, ist schon beinahe eine Kunst. Victorias Dialoge sind geistreich, und sie haben einen Witz im Detail.

So etwas erreicht man mit einer guten Beobachtungsgabe. Nur wurde wenig beobachtet, sondern recherchiert. Aber zu solchen Ergebnissen kann Recherche führen, wenn sie mit ein wenig Fantasie vermengt wird. So ist es für die entsprechende Zeit nicht weiter bemerkenswert, wenn ein Dragonerleutnant auf einem Provinzbahnhof von zerlumpten Kindern umringt wird, aber zusätzlich ein aufgeregtes Huhn über den Bahnsteig laufen zu lassen, ist ein wundervolles Detail. Wahrscheinlich hat Frau Schlederer kleinere Bahnhöfe Osteuropas kennen gelernt, und dort dann doch zweimal hingeschaut. So kommt als zweite Stärke neben den Dialogen eine ausgesprochen authentische Atmosphäre dazu, die den Leser festhält.

Die Hauptfiguren des Romans sind Männer, und wenn der Plot weniger auf Aktionen als auf dem Innenleben der Figuren aufbaut, dann ist es um so bemerkenswerter, dass sich die Autorin in außergewöhnlicher Weise in die männliche Gedankenwelt hineinzuversetzen mag, wo doch allgemein bekannt ist, dass Frauen und Männer in unterschiedlichen Geisteswelten leben und allergrößte Schwierigkeiten haben, einander nicht misszuverstehen. Wie die Autorin das in einem Alter von Mitte zwanzig gemeistert hat, ist ihr Geheimnis. Kein Wunder also, dass auch die Charakterzeichnung der meisten Figuren exzellent ist, auch wenn man sich wünschen könnte, dass die eine oder andere Figur noch etwas weiter entwickelt worden wäre.

Und noch etwas. Etikette war wichtig in der k.u.k. Monarchie, manchmal wichtiger als das Leben. Höflichkeit ist Pflicht in Adel und Militär und selbst in den gehobenen Salons. Auch wenn sie in Wahrheit Bordelle sind und von Huren geleitet werden. Zwischen den Zeilen erkennt man die Bedeutung und die Funktion von Höflichkeit und guten Manieren und kann lernen wie das praktiziert wird. Ein gutes Trainingsfeld für heutige Rüpel, die Unhöflichkeit oft mit Lässigkeit verwechseln.Manieren sind überdies eine Waffe, die oft tödlicher sein kann als blanker Stahl. Hier lässt sich etwas davon spüren und, wenn man denn will, so manche Anregung aufnehmen. Die höfische Etikette hingegen hat wohl zu Recht in unserer Zeit keinen Platz mehr.

Den Plot Geschichte muss man suchen gehen. Nicht dass er schlecht wäre, nicht dass das Buch eine reine Aneinanderreihung einzelner schöner Szenen wäre. Nein, er ist schlichtweg unauffällig, weil er außerhalb der Erwartungen liegt und die Geschichte sensationsarm geschrieben wurde. Und das bei all den Monstern, die die das beschauliche Leben der k. u. k. Monarchie einbrechen.

 Der Ermittler ist erfolglos und findet wenig heraus, was die Handlung weiter treibt. Und auch die anderen Figuren sind nicht wirkungsvoller. Zufällig erscheinende Ereignisse, Geschehnisse, Bekenntnisse, mancher Sinneswandel hin und wieder zurück machen aus den handelnden Personen Marionetten, die an unsichtbaren Fäden zappeln. Es sind die Ereignisse, die die Menschen vor sich her treiben. Dass diese hin und wieder das Gefühl haben, das Heft des Handelns in der Hand zu halten ist eine zusätzliche Pointe der Geschichte. Je mehr okkulte Kräfte wirksam werden, desto ohnmächtiger werden die Personen. Und so wird aus einem historischen Roman schließlich doch noch eine reine Fantasy-Geschichte. Und was für eine.


Fazit

Ein grandioses Buch, ein geistreiches Buch, das sogar in einzelnen Sätzen mitunter kleine Edelsteine aufleuchten lässt und den Leser dazu bringt, einen Satz zweimal lesen zu wollen.
Aber Vorsicht. Wer wenig Spaß an guter Sprache und klugen Gedanken hat und dafür lieber harte, actionreiche Kost bevorzugt, sollte seine Erwartungen vielleicht ein wenig dämpfen. Eine Mord und Totschlag Geschichte ist es nicht. Eher eine Maskerade.
Unbedingt lesen meint
Trippelschritt


Diese Rezension stammt von unserem Gastrezensenten Trippelschritt - mehr Rezis von ihm findet ihr auf Bibliotheka Phantastika.