Tolldreiste Geschichten nach Honoré de Balzac (Paul & Gaetan Brizzi)

Tolldreiste Geschichten

Verlag: Splitter; (April 2023)
Gebundene Ausgabe: 128 Seiten; 29,80 €
ISBN-13: 978-3-96219-124-5

Genre: Humor/ milde Erotik


Klappentext

Von 1832 an schrieb der große Schriftsteller Honoré de Balzac seine „Tolldreisten Geschichten“.

Dieser Bruch in Stil und Ton ist eine Hommage an Rabelais, für dener große Bewunderung hegte. Von den geplanten hundert Geschichten hat Balzac am Ende nur dreißig geschrieben. Leichtfüßig und komisch, deftig und satirisch, spielt ihre Handlung zumeist im Frankreich des 15. Jahrhunderts.

Paul und Gaetan Brizzi haben vier davon ausgewählt:

Die schöne Imperia

Worin sich der Leser fragt, ob es einem jungen Mönch gelingen wird, der betörenden Schönheit der jungen Imperia zu widerstehen.

Die lässliche Sünde

Worin die sehr hübsche Blanche von Azay-Le-Ridel lernt, zwischen Todsünde und lässlicher Sünde zu unterscheiden.

Der Erbe des Teufels

Worin zwei Brüder erfahren, dass ein Hirte zu sein einen noch nicht zum Schaf macht.

Die Frau Konnetabel

Worin eine Gräfin mithilfe verschiedener Strategien versucht, der Eifersucht ihres Gemahls zu entkommen, um ihren Liebhaber zu treffen.


Rezension

Von Honoré Balzacs dürften viele gehört haben, gilt er doch als bedeutender Schriftsteller, der zwar sein Vorhaben, die gesellschaftliche Realität in Frankreich zu seiner Zeit abzubilden, nicht vollständig vollenden konnte, aber dennoch großen Einfluss auf folgende Schriftsteller hatte. Er schrieb wie ein Besessener und gönnte sich kaum Ruhe.
Zur Erholung zwischendurch verfolgte Balzac noch ein anderes Vorhaben. Und zwar wollte er im Prinzip ein neues Decamerone schreiben. Und dies tat er dann auch von 1832 an. Von den geplanten hundert Geschichten, vollendete er jedoch nur dreißig. In ihnen wirft er einen satirischen und frivolen Blick auf die Gesellschaft des Mittelalters und ihren Ständen. Er zeigt einen nach Lebenslust gierenden Hochadel, unmoralische Kleriker, Ehebrecherinnen und Ehebrecher, junge, unerfahrerene Männer und Frauen und jede Menge andere Menschen, die irgendwie in deftige, komische und auch satirische Geschichten hineingezogen werden. Natürlich ist dies immer nicht nur ein Kommentar auf das Mittelalter, denn so wie Balzac schreibt, erkennt man, dass die Menschen des Mittelalters und der Gegenwart sich gar nicht mal so sehr unterscheiden. Manche Themen bleiben eben ewig aktuell und erscheinen vielleicht nur in einer anderen Form.

Die Brüder Paul und Gaetan Brizzi haben sich vier von Honoré de Balzacs Geschichten herausgepickt und nun als Comic umgesetzt. Allen Geschichten ist gemein, dass es immer irgendwie um Liebe, Eifersucht, Lust und Sehnsucht geht und das sind eben auch Themen, die nie an Aktualität verlieren. Wer das Frauenbild kritisieren möchte, sollte im Kopf haben, dass diese Geschichten vor fast zweihundert Jahren geschrieben wurde und im Mittelalter spielen. Die Gesellschaft war damals eine andere, dennoch sind Frauenfiguren in Balzacs Geschichten den Umständen entsprechend erstaunlich modern und durchsetzungfähig. Sie sind zumindest in drei Geschichten die heimlichen „Helden“. Ansonsten ist der Humor in den Geschichten nach wie vor pointiert und eben zeitlos. Das Wesen des Menschen, seine Stärken und Schwächen, lässt sich nun mal nicht ändern und genau darauf zielt Balzac ab und genau dies behalten die Brizzis bei. Sicher werden sie auch gekürzt haben, aber die Geschichten sind verständlich und scheinen alles zu enthalten, das wichtig ist. Als Rahmenhandlung beziehen sie Honoré de Balzac selbst mit ein. Er erzählt diese vier Geschichten entweder jemanden oder er schreibt sie auf.
Der Inhalt der vier Geschichten wird vom Klappentext sehr gut zusammengefasst und jedes weitere Wort über sie, würde vermutlich den Spaß beim Lesen mindern. Nur soviel sei verraten, sie sprühen vor Humor und den Lastern der Menschen und damit bekommt der Leser vier vergnügliche Geschichten.

Erzählerisch haben Paul und Gaetan also bereits alles richtig gemacht und sich ganz auf die Stärke von Balzacs Erzählungen verlassen, was sie hier aber zeichnerisch abliefern, ist einfach brillant.Was sie anscheinend nur mit Bleistift aufs Papier gezaubert haben ist eine Augenweide. Sie erwecken das mittelalterliche Leben detailreich zum Leben, fangen den Humor der Geschichten in Mimik und Gestik der Charaktere ein und wissen ganz genau, wann sie mehr in Richtung Karikatur gehen und wann sie etwas realistischer bleiben müssen. Zudem überladen sie ihre Seiten nicht mit Text, sondern verlassen sich immer wieder rein auf die Kraft ihrer Bilder. Das macht einfach Spaß sich anzuschauen. Auf diese Weise können sie gerne noch die fehlenden Tolldreisten Geschichten umsetzen.


Fazit

Honoré de Balzacs Geschichten haben bis heute nicht von ihrer Kraft und ihrem Humor verloren. Die Themen sind eben zeitlos und so wirft er nicht nur einen Blick in die Vergangenheit des Mittelalters, sondern auch in unsere Gegenwart. Paul und Gaetan Brizzi haben dies in brillanten Bildern umgesetzt.


Pro & Contra

+ Humor
+ brillante Zeichnungen
+ gelungene Umsetzung

Bewertung: sterne5

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 5/5
Humor: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5