Unsichtbare Schätze - Kleinverlagsperlen Teil 3

Liebe Leser*innen,

nun sind schon über drei Jahre vergangen, seit ich die beiden Blogbeiträge über die Kleinverlagsperlen geschrieben habe. 2020 hatte ich weitere Kleinverlagsbücher in Blogbeiträgen zum #bücherhamstern vorgestellt und es hat sich seitdem einiges getan - trotzdem bekommen diese Bücher nach wie vor nicht so viel Beachtung, wie sie verdienen. Sie gehen in der Masse der Veröffentlichungen schnell unter und hatten vor allem während der Pandemie damit zu kämpfen, dass für sie wichtige Veranstaltungen wie Messen und Conventions, auf denen viele Bücher gekauft werden, ausblieben. Mir liegen Kleinverlagsbücher sehr am Herzen, nicht nur, weil da von Seiten der Macher*innen viel Herzblut einfließt, sondern weil viele dieser Bücher mich mehr begeistern als Titel aus großen Verlagen. Bei Kleinverlagen findet man mehr Nischengenres wie Steampunk, mehr Experimente und vor allem viele neue Autor*innen. Sie schauen weniger auf Trends, sondern machen das, was sie selbst begeistert - und das spürt man. Also schaut Euch nicht nur in den Regalen (großer) Buchhandlungen um, sondern werft auch immer mal Blicke in die Kleinverlagswelt! Folgende Bücher würde ich Euch aktuell empfehlen:

"Neongrau - Game over im Neurosubstrat" von Aiki Mira

Im regendurchtränkten, teils überfluteten Hamburg des 22. Jahrhunderts inszeniert Aiki Mira eine vielschichtige Coming-of-Age-Story als neonschimmernden, modernen Cyberpunk. Im Fokus der Handlung steht die Identitätssuche der jugendlichen Protagonist*innen, insbesondere von Go/Stuntboi, die/der sich als nicht-binäre Person zu akzeptieren lernt. Dazu entwirft Aiki Mira ein faszinierendes Porträt der Zukunft im Klimawandel, streut in die Dystopie utopische Ideen ein und fesselt die Leser*innen mit einer bildhaften, bedeutungsschweren Sprache, die einen speziellen Sog entfaltet. Und vor allem steckt hier wirklich "Punk" drin (im Gegensatz zu anderen jüngeren SF-Titeln, die zwar Cyberpunkelemente verwenden, aber einfach kein CyberPUNK sind).

"Dies ist mein letztes Lied" von Lena Richter

Qui lebt auf einem cyberpunkigen Planeten, auf dem sich das ganze Leben der Bewohner*innen um einen Megakonzern dreht. Qui hat sich damit abgefunden, ein Zahnrad im Getriebe der Konzernmaschine zu sein, als eine Tür im Nichts erscheint - es beginnt eine phantastische Reise zu fernen Planeten, auf ein Generationenschiff, in virtuelle Welten und zu besonderen Menschen, die Qui Hoffnung und Mut geben. Eine wunderbare SF-Novelle, die die Autorin als "Space Portal Fantasy" bezeichnet, was die Geschichte ziemlich perfekt beschreibt. Auf wenigen Seiten entfaltet sich ein ganzes Leben voller Höhen und Tiefen, das die Leser*innen tief berührt. Auch für Nicht-SF-Leser*innen lesenswert.  

"Laylayland" von Judith und Christian Vogt

"Laylayland" ist der zweite Teil der Postapokalypse "Wasteland", lässt sich aber auch als Einzelroman gut lesen (wobei man dann in Bezug auf Band 1 gespoilert wird): Kriege mit Biowaffen und der Klimawandel haben Europa in eine Trümmerlandschaft verwandelt. In den sogenannten Wastelands werden Menschen krank und sterben relativ schnell - Leben ist nur in den trostlosen Bereichen dazwischen möglich. Laylay und Baby Mtoto kann die Wastelandkrankheit jedoch nichts anhaben, denn sie sind aufgrund ihrer Genetik immun. Sie gehören zu den sogenannten Ferales, einer Menschenart, die über enorme Selbstheilungskräfte verfügt und eine werwolfähnliche Form annehmen kann. Nun ist Laylay mit ihrem kranken Freund Zeeto unterwegs, um für ihn - und andere - ein Heilmittel zu finden. Dabei stößt sie unter anderem auf ihre Mutter, die sich ihren eigenen kleinen Terrorstaat aufgebaut hat ... Mad-Max-Dystopie trifft auf Hopepunk - in Kombination mit dem deutschen/europäischen Setting ein echtes Highlight. 

