tredition (2023)
Taschenbuch, 252 Seiten, 13,00 EUR
ISBN: 978-3-347-83945-8
Genre: Urban Fantasy
Klappentext
Josina ist grad mal Anfang zwanzig und schon frustriert von ihrem Job. Dann bekommt sie auch noch Albträume, in denen sie Nacht für Nacht in einem Fluss aus Blut ertrinkt. Träume, die sie in die germanische Asenwelt führen, in der ausgerechnet sie die auserwählte Schwarze Träumerin sein soll? Die an der Seite des Feuerriesen Surt eine uralte Prophezeiung erfüllen muss?! Um irgendeine mythische Welt zu retten, von der sie bislang nicht mal wusste?!?
Ein Burnout, der weltschlimmste Liebeskummer und die Hoffnung, in ihren Träumen Heilung zu finden, geben Josina den Mut. Sie lässt sich ein auf ein Abenteuer, das ihre bekannte Welt zum Einstürzen bringen wird ...
Hier in „Die Schwarze Träumerin“ beginnt Josinas Reise in die WELT der Asen. In „Nicht schon wieder Ragnarök“ findet die Geschichte ihr Ende.
Rezension
"Als ich Remy das erste Mal sah, ahnte ich nicht, dass die Welt, wie ich sie kannte, dem Untergang geweiht war. Noch dass er und ich unseren Teil dazu beitragen würden." (Seite 7)
Eigentlich arbeitet Josina in ihrem Traumjob als Redakteurin beim Fernsehen, doch fehlende Anerkennung und insbesondere ihr Vorgesetzter Holger, der die Lorbeeren ihrer Arbeit einsackt und sie bei jeder Gelegenheit schlecht macht, lassen sie zunehmend verzweifeln. Ist der Traumjob all die Demütigungen und die ganze Mehrarbeit wert? Schließlich schreibt der Arzt Josina erst einmal krank. Burnout. Gleichzeitig beginnen die Alpträume, in denen Josina in einem Fluss aus Blut ertrinkt und zu Tode erschreckt aufwacht. Sie ahnt zunächt nicht, dass ihre Träume sie in eine andere Welt führen, die mit unserer verbunden ist - und dass sie nicht dazu verdammt ist, im Blutfluss zu ertrinken, sondern an der Seite eines Riesen kämpfen wird. Dieser Riese, Surt, sieht sein Schicksal in der Erfüllung einer Prophezeiung, laut der er die Seele des Urriesen Ymir zurückbringen wird und zusammen mit der Schwarzen Träumerin eine neue Welt erschaffen. Doch die nordischen Götter, die Asen, sehen ihre Herrschaft gefährdet und wollen Surt aufhalten ...
In "Die Schwarze Träumerin" verflechtet Patricia Eckermann die Geschichte einer jungen Frau, die einen Weg aus dem Burnout sucht, mit einer von der nordischen Mythologie inspirierten Heldenreise. Dabei wechseln sich Josinas Kapitel in unserer Welt mit Kapiteln aus Surts Perspektive in der Anderswelt ab. Josinas Alltag wird von den Träumen anfangs wenig beeinflusst. Sie hält sie für Klarträume, wie ihr Gerta, die Besitzerin eines Teeladens, erklärt. Gerta ermuntert sie auch, ihre Träume zu erforschen, außerdem glaubt sie, dass es neben unserer Welt andere Welten gibt. Josina weiß nicht, was sie davon halten soll, doch je mehr sie sich mit ihren Träumen beschäftigt, umso realer erscheinen sie ihr. Auch Remy, der junge Besitzer des Antiquariats neben dem Teeladen, glaubt an Magie. Als Josina ihn das erste Mal sieht, ist sie schockverliebt. Erst scheint er ihre Gefühle zu erwidern, doch dann kühlt ihre aufflammende Beziehung sehr plötzlich ab und zu Josinas Burnout gesellt sich Liebeskummer aus der Hölle. Das Verhältnis zu Remy bleibt kompliziert, gerät zwischenzeitlich aus dem Fokus und wird in der zweiten Romanhälfte wieder relevant. Allerdings weiß man nach der Lektüre dieses ersten Bandes nicht, inwiefern Remy in die Geschehnisse der Anderswelt verwickelt sein soll.
