Die schlimmste Reise der Welt Bd.1 – Ums Kap nach Süden (Sarah Airriess, Apsley Cherry-Garrard)

die schlimmste Reise der welt 1

Verlag: Panini; (Mai 2023)
Gebundene Ausgabe: 172 Seiten; 32 €
ISBN-13: 9783741633294

Genre: Reisebericht/ Abenteuer


Klappentext

Polarforschung ist die sauberste und gleichzeitig isolierteste Art, sich schlecht zu unterhalten, die je erdacht wurde.
Apsley Cherry-Garrard

Vor dem Pol …
Vor der Antarktis …
Vor der letzten Tragödie …

Es ist der Juni des Jahres 1910, als Cherry, unerfahren und ohne Qualifikationen, Captain Scotts neuer Südpol-Expedition beitritt. Schon die Reise in die Antarktis entpuppt sich als handfestes Abenteuer. Während sie die Terra Nova von einer Strapaze in die nächste segeln, lernen die Wissenschaftler und die Marinesoldaten, als Team zu arbeiten – aber sind sie dem tobenden Südlichen Ozean gewachsen, der droht, die Expedition zu versenken, bevor sie überhaupt beginnen kann?

Apsley Cherry-Garrard verfasste Die schlimmste Reise der Welt als Denkmal an seine Gefährten und die gemeinsamen Erlebnisse. Dieses Buch, das die menschliche Seite eines der berühmtesten aller Entdeckerepen offenlegt, ist ein seit 1922 heißgeliebter Klassiker der Reiseliteratur. Die Persönlichkeiten und ihre Abenteuer mit all ihren Emotionen und Eigenheiten werden in dieser bildgewaltigen Adaption durch die Hand von Disney-Veteranin Sarah Airriess zu sprühendem Leben erweckt.


Rezension

Im Juni 1910 bricht die Südpol-Expedition von Robert F. Scott auf. Mit an Bord ist der junge Apsley Cherry-Garrard, der voller Enthusiasmus auf die Reise geht und alles als großes Abenteuer ansieht. An Bord lernt er die unterschiedlichsten Männer kennen, die doch alle in ihrem Ziel vereint sind: Das erstmalige Erreichen des Südpols. Doch bereits der Weg dorthin ist lang und voller Schwierigkeiten, nicht zuletzt deswegen, weil die Terra Nova viel zu viel Wasser aufnimmt und die Männer teilweise bis zur Erschöpfung an den Lenzpumpen stehen müssen. Aber es soll alles noch viel schlimmer kommen.

Die Geschichte von Robert F. Scotts Antarktisexpedition wurde bisher vielfach erzählt und Scott gelangte zu trauriger Berühmtheit, aufgrund seines tragischen Todes. Dazu kommt noch die Rivalität mit Roald Amundsen, der letztlich das Rennen gewann, als erster am Südpol zu sein. Es ist am Ende also eine zutiefst tragische Geschichte, die sich damals abspielte und von diesem Drama im Eis und den Weg dorthin berichtete das Expeditionsmitglied Apsley Cherry-Garrard in seinem Reisebericht Die schlimmste Reise der Welt, der ihm wohl zugleich auch dabei half, die erlittenen Traumata auf der Reise zu bewältigen. Die Strapazen und Belastungen der Reise waren geradezu außergewöhnlich.

Nach dem Hören einer Hörspielumsetzung des Reiseberichtes war die Neugier von Sarah Airriess geweckt und sie begann alles zu dieser Reise zu verschlingen und zu recherchieren. Wie sie im Vorwort schreibt, wollte sie von Anfang eine Comicadaption schaffen, um andere Menschen ebenso zu inspirieren, wie sie es durch das Lesen des Reiseberichtes und das Hörspiel wurde. Und so liegt nun der erste Band ihrer Adaption vor, für den sie unter anderem vom Scott Polar Research Institute gefördert und unterstützt wird. Das ermöglicht ihr eine Akribie und Detailfülle, die sonst vielleicht nahezu unmöglich wäre. Bereits auf den ersten Seiten fällt dieser Umstand auf und dies zieht sich durch den gesamten Band. Sarah Airriess besitzt ein unglaublich großes Wissen über diese Expedition und ihren Verlauf und dies versteht sie zu transportieren, ohne dabei belehrend zu wirken. Es ist einfach die Leidenschaft für das Thema, die aus ihr spricht und mitreißt.

