Cross Cult (September 2023)
übersetzt von Roswitha Giesen
Klappenbroschur, 432 Seiten, 18,00 EUR
ISBN: 978-3-98666-328-5
Genre: Urban Fantasy / historisierende Fantasy
Klappentext
Inmitten wachsender politischer Spannungen verflechten sich in Amberlough drei Leben mit dem Schicksal der Stadt selbst.
Der Schmuggler: Tagsüber ist Aristide Makricosta Conférencier des exklusivsten Nachtclub in Amberlough. Nachts hingegen schmuggelt er Drogen und Flüchtlinge direkt unter der Nase korrupter Polizisten.
Der Spion: Geheimagent Cyril DePaul denkt, er könne Geheimnisse gut bewahren, doch nach einem katastrophalen Einsatz im Ausland trifft er eine gefährliche Entscheidung, um sich zu schützen … und Aristide hoffentlich ebenfalls.
Die Tänzerin: Cordelia Lehane, eine gewiefte Burlesque-Tänzerin im Bumble Bee Cabaret und Aristides’ Mädchen für alles, könnte der Schlüssel zu Cyrils Plan sein … wenn ihr zu trauen ist.
Während die strahlenden Neonlichter von den wachsenden Flammen einer faschistischen Revolution abgelöst werden, müssen diese drei alles und jeden – einschließlich einander – benutzen, um zu überleben ....
Rezension
Amberlough ist eine vielfältige, laute Hafenstadt, ein Schmelztiegel der Kulturen und geliebte Wahlheimat des Agenten Cyril. des Kabarett-Stars Aristide und der Burlesque-Tänzerin Cordelia. Während sich Polizisten schmieren lassen, der Schwarzmarkt blüht und die Amberliner die Nächte durchfeiern, bereiten die Faschisten der One State Party, auch Ospies genannt, die Machtübernahme vor. Nach einem schweren Trauma hat Cyril nur noch am Schreibtisch gearbeitet, wird nun aber plötzlich wieder auf einen Einsatz geschickt. Er soll das Vertrauen der Ospies gewinnen, wird jedoch enttarnt und dazu erpresst, als Doppelagent für sie zu arbeiten. Cyril weiß genau, was Amberlough nach der Machtübernahme droht, und versucht für sich und Aristide, seinen Geliebten, einen Deal auszuhandeln, um die Stadt verlassen zu können, wenn alles den Bach runtergeht. Auch Cordelia wird in Cyrils doppeltes Spiel mit hineingezogen und bald spüren die drei am eigenen Leib die menschenfeindliche Brutalität des Faschismus …
“Amberlough – Stadt der Sünde“ beginnt relativ gemächlich und zeigt zunächst ausführlich, wie frei die Menschen in der Metropole, die an Hamburg oder Berlin in den 1920ern erinnert, leben. Aristide und Cordelia arbeiten beide im angesagtesten Nachtclub der Stadt und wissen nicht, was der jeweils andere neben seinen glamourösen und frivolen Auftritten so treibt. Während Cordelia lediglich mit Teer, einer Droge, handelt, ist Aristide eine Größe im Untergrund. Er schmuggelt Drogen und Flüchtlinge im großen Stil und ist bestens vernetzt, entsprechend weiß er früh, welche Gefahr sich am Horizont zusammenbraut. Doch statt gegen die Faschisten vorzugehen, versucht er, sein Geschäft so lange wie möglich fortzuführen und dann vor allem seine eigene Haut zu retten. Cyril, mit dem er das Bett teilt, weiß zwar, dass Aristide in allerhand illegale Geschäfte verwickelt ist, will als Agent aber gar nichts Konkretes davon wissen. Ihre Beziehung ist mehr als eine Affäre, doch die beiden trauen einander nicht genug, um ehrlich zu sein und gemeinsam einen Weg zu finden. Stattdessen benutzen sie einander und verstricken sich in ein gefährliches Spiel.
Cordelia ist in einem sehr armen Stadtteil aufgewachsen, hat den gewaltvollen Tod ihrer Schwester erlebt und selbst nur durch Prostitution und Kriminalität überlebt. Sie hat sich auf die harte Tour hochgearbeitet und fühlt sich nun als bewunderte Tänzerin wohl, auch wenn das Geld kaum zum Leben reicht und sie auf die Einnahmen aus dem Drogenhandel angewiesen ist. An ihr sieht man deutlich die Schattenseiten der schillernden Stadt, die einerseits Offenheit und Glamour bietet, doch zu viele in bitterer Armut leben lässt. Die Polizei ist durch und durch korrupt, das Vertrauen in die Regierung auf dem Tiefpunkt. Entsprechend leicht ist es für die Faschisten, an Macht zu gewinnen, zumal sie reiche Geldgeber haben, die sich großen Profit versprechen. Lange ist der Faschismus eine Gefahr im Hintergrund, ein aufziehender Sturm, der noch vom Glanz Amberloughs überstrahlt wird.
