Trio Infernale - Mesozoikum Blues (Flerken Chatoyance)

 Cover Trio Infernale - Mesozoikum Blues: zu sehen ist die Silhouette eines Flugsauriers, der über Palmen fliegt, der Himmel ist bunt wie ein Sternennebel

Tredition (2023)
Taschenbuch, 260 Seiten, 11,90 EUR
ISBN: 978-3-347-88863-0

Genre: Science Fantasy


Klappentext

Hypsipyle ist jene legendäre Amazonenkönigin, die in einem Wutanfall die Argonauten ermordete. Beim Sturm auf Atlantis gerät sie in ein mysteriöses Ritual, welches sie ins Mesozoikum katapultiert. Dort trifft sie auf die mächtige Atlanterin I’a-R’et, eine misanthrope Mensch-Alien-Hybridin, die auf dem Planeten eine zwielichtige Mission durchführt. Der entbrennende Zweikampf zwischen Hypsipyle und I’a-R’et wird mit Begeisterung von dem geheimnisvollen Katzenmädchen Felina Fleabuttocks verfolgt. Die transfeline Zeitreisende gibt sich als Touristin aus dem 22. Jahrhundert aus. Misstrauen, Manipulation und Wutausbrüche begleiten jeden Schritt dieses Trio Infernales in der von Raubsauriern dominierten, menschenfeindlichsten aller Welten. Dabei liegt es in den Händen der drei ungleichen Außenseiterinnen die drohende Selbstauslöschung der Menschheit zu verhindern.


Rezension

Amazonenkönigin Hypsipyle hat ihren Ruhm einem einzigen, sehr blutigen Wutausbruch zu verdanken, in welchem die Argonauten ihr Ende fanden. Entsprechend muss sie beim Sturm auf das von zwielichtigen Echsenwesen bevölkerte Atlantis dabei sein, auch wenn sie sich bei der Fahrt über das Meer die Seele aus dem Leib kotzt. Hypsipyle würde lieber nicht kämpfen, doch sobald ihre Wut entfacht ist, wird zu seiner Berserkerin. So stolpert sie im Blutrausch in ein Ritual der Atlanter und findet sich in einer Welt voll riesiger Pflanzen und Monstern wieder. Hypsipyle weiß zunächst nicht, dass sie durch die Zeit gereist und im Mesozoikum gelandet ist, im Gegensatz zu I'a-R'et, einer Mensch-Alien-Hybridin, und Katzenmädchen Felina Fleabuttocks, die sich von ihrer Zeitreiseexkursion entfernt hat. Als die drei das erste Mal zusammenstoßen, ist das Chaos perfekt: Während Hypsipyle versucht, ein Riesenkrokodil mit ihrem Gesang zu besänftigen, schreitet I'a-R'et ein und faltet das Krokodil zu einem afrikanischen Elefanten, woraufhin sich das Tier erst einmal in einer Identitätskrise befindet. Felina beobachtet die Situation, wittert ein großes Abenteuer und gibt sich als Zeitreisende zu erkennen. Während Hypsipyle von dem Katzenmädchen sehr angetan ist, sieht I'a-R'et in Felina die Chance, dem monströsen Mesozoikum zu entkommen und in die Zukunft zurückzukehren, doch dazu müssen die drei sich erst einmal zusammenraufen ...

"Trio Infernale - Mesozoikum Blues" ist ein wilder Mix aus Science Fiction und Fantasy, angelehnt an frühe Abenteuer-SF wie "John Carter vom Mars" oder auch "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde", modern erzählt und mit queerem Cast. Hypsipyle erscheint der Leserschaft anfangs wie eine blutrünstige Furie, auch wenn sie beteuert, eigentlich nicht so gerne zu kämpfen und zu töten. Doch sie ist wahnsinnig schnell in Rage zu bringen und schlägt mit ihrer Axt um sich. I'a-R'et begegnet sie zunächst mit Misstrauen und Abscheu, schließlich ist Hypsipyle aufgebrochen, um Atlantis zu vernichten - nicht wissend, dass es sich bei den Atlanter*innen nicht um dämonische Wesen, sondern um Außerirdische handelt, die die Menschheit beobachten und Artefakte aus verschiedenen Zeiten sammeln. I'a-R'et ist ebenso abgestoßen von Hypsipyle, findet die kleine, wütende Amazone jedoch auch faszinierend und entdeckt bald ihre Talente. So kann Hypsipyle mit ihrem Gesang tatsächlich Tiere besänftigen und sogar Dinosaurier in folgsame Haustiere verwandeln. Unter ihrer rauen, blutrünstigen Schale steckt eine sehr empathische Frau, die im Mesozoikum regelrecht aufblüht. 

