Im Auge der Leere (Stefan Cernohuby und Melanie Vogltanz)

Plan 9 (August 2023)
Paperback, ca. 400 Seiten, 18,00 EUR
ISBN: 978-3-948700-70-6

Genre: Space Opera / Heist


Klappentext

Mehr als 3.000 Sternensysteme werden von Menschen besiedelt. Auf hunderten bekannten Welten existiert nichtmenschliches Leben. Doch nur ein Wesen behauptet, aus dem unzugänglichen Teil der Galaxis zu stammen – mitten aus dem Auge der Leere: Void.

Void ist ein Individuum mit verborgenen Talenten und speziellen Bedürfnissen, sowohl was seinen Lebensstil als auch seinen Metabolismus angeht. Das ist aber nur einer der Gründe, warum er sich in einem intergalaktischen Hochsicherheitsgefängnis befindet.

Als Aelianus, das inoffizielle Oberhaupt der Organisation Oculus, von einer Bedrohung galaktischen Ausmaßes erfährt, erkennt er, dass nur eine ganz spezielle Fähigkeit das Schlimmste verhindern kann. Doch dies bedeutet, mit dem gefährlichsten Verbrecher der Galaxis gemeinsame Sache zu machen.


Rezension

Void gilt als einer der gefährlichsten Verbrecher in der Galaxie und fristet sein Dasein in einem Hochsicherheitsgefängnis, in dem er regelmäßig Anträge zur Wiederaufnahme seines Verfahrens stellt. Die Wärter fürchten sich vor Void, dessen Heimat das sagenumwobene Auge der Leere sein soll. Er ist ein Vinsha, ein Formwandler, der nach einem kurzen Kontakt die Gestalt verschiedenster Lebensformen annehmen kann. Deshalb fürchtet und hasst man ihn / sie / sier. Void hat kein Geschlecht und akzeptiert alle drei Pronomen. Im Verlauf der Handlung nutzt er meist die Gestalt männlicher Menschen, teilweise auch die seiner neuen Crewmitglieder, die ihn aus dem Gefängnis befreien und zur Mitarbeit erpressen. Void wird von Oculus zwangsrekrutiert, einer Organisation, die in der Galaxie für Ordnung sorgt. Er wird einem Team von Spezialisten zugeteilt, das den Einsatz einer neuartigen Massenvernichtungswaffe verhindern soll. Dieses Team besteht aus sehr gefährlichen Leuten, die Kriminelle wären, wenn sie nicht für Oculus die dreckigen Jobs erledigen würden.

Die Handlung von "Im Auge der Leere" wird von der Suche nach der Massenvernichtungswaffe angetrieben, die die Technokraten entwickelt haben sollen, und den permanenten Streitigkeiten innerhalb der Crew, die ihrem neusten Mitglied Void mit Misstrauen begegnet. Zunächst setzt sich vor allem der Diplomat des Teams, Jake Roberts, für Void ein, während Scharfschützin Snayper "das Alien" gruselig findet und am liebsten erschießen würde. Sie hat ein ausgeprägtes Alkohol- und Aggressionsproblem und richtet ihren Blaster regelmäßig auf die Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten soll. Muharib ist der Mann fürs Grobe und wird verächtlich als "Küken" bezeichnet. Er bemüht sich darum, mit den anderen klarzukommen, und überwindet die Abneigung gegen Void relativ schnell. Muharib entwickelt Sympathie für den Formwandler und zwischen den beiden entsteht eine fragile Freundschaft, die etwas zwischenmenschliche Wärme in die actionreiche, brutale Heist-Story bringt.

In Rückblenden erfährt man, wie die einzelnen Teammitglieder rekrutiert wurden und wie ihre Leben vor Oculus aussahen. Während Jake Roberts seine Fähigkeiten vor allem für Lügen und Betrug genutzt hat, ist die Vergangenheit von Snayper und Muharib voller Gewalt. Muharibs Hintergrundgeschichte nimmt relativ viel Raum ein und beinhaltet eine berührende Liebesgeschichte, ein wenig prickelnde Erotik, vor allem aber viel Schmerz und Verluste. Über Aelianus, den inoffiziellen Boss von Oculus, erfährt man hingegen wenig. Er bleibt lange eine mysteriöse, mächtige Figur, die andere für ihre Zwecke benutzt. Früh wird klar, dass man ihm nicht vertrauen kann, dass er Grenzen überschreitet und keinen Respekt vor dem Leben hat. Er behauptet, für Ordnung in der Galaxie zu sorgen, doch es geht ihm vor allem um die Sicherung seiner Macht und die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse. Auch Void benutzt er. Aelianus weiß um die besondere Physiologie des Formwandlers und stellt ihm Nahrung zur Verfügung - gerade so viel, dass Void nicht verhungert und seine Fähigkeiten in den Dienst von Oculus stellen kann. 