"Rho" von E. S. Schmidt

Seit über einhundert Jahren leben Menschen auf dem Exoplaneten Deuteragäa, dennoch wissen sie fast nichts über die in der Wüste der Tagseite lebenden, insektenartigen Mantis. Diese greifen immer häufiger menschliche Siedlungen an. Wissenschaftsjournalistin Moira gerät zwischen die Fronten und kann mit Hilfe des Elitesoldaten Rho vor einem Angriff der Mantis fliehen. Die beiden landen mitten in der Wüste in der Nähe eines Mantisbaus. Moira ahnt da noch nicht, wie intelligent die Mantis wirklich sind - und welche Verbindung es zwischen Rho und den Rieseninsekten gibt. "Rho" begeistert vor allem mit einem tollen Worldbiulding: Deuteragära ist ein Planet ohne Rotation und die Menschen leben überwiegend in der Dämmerungszone, wo sie cyberpunkige Städte errichtet haben.

"Totenfluch - Ein Fall für Mafed und Barnell"

"Totenfluch" gehört zur Kemet-Reihe, die Jenny Wood gemeinsam mit Melanie Vogltanz schreibt, wobei es von beiden Einzelromane bzw. -novellen gibt sowie gemeinsame Geschichten. "Totenfluch" stammt aus der Feder von Jenny Wood und ist stimmungsvolle und charmante Urban Fantasy in New York, die von der Spannung zwischen den Protagonisten lebt. Mafed ist ein ägyptischer Totengott, der sprichwörtlich von seiner Vergangenheit verfolgt wird. Er arbeitet als Rechtsmediziner beim NYPD und tarnt sich als Mensch - Detective Barnell kennt jedoch sein übernatürliches Geheimnis, wenn auch nicht in allen Details. Die beiden streiten häufig, dennoch wird aus ihrem professionell-distanzierten Verhältnis bald eine tiefe Freundschaft, in der es auch ein bisschen kribbelt. 

"Das Buch der Augen" von Swantje Niemann

Urban Fantasy meets Lovecraft-Horror: Die Dämonen in "Das Buch der Augen" erinnern an die grauenerregenden Kreaturen des Cthulhu-Mythos, doch Swantje Niemann hat eine ganz eigene schaurige Parallelwelt ersonnen, die nur wenige Menschen wie Protagonistin Renia sehen können. Sie sieht die Schrecken der Roten Welt und hört das Flüstern eines Dämons, der auf ihre ganz persönlichen Schrecken anspringt. Zunächst glaubt Renia, dass nur sie die Rote Welt sieht und diese ein Konstrukt ihrer Ängste ist, doch als sie nach Berlin zurückkehrt und dort auf ihre Tante trifft, wird ihr klar, dass die Rote Welt und ihre Dämonen real sind. Renia muss sich entscheiden, ob sie versuchen will, sich zu verstecken - oder ob sie gegen die Alptraumkreaturen kämpfen will ...

"Die Entführung der Dinharazade" von Christina Wermescher

Steampunk trifft auf eine Geschichte wie aus 1001 Nacht: Dinharazde verweilt mit ihrer Schwester Scheherazde im Palastgarten, als plötzlich der Wüstenkönig Khan Bassam erscheint und höflich verkündet, Dinharazade zu entführen. Er bringt sie in seine Oasenstadt, die sich nach anfänglichen Misstrauen als Paradies für die technikaffine Dinharazade entpuppt. Zwischen ihr und Khan Bassam entspinnt sich eine charmante Liebesgeschichte, die bald von den dunklen Plänen einer Hexe überschattet wird. 

So, das war es von meiner Seite - vorerst (hier liegen wieder einige tolle Kleinverlagsbücher, die bald gelesen werden). Vielleicht war etwas für Euch dabei - in diesem Fall wünsche ich schon mal viel Spaß beim Lesen!

- Judith