Die wichtigste Person in Josinas Leben ist ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Kamille, die ebenfalls beim Fernsehen arbeitet und als Moderatorin brilliert. Auch sie rät Josina, ihre Träume zu erkunden, und ist für sie da, soweit es ihr möglich ist. Und auch Kamille leidet unter Holger, den man nur aus Erzählungen kennt und der der Prototyp eines toxischen, machthungrigen Mannes ist, der seinen Ruhm auf der Arbeit anderer aufbaut. Josina hat es dabei als Schwarze Frau in vielfacher Hinsicht schwerer als Kamille, auch war es ihr nicht möglich, zu studieren. Josina hat eine Ausbildung gemacht und fürchtet, wenn sie ihren Job aufgibt, keine zweite Chance zu bekommen. Doch sie kann auch nicht weitermachen wie bisher. Da sich in der Anderswelt die Ereignisse zuspitzen, bleibt in der zweiten Romanhälfte wenig Zeit für Josinas Zwiespalt, der wohl erst im zweiten und finalen Band aufgelöst wird. Auch ihr Burnout ist eher ein Nebenthema, das nur teilweise greifbar wird. Rassismus und Diskriminierung werden ebenfalls thematisiert, jedoch eher beiläufig.
Erst als Josina lernt, ihre Träume als solche zu erkennen und sie aktiv mitzugestalten, wird sie Teil von Surts Gefährten, zu denen ein Eisriese, ein Zwerg, eine sprechende Motte (die Josinas KRAFT ist und sie beschützen soll) und der Göttervater Odin zählen. Letzterer bereut es, Ymir getötet zu haben, und stellt sich gegen seine Söhne Balder und Höldur, die über die "WELT" herrschen. Die Asen haben die Riesen in Reservate eingesperrt, fällen Bäume in den Wäldern der Alben und haben sich selbst die Amazonen zu Feinden gemacht. Während manche sich aus Verzweiflung mit Dämonen verbünden, setzen andere auf Surt und die Prophezeiung. Währenddessen hängt der Mond Ragnarök tief, groß und drohend am Himmel. Patricia Eckermann interpretiert hier nordische Mythen auf ganz eigene Weise und hat mit Surt eine faszinierende Figur ausgewählt, die hier ein Auswählter ist, der eine neue Welt erschaffen soll. Während Josina in die Geschichte hineinstolpert, weiß Surt aufgrund der Prophezeiung, was ihn erwartet und nimmt sein Schicksal an. Er erkennt Josina sofort als die Schwarze Träumerin und für ihn ist es völlig normal, dass sie immer wieder verschwindet und später wieder auftaucht. Dabei verfügt er über mehr Wissen als die Leser*innen, für die die Bedeutung der Schwarzen Träumerin lange rätselhaft bleibt.
Viele Ereignisse finden außerhalb der Romanhandlung statt und werden nur im nächsten Kapitel kurz erwähnt. Dadurch schreitet die Handlung zügig voran und die nordische Fantasywelt bleibt auf wenige Schauplätze reduziert. Auch erscheint die Fantasywelt seltsam leer, da außer den handlunsgrelevanten Figuren, und das sind nicht allzu viele, kaum jemand zu sehen ist. Die Heldengruppe bewegt sich abseits von Siedlungen und man erhascht höchstens einen kleinen Einblick in das Leben der Amazonenpriesterinnen, weil Surt aufgrund der Prophezeiung viel mit ihnen zu tun hatte - und eine von ihnen liebt. Doch auch für Surt ist es eine unglückliche Liebe. "Die Schwarze Träumerin" bietet viele spannende Ansätze, ist aber schlicht zu kurz geraten. Hier trifft quasi eine High-Fantasy-Welt auf unsere Gegenwart und ersterer wird Patricia Eckermann in der Kürze nicht gerecht. Zum Ende hin geht auch alles sehr schnell. Die Kapitel werden zunehmend kürzer und man kann es sich denken: Das Buch endet mit einem fiesen Cliffhanger. Man wundert sich ein wenig, warum die Geschichte in zwei Bänden veröffentlicht wird, hat der erste Band gerade einmal 252 Seiten und der zweite Band "Nicht schön wieder Ragnarök" weniger. Immerhin sind beide Bände zeitgleich erschienen, sodass man nicht darauf warten muss, zu erfahren, wie es weitergeht.
Fazit
"Die Schwarze Träumerin" ist eine faszinierende Interpretation nordischer Mythen als Urban Fantasy, in der die Protagonistin in ihren Träumen an der Seite eines Riesen kämpft, um eine neue Welt zu erschaffen. Fehlende Anerkennung und Mobbing treiben Josina in den Burnout - in ihren Träumen gewinnt sie Handlungsmacht und Selbstvertrauen zurück und wird Teil einer kleinen Heldengruppe, die ganz auf die Unterstützung des Auserwählten Surt ausgerichtet ist. Leider kommt die Fantasywelt in diesem ersten Band zu kurz.
Pro & Contra
+ originelle Interpretation nordischer Mythen
+ Josina als facettenreiche, emotional angeschlagene Protagonistin
+ unterstützende Nebenfiguren
+ die richtige Portion Gefühlschaos und Romantik
+ lockerer Schreibstil
+ spannende Ansätze in der Fantasywelt
- die Fantasywelt bleibt zu blass und leer
- übereiltes Ende mit zu kurzen Kapiteln
- eindimensionale Antagonisten
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5