Und somit gilt, wer die Comicadaption von Die schlimmste Reise der Welt aufschlägt und die ersten paar Seiten liest, sollte sich darüber im Klarem sein, dass er diesen Comic nicht mehr aus der Hand legen wird, bevor die letzte Seite erreicht ist. Praktisch sofort zieht Sarah Airriess einen in die Geschichte der Expedition Scotts hinein und lässt dann niemanden mehr vom Haken. Zu faszinierend ist die Geschichte, die sie hier erzählt. Und dabei wird im ersten Band der Comicumsetzung von Apsley Cherry-Garrards Bericht die Antarktis überhaupt erst am Ende erreicht. Die wirklich dramatischen Ereignisse kommen erst noch in einem zweiten Band. Aber Sarah Airries beweist, dass sie eine großartige Erzählerin ist, sowohl mit Worten, die immer wohlgewählt sind als auch in Bildern. Häufig ist ihre Erfahrung im Animationsbereich klar zu sehen, die ihre Comicumsetzung so fließend und lesenswert macht.
Mit einer unvergleichlichen Eleganz und Leichtigkeit führt sie ihre Charaktere ein, die sonst nur zu Hochzeiten in Disneyfilmen zu finden war, z.B. Basil, Dschungelbuch, Bernhard und Bianca, Robin Hood oder auch König der Löwen und Küss den Frosch. Teilweise entsteht regelrecht der Eindruck, ein Zeichentrickfilm würde vor einem ablaufen. Auf diese Weise lernen sich die Charaktere untereinander und der Leser die Personen kennen und es entsteht praktisch sofort eine Verbindung und man fühlt sich mehr wie ein Begleiter, denn ein Beobachter. Dies bleibt bis zum Ende dieses Bandes, der bis hierhin noch sehr optimistisch wirkt und Zuversicht versprüht, wie es auch wirklich gewesen sein soll, - was die folgenden Ereignisse nur tragischer macht.

Sarah Airriess war bei Disney an Filmen wie Küss den Frosch und Winnie Puh als Animatorin beteiligt und ihre Erfahrungen beim Gestalten und Zeichnen von Animationsfilmen kommen ihr bei Die schlimmste Reise der Welt, wie bereits erwähnt, zugute. Ihre Zeichnungen besitzen eine wundervolle Dynamik und sind detailliert, werden aber nicht von den vielen Details erdrückt. Sie findet kreative Lösungen, um Sachverhalte zu erklären und darzustellen und alles wirkt sehr filmisch. Es stellt sich tatsächlich das Gefühl ein, Standbilder eines Filmes zu betrachten. Automatisch hört man im Kopf die musikalische Begleitung, wenn man die Textzeilen von Seemannsliedern bei der Arbeit liest. Das hier ist eine perfekte Umsetzung und wer weiß, vielleicht dient Sarah Airriess Comic mal als Vorlage für eine Animationsverfilmung. Verdient hätte sie es.

Zusätzlich zu der Geschichte und den Zeichnungen überzeugt Die schlimmste Reise der Welt beim Bonusmaterial. Im Anhang gibt es einen Haufen Anmerkungen zu den einzelnen Panels und Seiten. Leider sind nicht alle Anmerkungen enthalten, wie bei der englischen Ausgabe, allerdings findet man sie auf der Website: worstjourney.com/deutsch. In den Anmerkungen geht Sarah Airriess ausführlich darauf ein, was sie abänderte und wo sie manche Anekdote entnommen hat, die nicht Cherry-Garrards Bericht vorkommt. Dazu kommen Erläuterungen zu Ereignissen oder zusätzliche Informationen zur Reise. Auch hier ist ihre Leidenschaft in jeder Zeile zu spüren, sowie in jedem Strich ihre Zeichnungen.

Panini hat dem Comic das Albumformat verpasst und das ist eine sehr gute Entscheidung gewesen, denn so kommen Sarah Airriess Zeichnungen viel besser zur Geltung und können ihre volle Wirkung entfalten. In England ist nur eine deutlich kleinere Ausgabe erhältlich.

Wer übrigens die Autorin und Zeichnerin, die für diese Comicadaption ihre Animationskarriere aufgab, unterstützen möchte, kann dies über ihre Internetseite tun.


Fazit

Hier stimmt vom Cover bis zur letzten Seite einfach alles. Sarah Airriess nimmt einen mit auf eine Reise ins Unbekannte und ohne dass der Südpol überhaupt erreicht wird, transportiert sie das Gefühl der Zeit und die Freundschaft innerhalb der Besatzung so perfekt, dass man Die schlimmste Reise der Welt nicht vorzeitig aus der Hand legen kann. Es passiert bis jetzt nicht viel, aber das wird wunderbar erzählt. Definitiv einer der besten Comics des Jahres.


Pro & Contra

+ wunderbare Zeichnungen mit toller Dynamik
+ Charaktere wachsen einem ans Herz
+ flüssig erzählt ohne Längen, obwohl noch nicht so viel aufregendes passiert.
+ zahlreiche informative und interessante Anmerkungen
+ macht Lust, das Buch von Apsley Cherry-Garrard zu lesen

Bewertung: sterne5

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5