Cyril und Aristide wissen sehr genau, welches Unheil aufzieht, und versuchen, sich eine gute Position zu sichern und für die Machtübernahme zu rüsten. Doch dann schlagen die Faschisten sprichwörtlich zu und es wird ziemlich hässlich für die Protagonist*innen. Durchfeierte Nächte, erotische Treffen und viele doppeldeutige Gespräche werden von nackter, blutiger Gewalt abgelöst. Die Faschisten zeigen ihr hässlichstes Gesicht und wer Hilfe sucht, wird schroff abgewiesen, weil andere keine Probleme bekommen wollen. So mancher begrüßt den Faschismus, viele erhoffen sich gute Geschäfte und viele schauen bewusst weg, halten den Kopf unten und wollen nichts davon wissen, dass die neue Regierung foltert und mordet. Und wie bereits erwähnt, auch die Protagonist*innen kämpfen nicht gegen den Faschismus, sie kämpfen um ihr eigenes Leben und gehen dafür teils über Leichen.
“Amberlough“ ist ein amüsanter Agententhriller bis zur Machtübernahme des Ospies, doch bereits davor wird der Spaß davon getrübt, dass Cyril mit den Faschisten zusammenarbeitet. Auch wenn er dazu erpresst wird, ist dieser Umstand nur schwer zu ertragen und zu verzeihen. Schließlich dämmert ihm selbst, dass es vielleicht auch andere Wege gegeben hätte, doch dann ist es zu spät. Auch Aristide handelt vor allem egoistisch, hat jedoch mehr Charme als Cyril und hilft mit seinem Untergrund-Netzwerk doch so einigen Menschen. Schade, dass er seine Macht nicht nutzt, um den Aufstieg der Faschisten zu verhindern. Auch wirkt es bis kurz vor Schluss so, als wäre der Faschismus nur für Kriminelle und Marginalisierte, insbesondere queere Menschen, eine Gefahr. Hier hat es Lara Elena Donnelly versäumt, die fatalen Auswirkungen des Faschismus auf die ganze Gesellschaft zu zeigen.
In “Amberlough“ gibt es weder Magie noch übernatürliche Wesen. Einzig aufgrund der fiktiven Welt lässt sich der Roman als historisierende Urban Fantasy einordnen, wobei es Bezüge zur Weimarer Republik, aber auch zum Kolonialismus des Britischen Empires gibt. Die Autorin greift vor allem auf Klischees zurück, die schnell die Atmosphäre der 1920er und des Art Déco erzeugen. Der Fokus liegt auf der Interkation der Figuren, sodass man beispielsweise wenig vom Kabarett selbst sieht, sondern mehr, wie Aristide und Cordelia davor, in den Pausen, und danach mit Personen reden. Auch von den Aktivitäten der Ospies bekommt man lange wenig mit und erfährt vor allem aus Gesprächen, bei denen viel Alkohol fließt, wie nah die faschistische Revolution bereits ist. Der Roman ist damit sehr dialoggetrieben und man muss oft genau zuhören, was die Figuren sagen – und nicht sagen. Sie manipulieren sich gegenseitig hemmungslos und sind damit kaum sympathisch, aber auf ihre Art charmant. Schade, dass sie Teil des Problems sind und nicht der Lösung.
Fazit
„Amberlough – Stadt der Sünde“ ist ein amüsanter, frivoler Agententhriller, der etwas Zeit braucht, um in den Schwung zu kommen, dann aber durchaus mitreißend ist und mit einer dichten Atmosphäre überzeugt. Hier wird kräftig manipuliert und intrigiert, jeder versucht, seine Haut zu retten und noch Profit rauszuschlagen. Doch der Faschismus schlägt mit aller Brutalität zu, sodass einem beim Lesen schlecht wird – und man sich fragt, warum zwar viele die Gefahr erkannt, jedoch nichts dagegen unternommen haben.
Pro und Contra
+ sehr atmosphärisches Setting, angelehnt an die 1920er
+ gefährliche politische Lage, die eskaliert
+ illustriert die verhängnisvollen Folgen einer faschistischen Machtübernahme
+ charmante, manipulative Protagonist*innen
+ amüsant, sexy und spannend
+ facettenreiche Nebenfiguren mit Ecken und Kanten
+ großartiges Originalcover im Art-Déco-Stil
o im letzten Drittel sehr brutal
- Gefahr des Faschismus für die ganze Gesellschaft wird nicht deutlich
- zu gemächlicher Einstieg mit zu vielen fremden Begriffen
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5