Void hat also keine Wahl, er muss für Aelianus arbeiten. Man ahnt schnell, dass Void nicht der emotionslose Killer ist, als der er anfangs dargestellt wird. Als Formwandler erinnert er etwas an Odo aus "Star Trek", dem ebenfalls oft mit Argwohn und Hass begegnet wurde. Doch Void trifft hier nicht auf eine utopische Gesellschaft, in der verschiedenste Lebensformen einen Platz finden können, sondern wird gezwungenermaßen Teil einer gefährlichen Mission, die Einbrüche, Abstürze, Verrat und viele Tote beinhaltet. Seine wahre Gestalt zeigt Void niemandem, dies ist in seinem Volk verboten und er hält sich daran, auch wenn er ewig keinen Kontakt mehr zu ihm hatte. Leider erfährt man über die Vinsha recht wenig, dabei sind sie eine faszinierende Spezies mit einer spannenden Geschichte, die nur angedeutet wird. Auch erfährt man zunächst wenig Persönliches über Void, der im Verlauf der Handlung zunehmend menschlicher wird, da er immer wieder die Form von Menschen annimmt. 

Void bemüht sich, sich den Menschen anzupassen und ihre Verhaltensweisen korrekt zu interpretieren. Er verletzt oftmals soziale Regeln, da viele davon für ihn unlogisch sind. Dennoch ist Void ein sehr guter Beobachter und sammelt Informationen über die anderen Teammitglieder, um besser mit ihnen umzugehen zu können. Sein Interesse erzeugt wiederum Argwohn und seine herausragenden Fähigkeiten wecken Neid. Kleinigkeiten führen schnell zur Eskalation, der Umgang miteinander ist oft respektlos und toxisch. Wenn es darauf ankommt, funktionieren die sehr unterschiedlichen Charaktere allerdings sehr gut zusammen. Fast schon zu gut - ihre Erfolge haben sie vor allem den Absichten der beiden Autor*innen zu verdanken, denn auch wenn jeder auf seinem Gebiet herausragend ist, bleibt es unrealistisch, dass vier Personen (Aelianus hält sich meist im Hintergrund) gegen dutzende und hunderte Gegner*innen bestehen und immer im richtigen Moment eine geniale Idee haben.

"Im Auge der Leere" setzt vor allem auf Unterhaltung, zu der ein derber Humor gehört. Tatsächlich sind einige Dialoge zwischen den Protagonist*innen sehr komisch, oft wirkt ihre Coolness jedoch aufgesetzt und es gibt zu viele unnötige Konflikte. Als Film wäre der Roman sicher ein visuelles Spektakel, doch inhaltlich lässt er Tiefe vermissen. Sowohl beim Worldbuilding als auch bei den Figuren, von denen einzig Void und Muharib überzeugen können. Über die Technokraten erfährt man sehr wenig, noch weniger über die anderen nicht-menschlichen Spezies, die laut Klappentext auf hunderten von Welten leben. Auch von den menschlichen Kulturen auf über 3.000 besiedelten Planeten erhascht man nur flüchtige Eindrücke in den Rückblenden. Selbst das titelgebende "Auge der Leere" spielt lange Zeit kaum eine Rolle, erst am Ende macht der Titel doch noch Sinn. Bis dahin gibt es jede Menge blutige Action, bei der Technologie und rohe Gewalt zum Einsatz kommen.


Fazit

"Im Auge der Leere" ist eine durchaus unterhaltsame Heist-Space-Opera, die stark auf Action und derben Humor setzt. Das Worldbuilding verlässt sich jedoch zu sehr auf Bekanntes und von den vielfältigen Spezies, die die Galaxie bevölkern, sieht man sehr wenig. Auch stört man sich zunehmend an den Streitigkeiten innerhalb der Crew, die das Werkzeug eines machtgierigen, dunklen Bosses ist.


Pro & Contra

+ Void ist eine faszinierende Hauptfigur
+ Voids Formwandlerfähigkeiten
+ Muharibs Hintergrundgeschichte
+ lockerer Schreibstil mit derbem Humor
+ jede Menge Action

- schwaches Worldbuilding
- zu viele provozierte Konflikte
- Aelianus als stereotype, dunkle Machtfigur

Wertungsterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5


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Tags: Space Opera, Melanie Vogltanz, Heist, queere Figuren, deutschsprachige SF