Auch Hypsipyle erkennt bald die Vorzüge I'a-R'ets, die mehr Dimensionen als Menschen wahrnehmen kann und ein tieferes Verständnis für die Natur des Universums besitzt (natürlich liegen die Menschen mit ihren Theorien falsch). I'a-R'et spricht von der Faltigkeit des Universum, die ihre Spezies, die geschlechtslosen S'af, instinktiv begreift. Als Hybridin ist I'a-R'et eine Außenseiterin, die sich nach Anerkennung und Nähe sehnt. Sie liebt ihre Geschwister, auch wenn diese sie geringschätzen, und tut alles dafür, um als vollwertige S'af anerkannt zu werden. Ihre Schwäche ist ihre Vergesslichkeit und so hat sie auch vergessen, wie sie durch die Zeit reisen kann. Entsprechend ist sie auf menschliche Technologie angewiesen, die Felina Fleabuttocks ihr in Aussicht stellt. Das Katzenmädchen zeichnet zunächst ein positives Bild der Zukunft, aus der sie kommt: Im späten 22. Jahrhundert sei Transfelinität ganz normal, jeder könne sich genetisch verändern und in einen Tiermenschen verwandeln lassen. Später stellt sich jedoch heraus, dass sie für genau diesen Eingriff bestraft wurde, so wie sie schon oft bestraft wurde, weil sie aus der Reihe fällt und ihren eigenen Kopf hat - und eine Hackerin ist. In der Zukunft wird jedem Menschen bei der Geburt eine transhumane Extensionseinheit implantiert, eine unterstützende KI, die alles kommentiert, ganz schön nervig sein kann und dabei vor allem der Kontrolle dient. Denn in Felinas Welt sollen alle Menschen möglichst gleichförmig sein. Weichen sie ab von der Norm, werden sie in Heilzentren gesteckt.

Hypsipyle, I'a-R'et und Felina bilden das titelgebende Trio Infernale. Die Geschichte wird abwechseln aus ihren Perspektiven erzählt, wobei man bereits am Stil der Kapitel merkt, aus welcher Sicht gerade erzählt wird. Zusätzlich gibt es Abschnitte aus der Perspektive des Krokodilelefanten, der mit seiner Verwandlung zunächst sehr unglücklich ist, dann jedoch die Vorteile seiner neuen Existenz entdeckt. Später kommt noch die Perspektive einer weiteren Zeitreisenden hinzu, doch im Kern bleibt die Story nah beim Trio Infernale, bei dem es einige Male ordentlich kracht, ehe sich die Frauen annähern und eine Found Family bilden. Über den Weg dahin kann man schmunzeln, wie über vieles in diesem Roman, der teils stark überzeichnet ist. Insbesondere Hypsipyle erscheint wie die blutrünstige Karikatur einer Amazone, für die das Töten erschreckend selbstverständlich ist, obwohl sie sehr liebevoll mit Tieren umgeht. Unangenehm fallen zudem die Spottnamen, die sich die Frauen gegenseitig geben, auf. So wird Felina beispielsweise "Floharschfelina" genannt und der Umgang untereinander ist anfangs oft respektlos und gemein. Später kippt dies ins andere Extrem und die drei verleihen einander kitschige Kosenamen. Während Flerken Chatoyance Hypsipyles Bluttaten und Kotzerei sehr ausführlich und detailliert beschreibt, wird über die Annäherung der Frauen hinweggegangen und man erfährt erst hinterher (und nur teilweise), was passiert ist. Dabei hätte ein bisschen explizite Erotik gut in die Story gepasst. 

"Trio Infernale - Mesozoikum Blues" ist im Selfpublishing bei Tredition erschienen. Leider hat Flerken Chatoyance auf ein professionelles Lektorat verzichtet, zumindest wird niemand als Lektor*in genannt und die Story verschenkt einiges an Potential. Der Roman ist gut geschrieben und zuweilen sehr unterhaltsam, aber es gibt einige Szenen, aus denen die Autorin hätte mehr machen können, und ein paar Fehler zu viel im Text. Vor allem am Anfang holpert es, ehe das Trio Infernale sich im Mesozoikum trifft, welches sehr atmosphärisch beschrieben wird. Die Kreidezeit erscheint hier gleichzeitig als Paradies und Alptraum und man trifft auf die verschiedensten Dinosaurier, von denen Hypsipyle einige zähmt. Im Anhang findet sich ein Glossar mit den lateinischen Dinosaurier-, Tier- und Pflanzennamen (hier glänzt die Autorin mit ihrem fachlichen Hintergrund) und Erklärungen zu antiken Begriffen. Die drohende Selbstauslöschung der Menschheit, die im Klappentext versprochen wird, wird zwar erwähnt, geht aber im turbulenten Finale unter. Zudem bricht die Story am Ende mehr oder weniger einfach ab.  Kann man so machen (die Geschichte ist durchaus abgeschlossen), ist aber dennoch unbefriedigend. 


Fazit

"Trio Infernale - Mesozoikum Blues" ist eine turbulente Reise in prähistorische Zeit, in der eine Amazonenkönigin, eine Mensch-Alien-Hybridin und ein Katzenmädchen eine streitlustige Found Family bilden. Science Fiction und Fantasy verschmelzen zu einer unterhaltsamen Story, die wie ihre Figuren einige Ecken und Kanten hat. Viele davon schätzt man, einige hätte man abschleifen müssen. 


Pro & Contra

+ wilder, unterhaltsamer Genremix aus Science Fiction und Fantasy
+ Hypsipyles besondere Verbindung zu Tieren - auch zu Dinosauriern
+ drei sehr unterschiedliche Protagonistinnen mit Ecken und Kanten ...
+ ... über deren Lebenswelten man nach und nach mehr erfährt
+ queere Found Family
+ Aliens, Furries, Zeitreisen und nervige KIs
+ stimmungsvolles, passendes Covermotiv

- der Umgang untereinander ist anfangs zu respektlos und fies
- ungenutztes Potential / in der zweiten Hälfte zu schnell heruntererzählt
- fehlendes Lektorat

Wertung: sterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5

Tags: Künstliche Intelligenz, Science Fantasy, queere Figuren, deutschsprachige SF, Dinosaurier, Mesozoikum, Furries