Anatol gegen die schwarzen Ratten (Raymond Macherot)

anatol

Verlag: Carlsen; (Juli 2023)
Gebundene Ausgabe: 96 Seiten; 22 €
ISBN-13: 978-3-551-71102-1

Genre: Abenteuer/ Humor


Klappentext

Die Brillenmaus Anatol wird wie alle anderen Talbewohner von der Offensive der schwarzen Ratten überrascht und muss sich zur Wehr setzen. Doch List und Mut reichen gegen die Ratten nicht aus …

Ein frankobelgischer Klassiker ist zurück. Macherot gelingt das großartige Kunststück, im klassischen frankobelgischen Funny-Strich eine Parabel auf Besatzung und Vertreibung zu kreieren. Der Band enthält den Abdruck der ersten beiden Geschichten und zusätzliches redaktionelles Material. Ein Schmuckstück für alle Sammler.


Rezension

Das Leben für Anatol könnte so entspannt sein, würden nicht eines Tages schwarze Ratten in das Tal, in dem er lebt, einfallen. Gemeinsam mit seinen Freunden, Bitumi, Lauscher, Minimum und Torpeda geht Anatol gegen die Ratten und ihren Anführer Blacky vor. Sie wollen ihr Tal zurückerobern.

1953 zeichnet der junge Raymond Macherot während einer Redaktionssitzung des Tintin-Magazins eine Maus. Diese erweckte sofort das Interesse des Redakteurs und so kam es, dass Macherot eine neue Serie auf den Weg brachte. Und eine ungewöhnliche für Tintin dazu. Denn eigentlich war das Magazin dem Realismus und der Ligne Claire verschrieben. Da passt ein Comic über eine Maus, oder besser einen Gartenschläfer, denn dies ist Anatol eigentlich, nicht hinein. Aber bereits die erste Kurzgeschichte über Chlorophylle, wie Anatol im Original heißt, überzeugte und so durfte Macherot weitere und längere Geschichten über ihn schreiben.
Die ersten beiden davon, die noch dazu direkt zusammenhängen, sind nun von Carlsen in einem Band erneut veröffentlicht worden und ja man kann die Comics als Parabel auf Besatzung und Vertreibung lesen, wie es der Rückentext macht. Nur war das eigentlich nicht Ramond Macherots Absicht, zumindest nicht in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg. Seine Inspirationsquelle waren die Reiter des Mongolischen Reiches, die dann doch mehrere Jahrhunderte früher auftauchten.
Dennoch sind natürlich die Mechanismen von Besatzung zu sehen.
Aber Anatol ist jenseits solcher Betrachtung auch ein toller Comic. Denn Macherot hat hier ein spannendes und durchaus mit relativ komlizierten Intrigen versehenes Abenteuer geschaffen, das stellenweise ebenso niedlich wie brutal sein kann. Das ist selbstverständlich der Handlung geschuldet, die darauf beruht, dass die Ratten versuchen die Heimat von Anatol und seinen Freunden für sich zu erobern und gegen die Anatol und vor allem gegen ihren Anführer Blacky antreten muss. Dennoch ist die dargestellte Gewalt ungewöhnlich für einen solchen Comic mit Tieren, der sich auch an junge Leser richtet. Auch wenn zur Entstehungszeit in diesem Bereich noch mehr möglich war und Kindern mehr zugetraut wurde.
Aber der Comic lebt nicht nur von seiner Handlung, sondern auch von seinen Charakteren. Anatol ist, so niedlich er aussieht, mutig und stellenweise in seiner Selbstüberschätzung bezüglich seiner Fähigkeiten fast größenwahnsinnig. Trotzdem ist er sympathisch. Dazu kommen dann noch Torpeda, Minimum und Bitumi, Anatols Freunde und Helfer, und insbesondere Torpeda ist eine tolle Figur, die immer wieder großartige Szenen spendiert bekommt.
Insgesamt ist das gesamte Ensemble auf Anatols Seite super gestaltet und da ein Held nichts ohne seinen Gegenspieler ist, hat Raymond Macherot mit Blacky einen wahrhaft diabolischen Charakter erschaffen, der für Macht alles tun würde und auch auf schreckliche Waffen zurückgreift.
Anatol gegen die schwarzen Ratten enthält die beiden ersten Alben von Anatol. Es gibt jedoch noch weitere, die größtenteils nicht in Deutschland erschienen. Vielleicht besteht dieses Mal die Möglichkeit darauf, wenn das Album erfolgreich genug ist.

Die Zeichnungen Macherots sind eine Mischung aus Ligne Claire und Funnystil. Dadurch bekommen sie eine gewisse Leichtigkeit und Lockerheit, die Anatol gut tut und einiges an Humor hineinbringt. Anatol sieht auch heute noch richtig gut aus.

An Bonusmaterial gibt es einen redaktionellen Teil über Macherot und die Entstehung Anatols und die erste Kurzgeschichte Raymond Macherots mit antropomorphen Tieren die dann schlussendlich zu Anatol führte.


Fazit

Anatol gegen die schwarzen Ratten ist ein überraschend modernes Album, mit einer ungewöhnlichen Mischung aus Humor, Abenteuer und Niedlichkeit, die mit einer überraschenden Brutalität versehen ist. Trotzdem ist Anatol für jüngere Leser geeignet, da eine gewisse Grenze nicht überschritten wird.


Pro & Contra

+ facettenreiche Charaktere
+ starker Bösewicht
+ wunderbare Zeichnungen

Bewertung: sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Raymond Macherot:

Rezension zu Percy Pickwick Gesamtausgabe Bd.1